Eine ehemalige Bezirksleiterin einer Supermarktkette soll ein Bußgeld bezahlen, weil in zwei Stuttgarter Filialen massive Verschmutzungen festgestellt worden waren. Die Frau wehrt sich vor Gericht.

Stuttgart - Die Begriffe, die vor dem Amtsgericht Stuttgart fallen, lassen keinen Interpretationsspielraum. Der Lebensmittelkontrolleur spricht von „massiver Altverschmutzung“. Die Gutachterin sagt, was sie auf den Fotos sehe, sei „abstoßend und ekelerregend“. Trotzdem sträubt sich die Frau, die als Bezirksleiterin für die beanstandeten Supermärkte zuständig war, gegen die zwei Bußgeldbescheide in Höhe zu je 300 Euro – jedenfalls vorerst noch.

 

Die Lebensmittelbehörde hatte einen ihrer Prüfer am 2. und 3. März vorigen Jahres in die zwei Stuttgarter Filialen geschickt – Routinekontrollen. Was er vorfand, war alles andere als appetitlich. „In einem Lagerraum roch es unbeschreiblich modrig“, so der Kontrolleur. Grund dafür sei ein völlig verdreckter Abfluss gewesen.

In den Kühlräumen habe er Schimmel gefunden, zwischen Kühltruhen eingetrocknete Obstreste, an Türdichtungen und Regalen „grünlich-ockerfarbene Beläge“. Und auch im Metzgerei-Vorbereitungsraum sei Schimmel gewesen. Der Prüfer sagt, es habe sich um „massive Altverschmutzungen“ gehandelt, keinesfalls um Schmutz, der unweigerlich im Tagesbetrieb entsteht.

Der Fall nimmt eine dramatische Wende

Die Frau, die als Bezirksleiterin für 14 Filialen zuständig war und inzwischen einen anderen Posten hat, und ihr Verteidiger Alexander Freiherr von Malsen-Waldkirch stellen die Verschmutzungen nicht in Abrede. Die Verantwortlichkeit der 48-Jährigen aber schon. Die Frau kontrolliere die Märkte regelmäßig nach einem bestimmten, von der Konzernführung vorgegebenen System. Zusätzlich schaue sie zwischen den Prüfzyklen vorbei. Mehr gehe nicht. „Es ist unmöglich, 14 Märkte lückenlos zu überwachen“, sagt Verteidiger von Malsen-Waldkirch. Die Marktleiter seien in der Pflicht. Seine Mandantin habe ihr Möglichstes getan und sei deshalb nicht zu belangen.

Der Oberstaatsanwalt sieht das völlig anders. Die beiden Marktleiter seien ebenfalls mit Bußgeldern belegt worden, hätten aber anders als die 48-Jährige keinen Einspruch eingelegt. Die Bezirksleiterin sei als Aufsicht der Marktleiter mit im Boot und müsse für die dortigen Verhältnisse geradestehen.

Als die Gutachterin für Lebensmittelhygiene ihre Einschätzung vor Einzelrichter Kai Gassert abgibt, nimmt der Prozess eine fast schon dramatische Wende. Die Sachverständige spricht von „ekelerregenden und abstoßenden Zuständen“. Auf einem Foto sei offenes Hackfleisch zu sehen, an der Lüftung klebe Schimmel. „Der wird unweigerlich auf das Fleisch verteilt“, stellt die Gutachterin fest.

„Jetzt kommen wir von der Ordnungswidrigkeit in den strafrechtlich relevanten Bereich“, sagt der Oberstaatsanwalt dazu. Der ehemaligen Bezirksleiterin droht jetzt plötzlich ein Strafverfahren mit gravierenden Folgen. Mit einem Bußgeld wäre es dann nicht mehr getan.

Die Frau ist am Ende ihrer Nervenkraft

Nach einem Disput mit dem Oberstaatsanwalt verlässt der Verteidiger mit seiner Mandantin den Saal. Es gibt Beratungsbedarf. Zwei Bußgeldbescheide zu je 300 Euro sind dem Verteidiger zu viel. Zumal ein Bußgeld über 200 Euro zu einem Eintrag im Gewerberegister führt.

Die Frau, die neben dem Vollzeitjob ihren schwer kranken Mann pflegt, scheint jedoch am Ende ihrer Nervenkraft zu sein. Unter Tränen akzeptiert sie die zwei Bußgeldbescheide. „Gegen meinen Rat. Die Sache ist sehr unbefriedigend verlaufen“, so Verteidiger Alexander Freiherr von Malsen-Waldkirch. Er lässt zu Protokoll geben, dass man die Sache aus „verfahrensfremden Gründen“ beende. Damit stellt er klar, dass seine Mandantin kein Schuldanerkenntnis abgibt. Denn laut Staatsanwaltschaft stehen der Frau weitere Verfahren aus anderen Hygienekontrollen ins Haus.