Nicht jeder Sportler kann ein Profi werden. Doch auch Breitensportler sind ambitioniert und wollen etwas für ihre Fitness tun. In unserer Serie geben prominente Sportler Tipps für Hobbyathleten. Im vierten Teil geht es um Volleyball.

Stuttgart - Im Kampf um die Gunst von Zuschauern und Sponsoren neigen alle Mannschaftssportarten dazu, in Superlativen zu schwelgen. Nirgendwo gibt es höhere Umsätze, TV-Quoten und Mitgliederzahlen als im Fußball, keiner kämpft mit härteren Bandagen als Eishockeyspieler, Handballer halten sich für die Schnellsten, Basketballer für die Größten. Und Volleyballer? Sind auch nicht gerade unbescheiden. „Mehr Mannschaftssport als bei uns“, sagt Kim Renkema, Sportchefin des Bundesligisten Allianz MTV Stuttgart, „geht nicht.“ In den Spielen. Aber vor allem auch im Training.

 

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Klar kann in einer Disziplin, in der es auch auf Sprungkraft, Schlaghärte, Explosivität, Beweglichkeit und Koordination ankommt, jeder Athlet individuell an seinen körperlichen Fähigkeiten arbeiten – egal ob er Anfänger oder Profi ist. Doch sobald der Ball ins Spiel kommt, geht (fast) nichts mehr ohne Teamkollegen. „Der Aufschlag ist die einzige Aktion, für die ein Akteur alleine verantwortlich ist“, sagt Kim Renkema, „ansonsten bin ich immer abhängig von anderen – egal ob bei Annahme, Zuspiel, Angriffsschlag, Block oder Abwehr. Volleyball ist Teamsport pur.“ Und deshalb auch die Leidenschaft von Hans Peter Müller-Angstenberger. Aber nicht nur deshalb.

„Im Volleyball kann ein Einzelner gar nichts erreichen.“

Den Trainer des Bundesligisten TV Rottenburg fasziniert auch die mentale Komponente. Die Konzentrationsfähigkeit, das Vermögen zu antizipieren, die taktische Flexibilität und die Präzision, die nötig sind, um den Ball so zu platzieren, dass er in einem nur neun mal neun Meter und mit sechs Gegenspielern besetzten Raum den Boden berührt. „Um einen Angriff zu veredeln, kommt es auf jeden Zentimeter und herausragende kognitive Fähigkeiten an“, sagt er, „und ist dies einmal gelungen, kommt sofort der nächste Ball ins Spiel. Die mentale Anforderung und Anspannung ist so hoch, dass ich Volleyballer für die intelligentesten Mannschaftssportler halte.“ Zumal sie nicht die Chance haben, ihre Gegner mit taktischen Fouls zu stoppen und mal in einem harten Zweikampf oder langen Sprint Dampf abzulassen.

Entsprechend fordert Müller-Angstenberger seine Akteure im Training. Er stellt sie ständig vor neue Aufgaben, indem er bei Spielhandlungen die Regeln ändert – mal gibt es Bonusbälle, mal sind nur zwei Ballkontakte erlaubt, mal wird das Trefferfeld verkleinert. Und gleichzeitig macht er seinen Spielern klar, wie wichtig individuelle Stärke in ihrem Teamsport ist. „Wenn jeder an seiner Physis so konsequent arbeitet wie ein Leichtathlet, Schwimmer oder Turner, erhöht das die Qualität des gesamten Teams“, sagt Müller-Angstenberger, „meine Kernaufgabe als Trainer ist es dann, die Kompetenz der Individuen zu vernetzen.“

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Bleibt noch die Frage, wann sich ein Volleyballer auf eine bestimmte Position (Zuspiel, Außen- und Diagonalangriff, Block, Libero) spezialisieren sollte. Nach Meinung von Müller-Angstenberger so spät wie möglich – erst mit 15, 16 Jahren. Um selbst breit aufgestellt zu sein. Um zu wissen, welche Qualitäten auf der jeweiligen Position gefragt sind. Und um Verständnis für die Mitspieler zu entwickeln. Getreu dem Motto von Kim Renkema: „Im Volleyball kann ein Einzelner gar nichts erreichen.“

Das sagt der Mediziner

Volleyball ist die Mannschaftssport überhaupt. Was spricht dafür und was spricht gegen die Sportart? Das sagt der Sportorthopäde und Sportmediziner Raymond Best: Allgemein „Volleyball ist eine klassische Teamsportart ohne Gegnerkontakt. Volleyball fordert das Kollektiv und das taktische Denken.“

Herz-Kreislauf

„Nicht zu vernachlässigen, wenn auch nicht so wichtig wie in anderen Sportarten mit höherem Laufanteil, ist das Ausdauertraining. Das Krafttraining im Arm- und Schulterbereich ist von hoher Bedeutung, da schnell fliegende Bälle gebremst und zurückgeschlagen werden müssen. Schnelle Antritts- und Sprintübungen sind wichtig, genauso das Training der Sprungmuskulatur.“

Psyche

„Während andere Sportarten eher auf Zweikampfstärke und individuelle Durchsetzungskraft setzen, liegen die Akzente beim Volleyball bei der Teamfähigkeit. Die volleyballspezifischen Spielformen haben einen hohen Stellenwert für die Ausgestaltung sozial erstrebenswerter Eigenschaften in der Entwicklung der individuellen Persönlichkeit.“

Vorsicht

„Typische Verletzungen sind das ‚jumper’s knee‘ und die ‚Volleyball-Schulter‘. Auch das Umknick-Risiko ist hoch. Die Muskeln müssen auf die Belastung vorbereitet werden. Grundsätzlich ist vor Beginn einer neuen Sportart ein sportmedizinischer Check-up sinnvoll. Bei fieberhaften Infekten sollte der Körper dringend geschont werden.“