Am Herzensort der Kandidaten: Die Pressehütte in Mutlangen ist für Alexander Relea-Linder (Linke) ein Symbol für die Friedensbewegung. Der Gmünder, der zum ersten Mal für den Bundestag kandidiert, ist seit neun Jahren politisch aktiv.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Schwäbisch Gmünd - Mit Schwung kommt Alexander Relea-Linder an der Pressehütte in Mutlangen an. „Ich muss mich entschuldigen, dass ich erst spät geantwortet habe, aber als kleine Partei haben wir nicht so große Wahlkampfbudgets. Da muss man vieles selbst machen“, sagt der Kandidat der Partei Die Linke im Wahlkreis 269 Backnang/Schwäbisch Gmünd. Also heißt es selbst mit anpacken, was dem 24-Jährigen nicht fremd ist: Bereits seit neun Jahren ist er in seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd politisch aktiv. Die meiste Zeit hat er für die SPD gearbeitet, war sogar Mitglied des Kreisvorstands der Partei im Ostalbkreis. Doch die Politik der SPD entfernte sich zu sehr von seinen Vorstellungen von Sozialdemokratie weg. „Ich war nicht allein, viele sind damals ausgetreten und Mitglied bei den Linken geworden. Der Altersdurchschnitt bei den neuen Mitgliedern liegt bei uns unter 35 Jahren.“

 

Mit Kommunismus nichts im Sinn

Die Linke entwickle sich seiner Meinung nach zusehends zu einer Partei der linken sozialdemokratischen Politik. Das sei, was er machen wolle. „Mit SED und Kommunismus habe ich nichts im Sinn“, betont er, wohl aber mit Inhalten, die ein Linker durchaus unterschreiben kann. So ist er für schärfere Beschränkungen von Waffenexporten. „Es kann nicht sein, dass bei der Situation, die wir im Nahen Osten zurzeit erleben, die Waffenexporte unter Sigmar Gabriel sogar noch gestiegen sind“, sagt Alexander Relea-Linder.

Die Pressehütte habe er er als Herzensort für das Interview gewählt, weil sie für ihn die Friedenspolitik symbolisiere, die für ihn wichtig ist. Hier fanden 1983 die friedlichen Blockaden der Pershing-Mittelstreckenraketen statt, die Friedensbewegung mobilisierte Junge und Alte gleichermaßen, sich gegen die atomare Aufrüstung aufzulehnen. Heute ist die ehemalige Scheune, die von Aktivisten der Friedensbewegung zu einem Zentrum umgebaut wurde, ein Seminarhaus.

Sozialpolitik als Herzensangelegenheit

„Waffenlieferungen in Krisengebiete sind ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. Diese müssen gestoppt werden“, sagt Alexander Relea-Linder, der dabei besonders die rolle der SPD kritisiert. „Gabriel hat mehr Waffenexporte zu verantworten als die CDU und die FDP.

In der Sozialpolitik gelte es, zwei Themen zu beackern: die Renten und die Vermögenssteuer. „Der Ausdruck gefällt mir nicht, weil er missverständlich ist. Superreichensteuer ist richtig.“ Mittlere Vermögen und Monatseinkommen bis 7000 Euro seien davon gar nicht betroffen. „Mit einer Million Euro passiert da nichts, erst ab zwei Millionen wäre die Abgabe fällig.“ Dennoch sei es schwer, den Leuten das zu vermitteln. Und im Gegensatz zu Berechnungen, damit könne der Staat jährlich lediglich rund 80 Millionen Euro einnehmen, sind sich er und seine Partei sicher, dass es viel mehr würde: „Rund 50 Milliarden Euro im Jahr.“

Politisches Versagen bei sozialem Wohnungsbau

Geld, mit dem man eine Sozialpolitik finanzieren könnte, die der immer weiter aufklaffenden Schere zwischen Arm und Reich entgegenwirken könnte. Beim sozialen Wohnungsbau liege einiges im Argen, was unter anderem am Versagen der Politik liege. So kritisiert Relea-Linder unter anderem den Verkauf der LBBW-Immobilen in Stuttgart 2012 an die Investorfirma Patrizia. „Der SPD-Finanzminister Nils Schmid hat damals mit dafür gestimmt, nur weil dieses Unternemen mehr geboten hat. Und die Wohnung drei Jahre später mit Gewinn weiter verkaufte.“

Hoffnung auf ein Mandat über die Landesliste

Auch was die Rente angeht, hat der junge Politiker genaue Vorstellungen. „Für mich stellt das österreichischen Rentenmodell eine Lösung dar, die in Deutschland auch funktionieren könnte. Dazu müssten alle, auch Freischaffende und Selbstständige einzahlen und alle rund 50 Euro mehr im Monat als jetzt, doch hätte man dann – wie in Österreich bereits der Fall – höhere Renten und 1000 Euro im Monat sicher“, rechnet Alexander Relea-Linder, den man wegen seiner praktischen Ansätze durchaus als Realo bezeichnen kann.

Obwohl er in einem traditionell konservativen Wahlkreis für seine Partei antritt, rechnet er sich Chancen aus, in den Bundestag einzuziehen. „Mit dem achten Platz auf der Landesliste kann es mir durchaus gelingen. Ein paar wenige Prozente mehr brauchen wir, dann kann es klappen.“ Prominente Unterstützung ist ihm sicher: am Mittwoch besuchte Sahra Wagenknecht schwäbisch Gmünd.

Als Hospitant zur Talkshow

Während einer Hospitanz in der Bundestagsfraktion hat er die Politikerin persönlich kennengelernt. „Da durfte ich sie zu Maybrit Illners Talkshow begleiten. Hinterher standen wir mit ihr, Edmund Stoiber und Jean Asselborn um einen Tisch und unterhielten uns. Da ging es dann darum, ob es Bayern München in die Champions League schafft“, erzählt er und lacht.

Serie
Vor der Bundestagswahl stellen wir die Kandidaten der laut Umfragen aussichtsreichsten Parteien in den beiden Wahlkreisen Waiblingen und Backnang-Schwäbisch Gmünd für die Bundestagswahl 2017 vor. Die Kandidatinnen und Kandidaten wurden für ihr Porträt gebeten, einen Treffpunkt auszusuchen, der ihnen besonders am Herzen liegt.

Über Alexander Relea-Linder

Persönlich: Alexander Relea-Linder wurde 1993 in Schwäbisch Gmünd geboren und im gotischen Heilig-Kreuz-Münster getauft. Seine Eltern waren 1988 vor dem Ceausescu-Regime geflohen und nach Deutschland gekommen. Mit dem christlichen Glauben verbinde er bis heute einiges. „Daraus resultiert auch meine politische Leidenschaft im Hinblick auf die Sozial- und Friedenspolitik“, sagt er.

Politisch: Seit dem 15. Lebensjahr ist Alexander Relea-Linder politisch aktiv. Zuerst bei den Jusos, wo er bald stellvertretender Ortsverbandsvorsitzender wurde, dann Ortsverbandsvorsitzender und schließlich Mitglied im Kreisvorstand. Im Jahr 2013 verließ er die SPD. Im Juni 2016 wurde er in den Landesvorstand der Partei Die Linke gewählt, in die er mittlerweile eingetreten war und für die er im selben Jahr für den Landtag kandidierte. Sein Wahlkreis war einer von sechs, in der die Linke mehr als fünf Prozent hatte.

Beruflich: Alexander Relea-Linder steht kurz vor dem Abschluss des Studiums der Interdisziplinären Sozialwissenschaften an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen

Fünf Fragen – fünf Tweets

Die Bundestagskandidaten wurden aufgefordert, die Fragen der Redaktion im Stil der Internet-Kurznachrichten-Plattform Twitter zu beantworten. In diesem Dienst sind für eine Nachricht nur maximal 140 Zeichen erlaubt.

1 ) In fünf Jahren kommt der Strom aus meiner Steckdose aus . . .? . . . . aus erneuerbaren Energien. Hoffentlich haben wir bis dahin viele Kohle- & Atomkraftwerke schließen können. PS: Links ist das neue Grün ;)

2) ...ist die Rente sicher, weil...? .... weil wir das österreichische Modell einführen & alle Politiker, Selbstständige, Beamte & Arbeitnehmer endlich in eine Kasse einzahlen!

3) ...ist das Feinstaubproblem...? ...immer noch nicht gelöst, da sich „Kretsche“ von „Zetsche“ & Co. an der Nase herumführen lässt & den ÖNPV Ausbau sträflich vernachlässigt :/

4) ...sind Flüchtlinge im Wahlkreis 269...? .... gut integriert, falls (Aus)-Bildungshürden abgebaut & Kommunen endlich finanziell entlastet werden.

5) Schon heute würde ich an Donald Trump gern Folgendes twittern: Ein Klimawandel-Leugner, Rassist, Aufrüstungsfanatiker, Narzisst mit frauenfeindlicher Macho-Rhetorik hat nichts im Weißen Haus zu suchen.