Viele Pendler fragten sich am Dienstag, warum ausgerechnet zwischen 17 und 19 Uhr der Kampfmittelbeseitigungsdienst ans Werk gehen musste, um eine Bombe am Bahndamm zu entschärfen. Die Experten wissen, warum.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Mitten im Feierabendverkehr ist am Dienstag die Bahnstrecke zwischen Hauptbahnhof und Nordbahnhof gesperrt gewesen. Der Grund war eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Jahrzehntelang hatte der Blindgänger dort gelegen. Viele Pendler fragten sich am Dienstag, warum ausgerechnet zwischen 17 und 19 Uhr der Kampfmittelbeseitigungsdienst ans Werk gehen musste.

 

„Ja, wir müssen gleich sperren“, sagt der Polizeisprecher Thomas Geiger. Das sei die normale Vorgehensweise, wenn eine Bombe bei Bauarbeiten freigelegt werde. Das Argument, die Bombe habe seit dem Abwurf vor mehr als 70 Jahren im Boden gelegen und es sei nichts geschehen, sei in diesem Fall nicht richtig: „Sie lag ja nicht mehr im Boden. Der Bagger hatte den Blindgänger schon ausgegraben.“

Ist die Bombe freigelegt, läuft die Zeit

Weder Bauarbeiter noch Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr sehen dem Metallteil an, was da aus dem Untergrund zu Tage gekommen ist. „Wir müssen immer erst den Fund freilegen und können dann sagen, was zu tun ist“, sagt Ralf Vendel, Feuerwerker beim Kampfmittelbeseitigungsdienst. Damit könne man unter Umständen warten – etwa wenn ein Krankenhaus in der Nähe evakuiert werden müsse. Auch wenn eine Bombe mitten im Wald liege und nicht an die Oberfläche gebracht worden sei, könne man den Zeitpunkt der Entschärfung verschieben. „Aber wenn sie einmal freigelegt ist, dann läuft die Zeit“, fügt Vendel hinzu. Denn wenn die Bombe nach Jahrzehnten im Boden in Kontakt mit Luft und Sauerstoff kommt, könnten sich Ausblühungen des brandgefährlichen Inhalts bilden. „Das sind reibungsempfindliche Kristalle“, erläutert der Experte. Den möglichen gefährlichen Effekt könne man sich etwa wie bei einem Streichholz vorstellen, das sich bei Reibung entzünde.

Grundsätzlich müsse der Kampfmittelbeseitigungsdienst die Funde freilegen. „Wir können von der Oberfläche aus nur feststellen, dass irgendwo ein metallischer Gegenstand liegt.“ Fehlalarme kann es auch geben – so geschehen im Frühjahr 2012 im Stuttgarter Schlossgarten, als nach einer groß angelegten Räumung lediglich ein Metallrohr zum Vorschein kam.

Der Absperradius kann variieren

Den Absperrradius legt der Kampfmittelbeseitigungsdienst fest, den er je nach den örtlichen Begebenheiten bestimmt. „Wir konnten am Dienstagabend einen relativ kleinen Radius festlegen“, sagt Christoph Rottner, der Feuerwerker, der die Bombe an der Rosensteinstraße unschädlich machte. Sie lag auf dem S-21-Baustellengelände hinter einem Erdwall, der im Falle einer Detonation Schutz geboten hätte. Auf der anderen Seite stehe ein hohes Gebäude, das ebenfalls Splitter abgefangen hätte. „Auf freier Fläche wäre der Radius eher 500 Meter groß gewesen.“ Die Bahn entscheide mit über den Zeitpunkt der Entschärfung und damit auch der Streckensperrung. „Die Bahn kann sehr schnell reagieren“, erläutert Rottner.

Wenn die Bombe gehoben ist, wird sie auf dem Gelände des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in einen Bunker gebracht, später zersägt und verbrannt – dann ist sie endgültig unschädlich. „Wie voll unsere Bunker derzeit sind, weiß ich nicht. Zwei bis drei Bomben dieser Größe schafft der Vernichtungsdienst pro Tag“, sagt Rottner.

Bauarbeiter werden geschult

Bleibt die Frage, woher ein Baggerfahrer all das abschätzen kann, wenn seine Schaufel im weichen Lehm auf hartes Metall trifft. „Das lernt man in der Ausbildung“, erläutert ein Sprecher der Baufirma Max Bögl, die am Dienstag am Bahndamm arbeitete. Außerdem werde jeder Baggerfahrer jährlich geschult, um diverse Sicherheitsfragen zu thematisieren. Dazu zähle natürlich der Fund alter Fliegerbomben ebenso wie der Sicherheitsabstand zu elektrischen Leitungen oder Gasleitungen.