Die Abendgottesdienstreihe „Nachtschicht“ hat ein Gastspiel im Theaterhaus gegeben. Mit dabei: Walter Sittler und seine Frau, Dokumentarfilmerin Sigrid Klausmann. Die beiden haben ein Filmprojekt über Schulkinder in aller Welt vorgestellt.

Feuerbach/S-Nord - Dass sich ein evangelischer Pfarrer auf den Papst beruft, das ist eher noch nicht die Regel. Auch nicht, wenn es dabei um den Franziskus-Weckruf für ein solidarisches Europa geht. Aber an der „Nachtschicht“ von Ralf Vogel und seinem jugendlichen Team ist eh fast alles ungewöhnlich. In deren Heimstatt, der Obertürkheimer Andreaskirche, aber auch beim gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde Nord veranstalteten Gastspiel im Theaterhaus. Auch dort im profanen fügen sich Rahmen Gespräche, Rollentexte und Musik, Film und Gottesdienstliches ganz selbstverständlich zu einer Einheit. Und wer nicht religiös verwurzelt ist, wird trotzdem affiziert von der Herzensweite, der Klugheit und dem Ernst, mit dem Thema und Anliegen beackert werden: Aus dem Geist einer urchristliche Nächstenliebe, die keinen Menschen ausschließt und der keines Menschen Not gleichgültig ist.

 

Acht „Bausteine zum Thema Gerechtigkeit“ bietet die aktuelle „Nachtschicht“-Saison, mit der Nummer vier war nun Bildungsgerechtigkeit dran, unter dem locker-flockigen, für alle Assoziationen und Realitäten offenen Titel: „Manche lernen’s nie“. Weil sie nicht wollen? Weil sie nicht können, nicht dürfen. Weil sie keinen Zugang zu, kein einklagbares Recht auf Bildung haben! Der Horizont ging also weit über hiesige Grabenkämpfe hinaus, denn im Mittelpunkt standen „199 kleine Helden“, ein Film-Projekt über Kinder aus fast allen Ländern dieser Welt, an dem die Dokumentarfilmerin Sigrid Klausmann und der Stuttgarter Schauspieler Walter Sittler derzeit arbeiten.

Worauf es ankomme im Umgang mit Kindern, wurde Sittler von Vogel gefragt: „Darauf, zuzuhören und nicht dazwischen zu quatschen. Auf sie einzugehen und sie nicht in Schablonen zu pressen.“ Ähnlich antwortete Klausmann auf die Frage, wie es ihr gelinge, das Vertrauen ganz fremder Kinder zu gewinnen: „Die Kinder schauen: Interessiert sie sich für mich oder will sie nur was von mir wissen?“ Klar, wie es gehen muss, wie die Haltung zu sein hat: „Ich will kein Mitleid erregen, sondern Respekt wecken. Die Freude, den Mut, das Können und die Kraft dieser Kinder zeigen.“ Entsprechend dann die Erfahrung, nachdem inzwischen 39 von 199 kleinen Helden „im Kasten“ sind: „Wow! Das ist unsere Zukunft!“ Die Folgerung: „Wir müssen das Beste tun für unsere Kinder. Hier und überall.“

Eine Stimme für die Millionen Kinder ohne Chance auf Bildung

Das hätte auch von Sai sein können, der zwölfjährigen Hochbegabten aus Indien, die der Förderung wegen mit ihrer Familie nach New York gezogen ist. Neurochirurgin will dieses unglaublich frühkluge Mädchen werden, das nicht nur den eigenen Weg, sondern auch die Ausgeschlossenen sieht: „Das muss man sofort ändern!“ Herzerweichend das zweite eingespielte Beispiel, das das Kernanliegen des Projekts zeigt, denn Alphonsie von der Elfenbeinküste würde „so gerne wieder zur Schule gehen“. Beeindruckend auch, woran der Jazz-Pianist Patrick Bebelaar mitarbeitet: An einem Projekt für elternlose Kinder in einer südafrikanischen Township, wo die Kids im gemeinsamen Haus nur dann Kost und Logis bekommen, „wenn sie zur Schule gehen und ihr Instrument lernen“, wie Bebelaar erzählte.

Dazwischen: Texte, auf die knapp 20 jungen Leute des Teams verteilt. Blitzlichter, Momentaufnahmen aus der Bildungswirklichkeit. Gegengeschnitten mit der „einzigen Schulgeschichte der Bibel“, mit Jesus im Tempel, unter den Schriftgelehrten. „So wuchs Jesus heran.“ Das ist das Leitmotiv, das bis zur Ergänzung auswuchs: „Sein Wissen und sein Verständnis nahmen zu.“ Bis es übersprang: „So wachsen wir Kinder heran, geliebt von Gott und den Menschen.“ Denn die Liebe ist die Grundnahrung, ohne die Bildung nur auf mageren Boden gepflanzt werden kann. Angereichert das Ganze mit famosem Jazz. Mit Bebelaar am Klavier, Frank Kroll an der Bassklarinette und mit Lea Sittler, eigens aus Göteborg gekommen, am Saxofon. Und mit Gesang! Lea Sittler hat den Titelsong für „199 kleine Helden“ geschaffen, für die im Frühjahr ins Kino kommende Version. Als ein Trailer mit Kindergesichtern über die Leinwand lief, sang die Musikerin diesen Song: „Not without us.“ Zart und nachdrücklich. Und damit erhob sie die Stimme für mehr als 100 Millionen Kinder ohne Chance auf Bildung: „Not without us.“ Nicht ohne uns. Selbst ein Dickhäuter hätte da Gänsehaut bekommen.