Seit dem Amoklauf von Winnenden werden mehr Pistolen und Gewehre freiwillig zurückgegeben. Allerdings sank die Quote zuletzt.  

Stuttgart - Seit dem Amoklauf von Winnenden (Rems-Murr-Kreis) und Wendlingen (Kreis Esslingen) mit 15 Toten im März 2009 sind landesweit rund 120.000 Waffen zurückgegeben und vernichtet worden. "Die Zahl entspricht mehr als zehn Prozent der im Jahr 2009 im Land noch rund 900.000 registrierten Waffen", sagte Stuttgarts Regierungspräsident Johannes Schmalzl in einer Bilanz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, der zu seiner Behörde gehört. Zugleich appelliert Schmalzl, dass sich die Besitzer Gedanken machen sollten, ob sie die Waffen wirklich benötigten und ob nicht eine Abgabe möglich sei. "Jede Waffe weniger bedeutet ein Mehr an Sicherheit für alle", sagte Schmalzl.

 

Der Aufruf zur freiwilligen Rückgabe von Waffen sei immer noch aktuell - auch vor dem Hintergrund der bei Kontrollen immer wieder festgestellten teils massiven Verstöße gegen die Aufbewahrungspflichten bei nicht wenigen Waffenbesitzern. "Auch nach über zwei Jahren bleibt der Amoklauf eine Verpflichtung, der wir uns zu stellen haben, nicht nur wegen der jüngsten Ereignisse von Oslo", sagte Schmalzl.

92 Tonnen landesweit vernichtet

Das Regierungspräsidium Stuttgart hatte im Jahr 2009 durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden-Württemberg (KMBD) rund 92 Tonnen landesweit zurückgegebener Waffen vernichtet. Während es in den zweieinhalb Monaten bis zum Amoklauf lediglich etwa zwei Tonnen waren, wurden beispielsweise allein im Rekordmonat Oktober 2009 rund 19 Tonnen angeliefert und vernichtet. Im gesamten Jahr 2008 waren es dagegen nur rund 18 Tonnen, im Jahr 2007 sogar lediglich elf Tonnen Waffen gewesen. Eine Tonne entspricht in etwa 600 Waffen.

Insgesamt wurden im Jahr 2009 also rund 55.000 Waffen (92 Tonnen) aus dem Verkehr gezogen und entsorgt. Im Jahr 2010 waren es 54.000 Waffen (90 Tonnen), also etwas weniger als 2009. Im Jahr 2011 sind es in der ersten Jahreshälfte 13.000 Waffen (21 Tonnen) abgegeben worden, was, so Schmalzl, auf einen "spürbaren Rückgang" im Vergleich zu den Jahren 2009 und 2010 hindeutet, aber noch immer deutlich über den Quoten der Jahre vor dem Amoklauf liege. "Die Zahl der Waffenbesitzer hat sich merklich reduziert", sagte der Regierungspräsident.

Wegen der hohen Zahl der zu vernichtenden Waffen musste der auf einem ehemaligen Militärgelände im Kreis Böblingen angesiedelte Kampfmittelbeseitigungsdienst sein Verfahren ändern. Die Waffen werden nun ausgeglüht und dadurch unbrauchbar gemacht. Dann werden die Reste zu einem Hochofen gebracht und eingeschmolzen. Das gewonnene Metall wird als Baustahl verwendet. Der Dienst mit rund 30 Beschäftigten wird vor allem eingesetzt, wenn Bombenfunde aus den Weltkriegen entschärft werden müssen. Dafür gibt es jährlich rund 1000 Einsätze.

Was die Landespolitiker zu Waffen und Schützen sagen

Ministerpräsident

Der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann schwärmte in einem „Stern“-Interview vom Schützenfest in seiner Heimatgemeinde Laiz. „So ein Königschießen ist sehr unterhaltsam.“ Als er 1997 selbst Schützenkönig wurde, habe er sich gefreut. Der Regierungschef wandte sich dagegen, den Schützenvereinen nach Amokläufen den Schwarzen Peter zuzuschieben. „Diese Mordtaten und fürchterlichen Ereignisse sagen nichts über den Schießsport aus.“ Schießen als Sport sei ziviler und friedlicher Gebrauch von Waffen. „Es ist eine sehr konzentrierte Art, etwas zu tun. Sie versenken sich. Sie müssen im richtigen Augenblick abdrücken, damit Sie treffen“, sagte er.

Innenminister

Der SPD-Politiker Reinhold Gall pocht auf eine Verschärfung des Waffenrechts. Er sagte, dass auch nach Winnenden Gewalttaten mit legal erworbenen Schusswaffen verübt worden seien. „Dies deutet darauf hin, dass die Verschärfungen des Waffenrechts nach Winnenden nicht ausreichen.“ Deshalb sollte geprüft werden, ob großkalibrige Waffen im Privatbesitz tatsächlich erforderlich seien. Ausgenommen davon seien die Jäger, die für die Ausübung der Jagd auf großkalibrige Waffen angewiesen seien. Und zum anderen müsse sichergestellt werden, dass die Waffenbehörden zeitnah Kenntnis erlangten, wenn ein Sportschütze seine schießsportliche Betätigung endgültig aufgegeben habe. „Betreibt ein Schütze keinen Schießsport mehr, hat er in der Regel kein Bedürfnis mehr zum Waffenbesitz, und es muss die Erlaubnis grundsätzlich widerrufen werden.“ Er wolle bei den Neuregelungen aber den Interessen des Schießsports und der Jagd angemessen Rechnung tragen.