Erneuter Prozess zu brutalen Kämpfen zwischen Kurden und Türken. Die Angeklagten erhalten Bewährungsstrafen.

Asperg - Im Ludwigsburger Amtsgericht herrscht höchste Sicherheitsstufe. Zahlreiche Polizisten sind im Einsatz, ohne Kontrolle kommt niemand in den Verhandlungssaal – dies scheint notwendig zu sein: Vor den Türen tauchen Mitglieder der verfeindeten Banden Osmania Germania BC und Bahoz, die Nachfolgeorganisation der heute verbotenen Red Legions, auf. Sie beschimpfen und bedrohen sich – doch das ist harmlos gegen das, was den beiden Angeklagten, die in Handschellen in den Saal geführt werden, vorgeworfen wird.

 

Freund des Opfers mit Messer bedroht und als Türöffner benutzt

Die Staatsanwaltschaft listet auf: Um einen Racheakt an einem Osmanen zu vollziehen, waren der 23-Jährige und der 25-Jährige in einer Nacht im Januar gegen 21.45 Uhr mit rund zehn weiteren, teilweise maskierten Bahoz-Sympathisanten in Asperg losgezogen. Mit einem Messer, das sie ihm auf Nierenhöhe hielten, bedrohten sie einen Kumpel ihres Opfers, der ihn besuchen wollte. Sie zwangen ihn zu klingeln.

Die Freundin des Osmanen öffnete die Tür. Als sie sich weigerte, ihren Lebensgefährten zu holen, sprühte ihr einer der Angeklagten Pfefferspray ins Gericht – aus einer Flasche, die so groß wie ein Feuerlöscher war. Jener und zwei weitere junge Männer drangen in die Wohnung ein. Der Osmane verteidigte sich mit einem Glastisch, den er den Eindringlingen entgegenschob. Und flüchtete. Am Hausausgang wollte der zweite Angeklagte ihn festhalten. Der Osmane stürzte auf den Boden. Dort schlug die Gruppe auf ihn ein. Nachbarn riefen die Polizei. Mit zwei Platzwunden am Kopf und Messerstichen wurde das Opfer ins Bietigheimer Krankenhaus eingeliefert. Der Grund für den Racheakt war, dass der Osmane zuvor ein Bahoz-Mitglied geschlagen hatte.

Wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung stehen die Angeklagten nun vor dem Schöffengericht. Zehn Zeugen sollen zum Fall aussagen. Bis auf die zwei Kriminalbeamte können aber alle vorzeitig nach Hause. Denn die Angeklagten gestehen. Die Verteidiger bitten um ein Gespräch mit der Richterin und dem Staatsanwalt. Der Vorschlag der Verteidiger lautet: für den Angeklagten, der das Opfer festgehalten haben soll, aber bereits wegen Landfriedensbruchs vorbestraft ist: ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung. Für den zweiten Angeklagten schlagen sie ein Jahr und vier Monate bis zu einem Jahr und sechs Monate auf Bewährung vor.

Staatsanwalt: Es gehe um Drogen, Waffen und Macht

Strafen unter einem Jahr und sechs Monaten seien nicht angemessen, sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. „Es geht immer um den Konflikt zwischen Kurden und Türken, bei genauem Hinsehen geht es aber um Drogen, Waffen und Macht.“ Es gelte gegen scheinbar rechtsfreie Räume, in denen Selbstjustiz ausgeübt werde, zu wirken. Die Richterin folgt dem Staatsanwalt und setzt die Strafen zur Bewährung aus. Der Angeklagte, der die Freundin des Opfers mit Pfefferspray verletzt hat, muss zusätzlich 1500 Euro an die Migrationshilfe zahlen. Der andere bekommt die Auflage, sich um eine Ausbildungsstelle zu kümmern und muss 120 Arbeitsstunden leisten.

Neben den beiden Angeklagten hatte das Opfer einen weiteren Mann identifiziert. Die Verhandlung dazu folgt am 3. August. Der Osmane ist übrigens wohl kein Unschuldslamm. Drei Monte nach der Attacke gegen ihn soll er mit einer Schreckschusspistole auf ein mit Kurden besetztes Auto geschossen haben. Ihm droht daher ebenfalls ein Gerichtsverfahren.