Die CDU weist den SPD-Vorwurf zurück, statt auf konkrete Konzepte im Wahlkampf nur auf eine inhaltlich vage Kanzlerin zu setzen. Nächsten Montag soll das Regierungsprogramm präsentiert werden, das aber „keine großen Reformen“ enthalten soll.

Berlin - Zwei Dinge stehen sinnbildlich dafür, dass die CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel im Wahlkampf des Jahres 2013 nicht eben ein Ideenfeuerwerk abgebrannt hat. Da war zum einen das riesige Foto ihrer Hände, die die berühmte Raute bildeten, das quer über eine Hauswand nahe des Berliner Hauptbahnhofs hing. Nicht ihr Programm, sondern ihre Person schien zum anderen auch im Mittelpunkt zu stehen, als Merkel im TV-Duell mit ihrem damaligen Herausforderer Peer Steinbrück einen Satz prägte, der ihr als Mandat für die künftige Regierungsarbeit auszureichen schien: „Sie kennen mich.“

 

Ihr neuer SPD-Kontrahent Martin Schulz hat ihr am Wochenende vorgeworfen, vorsätzlich vage zu bleiben, damit eine hitzige inhaltliche Auseinandersetzung die Bürger nicht an die Wahlurne treibt – in der Annahme, dass eine geringe Wahlbeteiligung dem politischen Gegner mehr schade als der Union. Das, so Schulz auf seinem Dortmunder Parteitag, „mag man in Berliner Kreisen vielleicht asymmetrische Demobilisierung nennen – ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie“.

In der Union sind sie ob der Wortwahl empört. „Im Ton völlig vergriffen“ habe sich Schulz, kritisierte CDU-Generalsekretär Peter Tauber nach den Sitzungen seiner Parteigremien am Montag. Als „unwürdig“ bezeichnete das CSU-Chef Horst Seehofer.

CDU verzichtet im Wahlkampf auf eigenes Rentenkonzept

Inhaltlich wird dagegen kaum bestritten, dass es 2009 und 2013 asymmetrische Demobilisierung gab. „Ich habe den Begriff schon einmal gehört“, sagte Tauber, um jedoch hinzuzufügen, dass ein solche Verständnis in seinen aktuellen Überlegungen keinerlei Rolle spiele: „Es wird ein anderer Wahlkampf als der letzte.“ Unter Verweis auf den Haustürwahlkampf der Union, nannte er Schulz’ Vorwurf „hanebüchen“, weil es etwa in Nordrhein-Westfalen gerade der CDU gelungen sei, potenzielle AfD-Wähler oder bisherige Nichtwähler an die Union zu binden: „Wir wollen mobilisieren und die Menschen erreichen – wenn die SPD das auch versucht hätte, wären sie vielleicht in NRW nicht so baden gegangen.“

Tatsächlich wurde im Adenauerhaus schon vor wenigen Monaten häufig diskutiert, dass „die Raute diesmal nicht reicht“. Und auch Merkel selbst, im vergangenen Jahr wegen ihrer Flüchtlingspolitik parteiintern wie in Teilen der Öffentlichkeit heftig unter Beschuss, hatte auf dem Parteitag eine gemeinschaftliche Anstrengung gefordert, weil sie alleine es nicht mehr richten könne: „Ihr müsst mir helfen.“

Für die Interpretation, dass die CDU angesichts der inzwischen wieder gestiegenen Beliebtheitswerte der Kanzlerin erneut versucht sein könnte, unkonkret zu bleiben und nach dem Motto „Merkel wird es schon richten“ zu verfahren, sprechen zwei Punkte: Erstens wird sich im Unionsprogramm, das am 3. Juli präsentiert wird, anders als bei der SPD kein Rentenkonzept finden. Aus Sicht der Christdemokraten gibt es bis 2030 keinen Bedarf zu handeln, weshalb eine Kommission eingesetzt werden soll, die Vorschläge für die Zeit danach unterbreitet. Zweitens passen CDU-Wahlplakate dazu, die schon vor dem Programm vorgestellt wurden. Auf einem steht neben Merkels Konterfei: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Stimmt es also, wenn SPD-Vize Ralf Stegner behauptet, Schulz habe mit seiner Kritik „den wunden Punkt der Union“ getroffen?

Union plant steuerliche Entlastung in Höhe von 15 Milliarden Euro

In der Debatte von Präsidium und Bundesvorstand, die am Sonntag bis in die Nacht und am Montagvormittag lange über das Programm berieten, soll der Vorwurf dem Vernehmen nach keine Rolle gespielt haben. Vielmehr will die Union mit einer steuerlichen Entlastung in Höhe von 15 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer ins Rennen gehen und zusätzlich einen besonderen Fokus auf Familien mit Kindern legen. Wie ein Vorstandsmitglied dieser Zeitung bestätigte, sollen dazu der Kinderfreibetrag und proportional dazu das Kindergeld erhöht werden. Zusätzlich soll die Grunderwerbssteuer wegfallen, wenn eine junge Familie zum ersten Mal eine Wohnung oder ein Haus kauft. Als weitere Erleichterung ist ein sogenanntes „Baukindergeld“ im Gespräch. Daneben werde man, so wurde in Parteikreisen eingeräumt, „zwar keine großen Reformen im Regierungsprogramm finden, was nach zwölf Jahren an der Regierung aber auch seltsam wäre“. Hauptziel ist einem Vorstandsmitglied zufolge „eine Weiterentwicklung der bisherigen Politik und das Abarbeiten existierender Probleme“.

Eine „Außenwirkung“ wollen Merkel und Seehofer nächsten Montag aber schon erzielen. Zu den möglichen Überraschungen könnte gehören, dass sich die Union für gleichgeschlechtliche Ehen öffnet.