Für Friedrich Merz sind alle Ampelparteien mögliche Bündnispartner. Eigentlich ist das selbstverständlich, aber manchen in der Union gefällt das gar nicht.

Da hat Friedrich Merz offenbar einen wunden Punkt getroffen. Anders lässt sich die erstaunlich heftige Debatte nicht erklären, die er mit eigentlich nicht besonders aufregenden Bemerkungen in seinem regelmäßigen Newsletter an Parteimitglieder losgetreten hat.

 

Der CDU-Vorsitzende hatte betont, dass die FDP der Wunschpartner für eine Koalition auf Bundesebene bleibe. Dem fügte er aber eine kleine, aber unfreundliche Spitze gegen die Liberalen hinzu. Mit ihnen ließe sich zwar „eine bürgerliche Koalition am ehesten verwirklichen“, schrieb er, aber es sei doch fraglich, „ob sie als Partei überlebt“. Er hätte auch noch hinzufügen können, dass es, nimmt man die aktuellen Umfragen zum Maßstab, selbst mit Hilfe der FDP nicht zu einem Zweierbündnis reichen würde. Also blieben SPD und Grüne. „Keine besonders verlockende Aussicht“, gibt Merz in seiner Botschaft an die Mitglieder selbst zu. Das sei alles nicht schön, „aber eine regierungsfähige Mehrheit muss es geben“.

„Schwarz-Grün ist kein Modell für die Zukunft“

Danach brach ein Sturm los. Die Konservativen in der Union sind empört darüber, dass der Parteichef die Grünen zu potenziellen Koalitionspartnern erklärt. Angeführt wird der Widerstand von der CSU, die aus allen Rohren schießt. CSU-Generalsekretär Martin Huber nennt die Grünen „hauptverantwortlich für die schlechte Stimmung im Land“. Und er stellt klar: „Schwarz-Grün ist kein Modell für die Zukunft.“ Auch der Landesgruppenchef in Berlin, Alexander Dobrindt, nennt die Grünen „eher Gegner als Partner“. Aber die CSU steht keineswegs allein. Auch der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, kann sich „beim besten Willen keine Zusammenarbeit vorstellen“.

Bei der vehementen Ablehnung der Konservativen spielt eine taktische Überlegung eine Rolle. Nur die klare Frontstellung gegenüber der Ampel und ihrem am stärksten polarisierenden Partner könne der Union Stimmen bringen. Jede Bekundung von Gemeinsamkeiten schrecke dagegen ab. Das erklärt allerdings die Härte nicht, die Merz nun entgegenschlägt. Viele in den Reihen der Konservativen sind über Merz persönlich enttäuscht. Hatte er nicht selbst die Grünen zum „Hauptgegner“ ausgerufen? Übrigens ausgerechnet nachdem im thüringischen Sonneberg im vergangenen Juni zum ersten Mal ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt worden war.

Merz hat seit Jahresbeginn seinen Kurs korrigiert

Merz hat allerdings spätestens seit Jahresbeginn seinen Kurs erheblich korrigiert. Als die Umfragewerte für die Rechtspopulisten immer weiter in die Höhe schnellten, gab er intern einen neuen Kurs gegenüber der AfD aus. Die Losung lautet nun „Attacke“. Die Rechtsaußen sollen inhaltlich gestellt werden, die verheerenden Auswirkungen ihrer Ideen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland deutlicher betont werden. Und seit die schweigende demokratische Mehrheit deutschlandweit in zahllosen Demonstrationen klar macht, wie gefestigt die Demokratie in allen politischen Lagern verteidigt wird, passt die harsche Frontstellung gegenüber den Grünen auch nicht mehr recht ins Bild.

Allerdings gibt es auch ganz erhebliche Rückendeckung für Merz. Der Europaabgeordnete Dennis Radtke fragt seine Partei schlicht: „Sollen wir uns an eine ausgelaugte SPD ketten oder auf FDP und Freie Wähler hoffen?“ Der sächsische Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz weist darauf hin, dass es ja längst Bündnisse mit den Grünen gibt. „Selbstverständlich sind wir auch auf Bundesebene koalitionsfähig“, sagt er. „Union und Grüne sind seit Jahren die Parteien, denen die Menschen die Gestaltung der guten Zukunft am ehesten zutrauen.“

Parteivize Andreas Jung will keine Türen zuschlagen

Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende Andreas Jung ist ganz bei Merz. Er nennt im Gespräch mit unserer Zeitung Schwarz-Grün „weder Modell noch Tabu, sondern eine Option unter mehreren.“ Die Union renne „keine Türen ein, wir schlagen aber auch keine Türen zu.“ Auch erfahrene eher konservative Machtpraktiker wie der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Thorsten Frei, mahnen zu weniger Aufregung. Koalitionen seien „keine Liebesheirat, sondern Zweckbündnisse“. Allerdings versagt er sich auch nicht einen klaren Hinweis: „Da die Grünen sich inzwischen meilenweit vom Mehrheitswillen der Bürger entfernt haben, fehlt mir etwas die Fantasie, wie wir mit denen zurzeit auf eine gemeinsame Linie kommen sollten.“