Zwei Klassenlehrer werden plötzlich aus der Albschule in Stuttgart-Degerloch abgezogen. Das hat Auswirkungen auf die Kinder. Die Eltern haben eine Woche vorher von der anstehenden Blitzfusion der vierten Klassen erfahren – und entsprechend reagiert.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Kathrin Berner hat es genau vor einer Woche erfahren. Am vergangenen Montag hat ihr die Schulleiterin der Albschule in Degerloch gesagt, dass eine Fusion der drei vierten Klassen ansteht – und zwar mehr oder weniger unmittelbar. Bereits am heutigen Montag sind aus den bisher drei vierten Klassen der Albschule zwei geworden. Der Grund: der eklatante Lehrermangel in Stuttgart. Die Eltern der Albschule wurden von der „Hiobsbotschaft“, wie Kathrin Berner es nennt, kalt erwischt. „Es sind gerade viele Emotionen vorhanden“, sagt Kathrin Berner, die Elternbeirätin ist.

 

Die Stimmung beim Elternabend war nicht nur harmonisch

Am vergangenen Mittwoch haben die Schulleitung und das Staatliche Schulamt einen Elternabend einberufen, um die Mütter und Väter über die kurzfristige Neuerung zu informieren. Laut Kathrin Berner sind rund 40 Leute gekommen. Die Stimmung war die anderthalb Stunden über offenbar nicht nur harmonisch. Es sei schon auch heiß hergegangen, berichtet die Elternbeirätin. „Ich selbst bin auch mit Wut rein“, sagt sie. Doch sie habe rasch Verständnis für die Schulverwaltung entwickelt. „Die sind ja nur die Ausführenden“, sagt Kathrin Berner. „Das hier ist für mich ganz klar ein politisches Versagen.“ Sie kann nicht nachvollziehen, warum es auf der politischen Ebene ständig um neue, moderne Schulkonzepte gehe, „dabei brauchen wir etwas ganz anderes“, sagt Kathrin Berner. Zum Beispiel Lehrer für ihre Kinder.

„Wir haben eine prekäre Situation in Stuttgart“, sagt Almuth Windisch, Schulamtsdirektorin beim Staatlichen Schulamt. Schon vor den Sommerferien seien die Lehrerstellen knapp besetzt gewesen, doch nun im Herbst habe sich die Lage plötzlich drastisch verschärft, „durch tragische Ausfälle“, sagt Almuth Windisch. Zum Beispiel durch Krankheiten.

Am 21. September mussten die Stuttgarter Schulen turnusgemäß eine Kurzstatistik beim Staatlichen Schulamt abgeben, und diese hatte der Albschule bescheinigt: „Sie haben viel zu viel“, sagt Almuth Windisch und meint letztlich die Lehrer.

Zwei Lehrerinnen werden abgezogen

Dass in den drei vierten Klassen der Albschule bisher nur jeweils 18 oder 19 Kinder waren, sei eine vergleichsweise komfortable Situation gewesen. Dass sei der Schulleiterin auch bewusst gewesen, sagt Almuth Windisch. Die am 28. September zur Schulleiterin ernannte Bärbel Kirdorf möchte keine Stellung zu der Blitzfusion nehmen; sie verweist ans Staatliche Schulamt.

Aus Degerloch wurden konkret zwei Lehrerinnen abgezogen, um anderswo Löcher zu stopfen. Dass dies nicht mit Beginn des Schuljahres geschah, sondern vier Wochen später, können viele Eltern nicht verstehen. „Das ist einfach nicht fair den Kindern gegenüber“, sagt Kathrin Berner. Ihr Kind habe „relativ gelassen“ auf die Neuigkeit reagiert. Aber sie habe gehört, dass es am Freitag an der Albschule „viele, viele Tränen gegeben hat. Die Kinder haben das heute erst realisiert“. Und sie haben heute erfahren, mit wem sie von diesem Montag an in die Klasse gehen und welchen Lehrer sie haben. Da dürften viele Wünsche, aber eben nicht alle, in Erfüllung gegangen sein. Auch Almuth Windisch findet den Zeitpunkt unglücklich. Aber sie sagt: „Kinder haben mit solchen Veränderungen weniger Probleme als wir Erwachsene.“

Nicht nur in Stuttgart-Degerloch stehen Fusionen an

Derlei Fusionen stehen übrigens nicht nur in Degerloch an, sondern auch an anderen Schulen im Stuttgarter Stadtgebiet, sagt Almuth Windisch. Um den Mangel zu verwalten, „müssen wir dort auch Lehrkräfte herausschälen“.

Die Eltern der Albschule sind gebrannte Kinder. Vor wenigen Jahren gab es den Plan, Alb- und Filderschule zu einer Grundschule zu verschmelzen. Eltern und Lokalpolitiker gingen auf die Barrikaden, doch alle Zeichen standen auf Fusion. Überraschend haben die Stadträte dem Vorhaben aber im vergangenen Jahr eine Absage erteilt.