Im Gegensatz zu anderen Kreisen gibt es in Göppingen keinen Tagestreff für Bedürftige, wo sie sich aufhalten und zusammen essen können. Die Ehrenamtlichen des Vereins Heaven-Underground decken die Lücke mit ihrem Freitagstreff nur zum Teil.

Göppingen - Die ersten stehen schon vor zwölf auf dem Treppenabgang, der etwas abseits der Göppinger Fußgängerzone hinab ins Heaven führt. Um 12.30 Uhr wird Bernd Eppinger die Türe öffnen. Dann können Hartz-IV-Empfänger, Flüchtlinge und Wohnungslose an der Theke in den Kellerräumen des Vereins Heaven-Underground (auf deutsch: Himmel unter der Erde) Lebensmittel in Empfang nehmen, die ehrenamtliche Helfer seit 8 Uhr in Supermärkten eingesammelt haben. Neben seinem Hauptberuf ist Eppinger Pfarrer einer Freikirche und Vorsitzender des Vereins, den vier Freikirchen gegründet haben, um Bedürftigen zu helfen.

 

Eigentlich gehört es heute zum Standard, Tagestreffs anzubieten, wo sich bedürftige und wohnungslose Menschen treffen und soziale Kontakte pflegen können. Im Idealfall sind dort Sozialarbeiter tätig, die den Besuchern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Im Winter, aber auch an Augusttagen mit 15 Grad und Regen können sich die Wohnungslosen dort aufwärmen – körperlich und seelisch. Wo sollen sie auch sonst hin?

Feste Treffs in den Kreisen Esslingen, Böblingen und Ludwigsburg

Im Kreis Esslingen etwa bietet die Evangelische Gesellschaft Tagestreffs in Nürtingen, Plochingen und der Stadt Esslingen an, es gibt Treffs in Ludwigsburg und Böblingen und im Rems-Murr-Kreis gibt es zumindest einen mobilen Mittagstisch der Erlacher Höhe, der jeden Tag während der Woche in einer anderen Kommune gastiert. Im Kreis Göppingen hingegen gibt es neben dem Heaven nur noch die Vesperkirche im Winter, das Mittagscafé im Pavillon der Stadtkirche und dienstags einen Treff der Heilsarmee in Geislingen. Das Angebot wird von Ehrenamtlichen bestritten, die Arbeit durch Spenden finanziert.

Auf der Treppe zum Heaven versammeln sich Menschen jeden Alters. Manchen sieht man die Armut an. Einige erzählen freimütig von ihrem Leben, andere lässt die Scham verstummen. Eine Frau und ein Mann streiten darüber, wer von ihnen vor 2000 Jahren als Christus gelebt hat. Psychische und seelische Erkrankungen sind eine der großen Ursachen für Armut.

Der Gottesdienst ist kein Muss

Aus der Sicht von Wolfgang Baumung, dem Leiter des Hauses Linde, das Wohnungslosen Obdach und Beratung anbietet und auch die Vesperkirche in Göppingen organisiert, ist das Heaven ein wichtiges Angebot: „Die kümmern sich um Leute, für die sonst kaum einer da ist.“ Der Bedarf sei auf jeden Fall vorhanden. Dennoch arbeitet das Haus Linde, das zur Diakonie gehört, nicht mit dem Heaven zusammen – die Ansätze zum Umgang mit Wohnungslosen sind zu unterschiedlich. Im Heaven als freikirchlicher Einrichtung spielt auch die Missionierung eine Rolle, das Haus Linde konzentriert sich allein auf die Sozialarbeit. Allerdings, das betont Baumung, handelt es sich bei den vier Freikirchen nicht um Sekten, und niemand muss am Gottesdienst teilnehmen.

Doch Religion hin oder her, für die Besucher ist das Heaven tatsächlich ein kleines Stück Himmel auf Erden. Jeden Freitag gibt es von 12.30 Uhr an ein kostenloses Mittagessen (außer in den Sommerferien), Kaffee und Kuchen ab 15 Uhr, einen kurzen Gottesdienst um 17 Uhr. Die Ausgabe von Lebensmitteln beginnt um 17.30 Uhr. Die einen genießen die Kontakte und sagen: „Wir sind hier eine große Familie.“ Andere kommen vor allem wegen der kostenlosen Lebensmittel. Einzelnen hat es auch der Gottesdienst angetan.

Kreis gewährt zum ersten Mal eine finanzielle Unterstützung

Bis zu 80 Bedürftige aus Göppingen und dem Kreis kommen jeden Freitag. Die Helfer und die Gäste kennen sich gut. Zum einen gibt es das Angebot seit mehr als zehn Jahren, zum anderen helfen einige der Gäste auch immer wieder aus. „Ich wünschte, wir könnten noch mehr tun“, sagt eine Ehrenamtliche, während sie Salatköpfe, Karrotten und Äpfel verteilt und schaut hinüber zu einem jungen Mann, der bei der Ausgabe hilft. Auch er gehört zu denen, die keine Arbeit haben und an der Armutsgrenze leben. „Manche sind noch so jung, da müsste man doch etwas tun können.“

Doch die Ehrenamtlichen müssen sich bescheiden. Die Arbeit von Profis wie in einer Beratungsstelle können sie nicht leisten. Auch so sind die Teams jeden Freitag von 8 bis 21 Uhr im Einsatz und zahlen so manche Kleinigkeit von ihrem eigenen Geld – Sprudel und andere Getränke etwa gibt kein Supermarkt umsonst her. „Die haben ja kein Verfallsdatum“, sagt Bernd Eppinger. Gleiches gilt für Toilettenpapier.

Auf Antrag der Linken wird der Kreis Göppingen im kommenden Jahr wohl zum ersten Mal etwas Geld in die Hand nehmen, um das Projekt zu unterstützen. Der VW-Bus, mit dem die Ehrenamtlichen die Lebensmittel einsammeln, ist 22 Jahre alt und kurz vor dem Auseinanderfallen. Im März steht der Tüv an. Aller Voraussicht nach wird der Kreis bei den Etatberatungen beschließen, dem Verein 8000 Euro zu geben, damit er einen anderen gebrauchten Bus kaufen kann – und so die Arbeit fortführt, die von der öffentlichen Hand zumindest zum Teil finanziert werden sollte.