Bei der europäisch-russischen Mission zum Roten Planeten läuft alles nach Plan: Das Landegerät befindet sich auf der Zielgeraden.

Stuttgart - Bei der Europäischen Weltraumagentur (Esa) ist man hochzufrieden: Bisher ist bei der komplizierten Mission Exomars alles nach Plan verlaufen. In der vergangenen Woche hat die Sonde nach sieben Monaten Flug und knapp 500 Kilometer Flug den Roten Planeten fast erreicht. Am Sonntag hat sich dann etwa sechs Millionen Kilometer vor dem Mars planmäßig das Landegerät Schiaparelli von der Muttersonde TGO, dem Trace Gas Orbiter, getrennt und Kurs auf den vorgesehenen Landeplatz genommen. Ein per Funkbefehl ausgelöster Sprengbolzen hatte das Sondenpaar getrennt, worauf der Lander von einem Federmechanismus von der Muttersonde weggeschoben wurde. Es dauerte allerdings unvorhergesehen lange, bis alle Daten über die Trennung der beiden Geräte auf der Erde waren. Doch schließlich konnte die Flugleitung mitteilen, dass die „Telemetriedaten laut und klar“ angekommen waren. „Schiaparelli ist frei und unterwegs zum Mars“, hieß es.

 

Auch TGO ist auf Kurs: Sie soll am kommenden Mittwoch, wenn Schiaparelli auf dem Mars niedergeht, in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenken. Das Manöver gilt – ebenso wie die Trennung und anschließende Landung des Landegeräts – als höchst anspruchsvoll. So wäre es nicht das erste Mal, dass eine Marssonde am Ziel vorbeifliegt. Zudem erfordert es eine ganze Reihe komplexer Bremsmanöver, bis die Sonde dann Ende kommenden Jahres für die geplanten Messungen der Gase in der Marsatmosphäre einsatzbereit ist.

Ruppiger Abstieg

Dem Lander wiederum steht ein reichlich ruppiger Abstieg mit heiklen Bremsmanövern bevor. Dabei ist die Sonde völlig auf sich gestellt: Wegen der langen Laufdauer der Signale vom Mars zur Erde können die Ingenieure nicht eingreifen, weshalb alles automatisch ablaufen muss. Bisher ist es nur den USA geglückt, ein funktionierende Forschungsgerät sicher auf der Marsoberfläche abzusetzen.

Die Europäer dagegen sind im Dezember 2003 mit ihrer Landemission gescheitert: Das in Großbritannien gebaute Landegerät Beagle 2 verschwand spurlos. Immerhin hatte es sich noch von der europäischen Muttersonde Mars Express abgelöst und war dann auf Landekurs gegangen. Doch dann verlor sich seine Spur. Im Januar 2015 beendete dann die US-Raumfahrtbehörde Nasa endlich die Ungewissheit: Der Lander wurde auf der Marsoberfläche fotografiert.

Sechs schreckliche Minuten

Nun hoffen die Esa-Ingenieure, dass es dieses Mal besser läuft. Gleichwohl stehen ihnen „sechs schreckliche Minuten“ bevor, wie es bei der Esa in Darmstadt heißt. So lange dauert es vom Eintritt in die dünne Marsatmosphäre bis zur Landung. Anfangs ist die Sonde noch 21 000 Kilometer pro Stunde schnell. Dann bremst zunächst ein Fallschirm den schnellen Flug, anschließend wird der Schutzschild abgesprengt und schließlich die eigentliche Landeeinheit abgelöst, worauf beim finalen Anflug in einer Höhe von etwa 1100 Metern die Bremsraketen zünden. Danach soll der 600 Kilogramm schwere Lander weich auf der Marsoberfläche aufsetzen.

Damit ist die wichtigste Mission von Schiaparelli bereits erfüllt – nämlich zu zeigen, dass die Europäer diese technische Herausforderung beherrschen. Wissenschaftlich interessante Messdaten soll der Lander nur wenige Tage zur Erde funken, dann ist seine Batterie erschöpft. Immerhin ist auch eine kleine Kamera an Bord, die wichtige Schritte im finalen Landeanflug dokumentieren soll – mit 15 Schwarz-Weiß-Bildern. Sie nimmt ihre Arbeit auf, sobald das Hitzeschild in etwa drei Kilometer Höhe abgesprengt worden ist. In einer Höhe von 1,5 Kilometer ist dann die Bilderserie zu Ende – was immerhin einen guten Überblick über den Landeplatz erlaubt.

Technisches und politisches Signal

Von weit größerer Bedeutung ist dagegen das technische und politische Signal: Gelingt die Landung, dürfte damit der Weg frei sein für die weitere Mission von Exomars: Im Jahr 2020 soll dann ein kleines Fahrzeug auf dem Mars landen und auf der Suche nach möglichem Leben so tief in den Marsboden hineinbohren wie noch kein anderes Gerät zuvor. Das wäre eine wissenschaftliche Sensation, auf die nicht nur die Europäer, sondern auch die Russen hoffen.

Denn Exomars ist ein gemeinsame Mission der beiden Partner. Ursprünglich wollte die Esa die Suche nach Leben auf dem Mars zusammen mit den USA durchführen. Doch den Amerikanern war das Projekt zu teuer – sie stiegen 2011 aus. Dafür wurde Russland als neuer Partner gewonnen. Angesichts der hohen Kosten war es für die Europäer auch höchst wünschenswert, das Projekt nicht allein durchzuziehen: Derzeit werden die Kosten für den jetzigen ersten Teil sowie für die Folgemission mit der Landung eines Marsrovers mit 1,5 Milliarden Euro veranschlagt. Das allerdings dürfte nicht reichen – unter anderem deshalb, weil der ursprünglich für 2018 geplante zweite Teil auf das Jahr 2020 verschoben werden musste.

Zusammenarbeit in politisch schwierigen Zeiten

Nun gilt das europäisch-russische Projekt der beiden Raumfahrtagenturen Esa und Roskosmos als Beweis dafür, dass auch in politisch schwierigen Zeiten eine Zusammenarbeit von Ost und West möglich ist. So wird die Kooperation denn auch gebührend gelobt: Der Esa-Chef Jan Wöner sieht das Projekt als Beginn eines „neuen Zeitalters der Mars-Exploration“ und Igor Komarow von Roskosmos betont, dass „nur durch Zusammenarbeit die besten technischen Lösungen für herausragende wissenschaftliche Ergebnisse“ zustande kämen.

Die USA wie auch China werden solche Kommentare mit Interesse zur Kenntnis nehmen. Wobei die chinesischen Raumfahrtingenieure mit Macht ihre eigenen Pläne im All verfolgen – und das gänzlich ohne Partner: Am Montag sind zwei Raumfahrer – sie heißen in China Taikonauten – zum bisher längsten Weltall-Aufenthalt in der chinesischen Raumfahrt gestartet. Ebenfalls am Mittwoch sollen sie das Raumlabor Tiangong-2 erreichen, das seit September die Erde umkreist. Dort ist dann ein 40 Tage langer Aufenthalt geplant. Geleitet wird die Mission von Jing Haipeng, der seinen 50. Geburtstag nun im All feiert. Sicherlich auch aus Prestigegründen leistet sich China ein eigenes, viele Milliarden Euro teures Raumfahrtprogramm.

Schutz vor Kontamination

Verpflichtung
Die Raumfahrtnationen haben sich 1967 im Weltraumvertrag der Vereinten Nationen verpflichtet, eine gewisse Sorgfalt bei Landungen außerhalb der Erde walten zu lassen. Kein Himmelskörper soll mit irdischen Organismen verunreinigt werden. Darum bemühen sich die Raumfahrtagenturen bis heute.

Schutzmaßnahmen
Für die Landeeinheit Schiaparelli wurde bei der Herstellerfirma Thales Alenia in Turin ein besonders sauberer Reinraum geschaffen. Außerdem wurde ein tragbares Reinraumzelt entworfen, das zum Weltraumbahnhof Baikonur mitgenommen werden konnte. Schiaparelli wurde mehrmals für mehrere Stunden auf bis zu 125 Grad erhitzt. Sowohl Landeeinheit als auch Raketenoberstufe wurden außerdem mit 80-prozentigem Isopropyl-Alkohol gereinigt.

Erfolg
Trotz des hohen Aufwandes gibt es keine absolute Sterilität, wie auch die Raumfahrtagenturen zugeben. Bei Schiaparelli überprüften Astrobiologen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrtzentrums die Reinraumbedingungen. Laut der europäischen Weltraumorganisation wurde die Zahl der Mikroorganismen auf der Oberfläche des Raumfahrzeugs auf 300 000 beschränkt.

Kosten
Wie viel die Schutzmaßnahmen der Exomars-Mission kosten, ist nicht bekannt. Bei der Marsmission Viking 1 im Jahr 1976 lag der Kostenanteil bei zehn Prozent. Viking kostete insgesamt eine Milliarde US-Dollar.

Kritik
Die Astrobiologen Dirk Schulze-Makuch und Alberto Fairen haben 2013 den Aufwand als unverhältnismäßig kritisiert. „Wenn irdische Mikroorganismen auf dem Mars überleben können, dann tun sie es bereits“, schrieben sie im Fachblatt „Geoscience“. Durch Einsparungen an diesem Punkt ließe sich eine zusätzliche Low-Budget-Mission zum Mars finanzieren.