Die Ausstellung „Reform-Art-ion“ im Foyer der Ludwig-Schlaich-Akedemie in Waiblingen zeigt Werke von Künstlern der Kreativen Werkstatt der Diakonie Stetten. Martin Koch ist bei der Vernissage ein gefragter Mann.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Waiblingen - Die Reden sind gehalten. Die Gäste der Vernissage der Kunstausstellung mit dem Titel „Reform-Art-ion“ im Foyer der Ludwig-Schlaich-Akademie in Waiblingen schwärmen aus. Und ganz viele Besucher bleiben an der Skulptur von Martin Koch hängen. Koch ist 52 Jahre alt, und man könnte sagen, der Mann gehört zum Inventar der Kreativen Werkstatt der Diakonie Stetten, in der Menschen mit Behinderung und mit künstlerischem Talent arbeiten.

 

Martin Koch erzählt, dass er immer montags in die Kreativen Werkstatt komme, immer! Ansonsten arbeite er in der Landwirtschaft der Diakonie. Eine Frau möchte wissen, wie lange er an dem imposanten Werk mit dem Titel „Objekt zur Reformation“ geschafft hat. „Schon lange“, sagt Koch – und erzählt dann lieber, wo er die Einzelteile für sein Kunstwerk gefunden hat und was diese bedeuten sollen. Die Totenschädel der Füchse zum Beispiel stünden für Geister. Und die Holzrahmen, die er goldfarben angestrichen hat, stammen von einem alten Schrank – jetzt seien sie Himmelspforten.

Eine Barbiepuppe, darunter ein Scheiterhaufen

Martin Koch weiß auch interessante Details aus dem Leben des Reformators Martin Luther zu berichten, zum Beispiel, dass dieser gerne Schach gespielt habe. Im Zentrum des Kunstwerks steht eine Barbiepuppe, darunter ein Scheiterhaufen und ein Teufelsgesicht. Zur Bedeutung dieser Details sagt Martin Koch indes nichts.

Die Künstler der Kreativen Werkstatt haben sich viele Monate lang mit dem Thema Reformation beschäftigt. Die allermeisten Werke der Ausstellung sind poppig bunt. Von Tristesse keine Spur. Zum Thema Freiheit zum Beispiel hat ein Künstler ein Motorrad gemalt, ein andere hat zig bunte Heißluftballons gezeichnet und dazu das Wort „Cola“ geschrieben.

Die Pfarrerin Nancy Bullard-Werner von der Diakonie Stetten sagt augenzwinkernd, dass Martin Luther wohl kaum ein Motorrad und das Wort Cola „mit seinem Begriff von Freiheit“ zusammengebracht hätte. Sie sei sich aber ziemlich sicher, dass Luther – wenn er diese tolle Ausstellung denn besuchen könnte – seine Meinung über Behinderung und Menschenwürde neu in Form bringen, also reformieren würde. Luther habe zwar viel Gutes bewirkt, zum Beispiel die Bibel übersetzt. Er habe aber auch „Schattenseiten gehabt“. Seine Äußerungen über Menschen mit Behinderung seien „uninformiert und verwerflich“.

„Martin Luther hätte sich bei den Künstlern bedankt“

Die Künstler der Kreativen Werkstatt haben Luther quasi widerlegt. Die Pfarrerin sagt, sie hätten bewiesen, „dass Menschen mit Behinderung vieles können und vieles bringen“. Martin Luther, so die Theologin, hätte sich bei den Künstlern sicherlich bedankt. Zur Reformation gehöre nämlich „die Freiheit jedes Menschen sich Gedanken machen zu dürfen – über die Bibel, den Glauben, über Theologie und Gesellschaft“. Und genau das haben die Künstler der Diakonie Stetten getan.

Martin Koch steht unterdessen immer noch neben seinem Objekt. Eine Besucherin fragt, ob er das Werk denn verkaufen wolle. Na klar, antwortet er sinngemäß. Auf der Preisliste ist hinter jedem Titel eine Zahl zu lesen. Nur hinter Kochs „Objekt zur Reformation“ heißt es: auf Anfrage.

Pionierarbeit der Diakonie Stetten

Ausstellung
Die Ausstellung Reform-Art-tion der Kreativen Werkstatt wird im Foyer der Ludwig-Schlaich-Akademie in Waiblingen in der Devizesstraße 9 noch bis zum 28. November, werktags von 9 Uhr bis 16 Uhr gezeigt.

Kreative Werkstatt
Vor rund 50 Jahren hat die Heilerziehungspflegerin und Kunstpädagogin Anne Dore Spellenberg die Kreative Werkstatt der Diakonie Stetten (damals noch Anstalt Stetten) ins Leben gerufen. Spellenberg ist 1997 gestorben. Die Kreative Werkstatt war und ist für viele andere Behinderteneinrichtungen ein Vorbild. Die behinderten Künstler der Diakonie haben schon in aller Welt ausgestellt, unter anderem in Rio und in St. Petersburg.