Sandro Wagner, Lars Stindl und Timo Werner haben ihre Chance bei der Mini-WM in Russland bisher genutzt. Damit setzen sie Mario Gomez, Mario Götze und André Schürrle unter Druck.

Stuttgart - Was macht eigentlich Sandro Wagner (29)? Nach seinen drei Toren im WM-Qualifikationsspiel am 10. Juni gegen San Marino und seiner ansprechenden Leistung in der Auftaktpartie beim Confed-Cup gegen Australien war der Hoffenheimer in aller Munde. Seitdem sitzt er auf der Bank.

 

Was macht eigentlich Lars Stindl (28)? Nach seinen Toren gegen Australien und danach gegen Chile schwärmten die Experten von dem Gladbacher. Am Sonntag gegen Kamerun war er draußen.

Was macht eigentlich Timo Werner (21)? Er durfte statt Wagner und Stindl am Sonntag gegen Kamerun ran und erzielte zwei Tore. Damit hat der Leipziger einige Pluspunkte gesammelt. Am Donnerstag trifft die Nationalmannschaft im Halbfinale auf Mexiko. Und jetzt? Fast folgerichtig wäre es angesichts der Wechselspiele, wenn dann wieder Wagner aufläuft.

Der Bundestrainer setzt seinen Plan um

Was macht eigentlich Joachim Löw (57)? In diesem Fall ist die Antwort klar: Der Bundestrainer setzt konsequent das um, was er vor der Mini-WM in Russland angekündigt hat und nutzt das Turnier, um innerhalb seines Experimentierkaders auch noch mal kräftig zu experimentieren – im Hinblick auf die WM 2018 speziell im Angriff. Da testet Löw in diesen Tagen drei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, wobei er für jede Option zwei Kandidaten im Auge hat: einer präsentiert sich gerade beim Confed-Cup und der andere schaut derweil daheim im Fernsehen zu.

Die erste Variante ist jene mit einem klassischen Mittelstürmer wie ihn Wagner verkörpert. Damit ist er der Konkurrent von Mario Gomez (31), den Löw ursprünglich auch nach Russland mitnehmen wollte. Aber weil der Wolfsburger mit seinem Team in der Relegation gegen Eintracht Braunschweig um den Klassenverbleib in der Bundesliga kämpfen musste, wäre das zu viel Stress für Gomez gewesen. So musste er mitansehen, wie Wagner seine Chance nutzte – freilich nur gegen Gegner, die international höchstens drittklassig sind. Deshalb steht Gomez in der Hierarchie vermutlich weiter vor Wagner, wenn sich Löw für diese taktische Ausrichtung im Angriffsspiel entscheidet. Das dürfte vor allem in Partien gegen defensiv eingestellte Mannschaften so sein oder wenn es darum geht, einen Rückstand aufzuholen. Allerdings hat Gomez bei der EM 2016 gezeigt, dass er auch gegen spielstarke Teams wie Italien durchaus Akzente setzen kann. Gegen solche Kaliber ist Wagner den Nachweis seiner Klasse noch schuldig geblieben.

Die zweite Stilform ist das, was in Fachkreisen als „falsche neun“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um einen zentralen Stürmer, der aber in der Regel gar nicht zentral operiert, sondern auf die Flügel ausweicht oder sich ins Mittelfeld zurückfallen lässt. Das ist die Rolle, die im aktuellen Aufgebot von Stindl besetzt wird und die weiter auch maßgeschneidert für Mario Götze (25) ist. Er markierte im WM-Finale 2014 das goldene Tor zum Sieg gegen Argentinien, doch seitdem stagniert seine Entwicklung – vorsichtig ausgedrückt. Zuerst war er nach seinem Wechsel von Borussia Dortmund zum FC Bayern München meist nur Ersatz – und nach seiner Rückkkehr zu Borussia Dortmund ist er ständig krank oder verletzt. In der neuen Saison will er aber wieder angreifen und den Boden gut machen, den er gegen Stindl verloren hat. Die „falsche neun“ dürfte vor allem gegen Mannschaften zum Einsatz kommen, die aggressiv und flexibel verteidigen.

Die Trümpfe von Timo Werner

Der dritte Plan von Löw beruht auf einem extrem schnellen und dazu wendigen Stoßstürmer à la Timo Werner, der gegen Kamerun überzeugte. „Er hat seine Gefährlichkeit und seinen Torinstinkt bewiesen“, sagte Löw. Das sind die Trümpfe von Werner, um sich im Duell mit dem ähnlich veranlagten André Schürrle (26) durchzusetzen. Er hatte im WM-Finale von 2014 den Treffer von Götze vorbereitet, aber seitdem läuft es auch bei ihm alles andere als wunschgemäß. Nach seinem Wechsel vor einem Jahr von Wolfsburg nach Dortmund war er öfter verletzt als gesund. Werner lauert auf seine Gelegenheit. Dabei dürfte Löw das Modell mit dem schnellen Stürmer vor allem dann favorisieren, wenn das Team mit einer Führung im Rücken auf Konterfußball setzen kann – oder wenn die gegnerischen Abwehrspieler eher langsam im Antritt sind.

Noch können Wagner, Stindl und Werner beim Confed-Cup zweimal auf sich aufmerksam machen: im Halbfinale und im Finale beziehungsweise im Spiel um den dritten Platz. Dann kehren Gomez, Götze und Schürrle zurück, aber noch dauert es ein ganzes Jahr bis zur WM. Löw wird in dieser Zeit weiter experimentieren. Darin hat er jetzt ja jede Menge Übung.