Auf ihrer Europatour ist Schwester Lucy auch ans Eduard-Spranger-Gymnasium in Filderstadt gekommen. Aufgrund einer verstörenden Erfahrung gründete sie ihre Organisation Maher und ihre Thesen sind ungewöhnlich.

Filderstadt - Education is the answer to all the problems.“ Schwester Lucy weiß, wovon sie spricht, wenn sie solche klaren Aussagen macht. Dass Bildung die Antwort auf alle Probleme ist, erlebt sie seit 20 Jahren in ihrer interreligiösen Organisation Maher, die in ihrem Heimatland Indien tätig ist.

 

Nach Europa – und an diesem Freitagvormittag speziell ans Eduard-Spranger-Gymnasium (ESG) als Weltethos-Schule – ist die katholische Ordensfrau gekommen, um genau darüber zu berichten. Die Schüler der Jahrgangsstufe 1 hören der 62-Jährigen gebannt zu bei ihren auf Englisch erzählten Geschichten. Wie etwa der Geschichte von den Anfängen. Als eine schwangere Frau zu Schwester Lucy kam und um Schutz bat, weil ihr Mann sie umzubringen drohte.

Ein einschneidendes Erlebnis

Da Schwester Lucy Kurien ihr nicht gleich helfen konnte, schickte sie die Frau wieder nach Hause. Doch noch in der Nacht übergoss der Ehemann die Frau mit Benzin und zündete sie an. Sie starb, ebenso ihr ungeborenes Kind. Für Schwester Lucy war dies ein solch einschneidendes Erlebnis, dass sie ihre Organisation Maher gründete – was so viel wie Mutters Heim heißt.

Seitdem sind zahllose Heime entstanden: Heime für hilflose, notleidende Frauen, die Schutz vor ihren Männern suchen. Heime für Kinder, Obdachlose oder gar ein Altenheim nur für Frauen. „Zurzeit haben wir 900 Kinder“, sagt Schwester Lucy. „Ich kann aber nicht genug bekommen“, fügt sie hinzu und lächelt. Einzelschicksal um Einzelschicksal entspinnt sich bei ihren Erzählungen in der Aula. Gerne würde die Ordensschwester noch mehr Menschen helfen, mehr Menschen retten. „Dafür bin ich nach Europa gekommen, um für Unterstützung zu werben.“ Kaum sei ein Haus eröffnet, sei es auch schon voll, erzählt sie.

Die Schüler reagieren verdutzt

Seit Jahren wird Schwester Lucys Organisation unter anderem vom Förderverein für Maher der Liebfrauengemeinde Plattenhardt unterstützt. Die Schüler des ESG fragt die Schwester am Freitagnachmittag forsch: „Wer kommt freiwillig zu uns und hilft?“ Die Jugendlichen reagieren etwas verdutzt. Keiner hebt die Hand. Trotzdem wirbt Lucy weiter: „Es ist eine Herausforderung, aber eine, die sich lohnt.“ Ihren Freiwilligen, die frisch bei Maher anfangen, gibt sie gleich einen besonderen Rat, wie sie weiter erzählt: „Ihr sollt nicht fragen, was ihr tun könnt. Ihr sollt eure Liebe geben.“

Fragen haben allerdings die Schüler des Eduard-Spranger-Gymnasiums an diesem Vormittag: „Warum werden in Indien unverheiratete schwangere Frauen nicht von der Gesellschaft akzeptiert?“ fragt eine Jugendliche. „Die Männer herrschen“, antwortet Schwester Lucy. Das sei eben das System. Entmutigen lässt sie sich aber dadurch nicht: „Wir kämpfen für unsere Rechte und versuchen das System zu ändern“, sagt sie.

Ein anderer Schüler fragt, wie ihre eigene Familie auf ihr Engagement reagiert habe. „Am Anfang waren sie nicht begeistert“, erzählt Schwester Lucy. Doch inzwischen habe Maher 132 Awards erhalten: „Jetzt sind sie stolz auf mich.“

Auch Sister Lucy hat Diskriminierung erfahren

Und auch ein Lehrer meldet sich zu Wort: In den Medien höre man, wenn es um Indien geht, vor allem von Spannungen und Gewalt zwischen den Religionen. „Was sind denn Ihre Erfahrungen?“ Schwester Lucy holt bei diesem Thema ein wenig aus. Auch sie selbst habe – allein durch ihren christlichen Namen – Diskriminierung erfahren: „Man wollte mich sogar umbringen“, erzählt sie. Doch trotz allem habe sie mit Geduld und Liebe reagiert. In ihrer Organisation Maher seien alle Religionen willkommen. Sie sei katholisch, die Präsidentin eine Muslimin. „Alle kommen aus verschiedenen Religionen“, meint sie.

Und: „Wir respektieren, lieben und feiern alle Feste Indiens.“ Das zeige sich auch im Tagesablauf der Maher-Einrichtungen: Morgens und abends wenden sich die Maher-Schützlinge an eine unbestimmte göttliche Instanz. „Kein Jesus, kein Allah, kein Krishna wird erwähnt“, betont die indische Nonne: „We worship the divine.“ – Wir beten das Göttliche an.