Bei der traditionellen Felderrundfahrt in Stuttgart-Weilimdorf haben die Landwirte und Obstbauern im Stadtbezirk über die massiven Auswirkungen des extremen Wetters berichtet.

Weilimdorf - Eine Landwirtschaft zu betreiben, das ist kein Zuckerschlecken für die vier verbliebenen Bauern von Weilimdorf. Schon die Zickzack-Fahrt in Feld und Flur, über Kreis-, Land- und Umgehungsstraßen sowie durchs Industriegebiet ist nicht der pure Spaß. Auch der Mergelboden hat längst nicht die natürliche Fruchtbarkeit wie etwa die meterdicken Lößschichten im Stuttgarter Norden oder auf der Filderebene. Auch die immer noch von der Realteilung geprägte Kleinteiligkeit der Ackerflächen erfordert erhöhten Aufwand. Das aber sind immerhin fixe Faktoren, auf die sich ein Landwirt einstellen kann. Ganz im Gegensatz zum Wetter, das nicht mehr nur Kapriolen schlägt, sondern im Zeichen des Klimawandels mit Extremen aufwartet: Mit einer bis dato unbekannten Trockenzeit und mit Temperatursprüngen von bis zu 40 Grad mitten in der Vegetationszeit!

 

Dabei hatte das Frühjahr gut begonnen. Wenigstens an der Oberfläche, wo die geringe Feuchte ausreichte, um die frühe Aussaat sprießen zu lassen, wie Konrad Ritz, der Ortsobmann der Weilimdorfer Bauern, beim Obsthof Hörnle berichtete, dem Startpunkt der auf drei Anhänger verteilten Karawane. Dann aber kam Mitte April ein kapitaler Spätfrost mit fast zehn Minusgraden: „Das Getreide hat das vertragen, aber die unter Folie vorgekeimten Frühkartoffeln sind abgefroren“, sagte Ritz. Katastrophal waren die Auswirkungen auch im Obstbau: „Uns hat das in massive Schockstarre versetzt“, bekannte Christian Hörnle, „beim Steinobst, bei Kirschen und Pflaumen ist der eigentlich sehr gute Blütenbestand komplett kaputt gegangen. Beim Kernobst, bei Äpfeln und Birnen sind maximal zehn Prozent durchgekommen“.

Folgen des Frostes sind offensichtlich

Zu besichtigen waren die Frostfolgen, als es Richtung Fasanengarten ging: einzelne Äpfelchen, die ein oder andere Dolde mit Birnen. Im Ganzen aber ein gespenstischer Anblick. Kein Obst soweit das Auge reichte! Mit einem „blauen Auge davon gekommen“ sei der Obsthof bei den Erdbeeren, dank später blühenden Sorten. Und aktuell kann man auch Himbeeren pflücken. Hörnles Resümee: „So schlimm war es noch nie.“ Das gilt auch beim Getreide, wenngleich aus einem anderen Grund: „Wir hatten hier den trockensten Winter seit der Aufzeichnung des Wetters“, stellte Ritz fest. Der Boden war und ist auch aktuell noch ohne Wasserreserve. Verheerend war die Hitze im Mai, mit teils über 36 Grad Celsius: „Wir hatten einen wunderbaren Weizen. Dann konnte man sehen, wie er sich innerhalb von vier Tagen verabschiedet hat“, erzählte Ritz. Die Folge: Frühreife mit einem „kümmerlichen Korn“.

An einem Feld mit Dinkel berichtete Ritz, wie die Hoffnung, mit dieser zuletzt stark nachgefragten Getreidesorte ein vernünftiges Einkommen zu erzielen, dahinschmilzt: „Der Preis ist jetzt fast so niedrig wie beim Weizen. Immerhin verträgt Dinkel die Hitze besser.“ Das Gegenteil ist allerdings bei der Kartoffel der Fall. Sie droht gar, hierzulande als Kulturpflanze ganz auszufallen, wie Thomas Ludmann an einem seiner Kartoffeläcker erläuterte: „Mit dem wenigen Wasser kommen auch die neuen Sorten nicht mehr klar.“ Entsprechend schwach seien die Knollenansätze: „Und jetzt fangen die Leute auch noch mit dem Klauen an!“ Gruppenweise habe er schon Leute erwischt – und erstmals sogar Diebstahl direkt nach dem Stecken festgestellt: „Saatkartoffeln wurden ausgegraben und wahrscheinlich zuhause im Garten wieder gesteckt“, stellte Ludmann mit ohnmächtiger Wut fest: „Es artet aus!“

Behandlung gegen Pilzbefall nötig

Mit den Wetterextremen relativ gut zurecht kommen einzig Mais und Zuckerrüben. Bei letzteren ist jetzt aber Behandlung gegen Pilzbefall nötig: „Sonst sind bald alle Blätter braun“, betonte Ritz. Ungemach droht den Landwirten auch von neuen Regeln fürs Düngen mit Gülle. Martin Walter, beim Landratsamt für die Landwirtschaft zuständig, sagte: „Das wird in den Details eine heiße Sache. Und es wird sauteuer für die Bauern.“