Vor 50 Jahren erschien das erste Konzeptalbum der Musikgeschichte, „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles. Es sollte alles verändern. Kaum zu glauben, dass sich die Welt heute für manche wieder rückwärts dreht.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

London - Unlängst hat Lukas Traxel, der Bassist des Zürcher Jean-Paul Brodbeck Trios, in Köln gastiert. Es seien, erzählte Traxel später, vergleichsweise viele Studenten im Konzert gewesen. Traxel ist selber noch Student, da merkt man das. Es war ein guter, ja ein sehr guter Abend, und tatsächlich gingen ein paar CDs weg hinterher, das ist schon bemerkenswert. Noch bemerkenswerter allerdings war die Erkenntnis, die den jungen Käufern erst kam, als sie dann das ganze Plastik schon bezahlt hatten: „Wo sollen wir die jetzt eigentlich abspielen?“

 

Traxel, Anfang Zwanzig, hat lieber etwas in der Hand, wenn er die Musik von anderen hört: CDs, noch lieber Schallplatten – und am liebsten Schallplatten, die eine eigene Geschichte haben. Schallplatten klingen ja jedes Mal anders. Sie sind unpraktisch, klar, und wer an den letzten Umzug denkt, kauft erstmal keine mehr. Andererseits: Man ist immer wieder verblüfft, wie viel Mühe sich die Menschen gegeben haben mit der inneren Logik oder der prunkenden Buntheit eines Kunstprodukts – und auf wie vielen Ebenen, allein vom Artwork her, der „Benutzer“ eingeladen wurde, sich geistig an den Kompositionen zu beteiligen.

Die Mutter aller Konzeptalben

Vor fünfzig Jahren jedenfalls, ganz genau am 1. Juni 1967, kommt ein Album in England heraus, das bis heute als Mutter und Vater aller Konzeptalben gilt: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles. Allein der Aufwand beim Aufnehmen stellt eine neue Dimension in der Popmusik dar. Über 700 Stunden verbringen die Beatles in den EMI-Studios an der Abbey Road. Live hatte die Band, die sich in den Konzerten vor lauter Publikumslärm selber nicht mehr hören konnte, aufgegeben. Ihr Spielfeld war jetzt ein Raum vollgestellt mit Bandmaschinen, Instrumenten und sogar einem Sinfonieorchester. In diesem Raum streiften die Beatles mit einem Trick zunächst ihre Identität ab. Es sollten nicht sie sein, die das Album einspielten, sondern ein Wachtmeister Pfefferkorn und seine Musikantengruppe, denen man musikalisch alles zueignen konnte, um in keine Schublade gesteckt zu werden. Nichts fürchteten die Beatles mehr, als eindeutig zu sein. Aber ein wirkliches Konzept für das Album hatten sie nicht.

Insgesamt lag – neben Drogenschwaden, die sich vereinzelt noch sehr verhängnisvoll auswirken sollten – mehr als ein Hauch musikalischer Revolution in der Luft: Bob Dylan hatte 1966 das erste Doppelalbum der Musikgeschichte eingespielt („Blonde on Blonde“) und Brian Wilson hatte, bevor er dem LSD verfiel, mit den Beach Boys „Pet Sounds“ vollendet, ein Album, das Paul McCartney zutiefst beeindruckte, weil es ein Klangabenteuer war: Wilson holte die Welt ins Studio, es wurden in der Popmusik bis dato unerhörte Motive und Techniken verwendet. The Who waren mit „A Quick One“ auf dem Weg zur Rockoper. Jimi Hendrix wartete mit „Are You Experienced?“ auf seinen Einsatz.