Ein junger Afrikaner malt, um den Verlust von seiner Familie und der Heimat zu verarbeiten. Am Mittwoch, 3.  Mai ist die Vernissage in der Brenzkirche im Stuttgarter Norden.

S-Nord - Ein Bild zeigt eine Frau beim Wasserholen, auf einem anderen ziehen Kamele durch die Wüste der aufgehenden Sonne entgegen. Dann gibt es Bilder, die Gitterstäbe zeigen, aber auch solche mit schmucken Häusern wie sie in Stuttgart stehen könnten.

 

Noch hängen nicht alle Bilder: Aber was die Besucher der Ausstellung „ich bin Edrissa“ erwartet, wird bereits deutlich: In seinen bunten, mit kräftigen Wasserfarben gemalten Bildern zeigt der junge Gambier Edrissa Saidy (21) im Foyer der Brenzkirche sein Leben: die von den Eltern beschützte Kindheit in Afrika, seine Trauer nach deren Tod, seine Angst vor Verfolgung, Gefängnis, den langen Weg seiner Flucht nach Deutschland und die Hoffnung auf ein neues Leben in Stuttgart.

Mit Folter und Gefängnis bedroht

Saidys Eltern starben, als er zehn Jahre alt war. Bei seinem Onkel fand er ein neues Zuhause – bis auch der flüchtete, da er als Regimekritiker auf der schwarzen Liste der gambischen Behörden stand. Da war Saidy plötzlich allein. Ihm selbst habe man nach der Flucht des Onkels, erzählt er, mit Folter und Gefängnis gedroht, falls der Onkel nicht zurück kommt. Mit 17, sagt Saidy, habe er sich alt genug gefühlt die Flucht über Senegal, Mali, Burkina Faso, zu Fuß durch die Sahara nach Libyen und von dort übers Mittelmeer nach Italien zu riskieren. „Das Boot war kaputt, ist gekentert. Von rund 120 Menschen ist die Hälfte ertrunken“, sagt er. Er hatte Glück, wurde von der Besatzung eines italienschen Rettungsboots aus dem Meer gezogen.

Seit mehr als zwei Jahren lebt Edrissa Saidy jetzt in Stuttgart und hofft darauf, ein Bleiberecht zu bekommen. Er hat hier nicht nur Deutsch, sondern auch Lesen und Schreiben gelernt. Und er hat an einer Berufsschule für Maler und Lackierer in Feuerbach einen Vorbereitungskurs gemacht. Für ihn eine Initialzündung: „Ich habe gemerkt, wie gern ich mit Farben arbeite“, sagt er und hat innerhalb eines Jahres rund 40 Bilder auf Leinwand und Holzplatten gemalt: groß- und kleinformatige, neben konkreten Motiven, gibt es auch geometrische Muster.

Aufenthaltsstatus ungeklärt

Den Titel der Ausstellung „ich bin Edrissa“ hat sich ein Freund ausgedacht. Das soll für Selbstbewusstsein stehen, dafür, dass er ein Mensch und keine Nummer ist. Edrissa Saidys Aufenthaltsstatus ist ungeklärt. Er ist aber zuversichtlich, bleiben zu können, da nach Gambia nicht abgeschoben werden darf. Den Vertrag für eine Lehre hat der 21-Jährige mittlerweile in der Tasche – natürlich zum Maler. „Ich möchte Meister werden“, sagt er und hat noch einen Trumpf: Bei der Kunstakademie Stuttgart wurde ihm nahegelegt, sich für ein Studium zu bewerben. Vielleicht wird er ja Künstler. Saidy: „Beim Malen vergesse ich, dass mir alles genommen werden kann.“