Drei Männer im Stuttgarter Süden wollen eine Fahrradwerkstatt von und mit Flüchtlingen eröffnen. Alle finden die Idee gut – aber es gibt dafür keinen Platz.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Der Wille ist da, das Rohmaterial, die Kompetenz, das Werkzeug in Teilen und auch ein paar mögliche Sponsoren befinden sich in greifweite. Das einzige, was der wunderbaren sozialen Fahrradwerkstatt fehlt, ist ein Raum: gut 40 Quadratmeter mit Strom, Wasser und Klosett. Die komplette Böblinger Straße, die ja an Leerstand nicht arm ist, haben die Drei vom Freundeskreis abgegrast, haben Klingeln geputzt, Besitzverhältnisse recherchiert, höflich briefliche Anfragen gestellt – und Absagen kassiert, berichtet Reinhard Otter etwas ermattet. Seit Herbst schon plant er gemeinsam mit Thomas Witecka und Manfred Wörner, eine Fahrradreparaturwerkstatt zu eröffnen. Jeder der drei Männer engagiert sich in einem der Freundeskreise im Süden für Flüchtlinge in der Schickardt-, Burgstallstraße beziehungsweise Böblinger Straße. Otter kam immer mit dem Rad zur Unterkunft und erinnert sich, dass ihn öfters Bewohner fragten, ob er ihnen mit ihrem kaputten Rad helfen könne. „Ich bin kein Profi, aber meine Räder kann ich schon selber reparieren.“ Oft hat er die Göppel dann mitgenommen, bei sich zuhause daran herumgeschraubt. Schnell war dem 48-Jährigen Journalisten klar: Hier besteht Bedarf.

 

Räder machen Flüchtlinge mobil

In der Bevölkerung sei die Hilfsbereitschaft nach wie vor groß, sagt Otter. So verschenkten Leute oft Fahrräder, die ungenutzt in Kellern herumstünden. „Zur Verbesserung der Lebenssituation der Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte gehört sicherlich die Möglichkeit, sich frei und selbstbestimmt bewegen zu können. Hierfür ist das Fahrrad sowohl aus ökologischer als auch aus finanzieller Sicht die erste Wahl“, so Otter und Witecka in ihrer Projektbeschreibung.

Neue Fahrräder könnten sich die Flüchtlinge nicht leisten, die Geschenkten seien zwar sehr willkommen aber oft nicht verkehrstüchtig. In den Unterkünften gebe es aber weder Werkzeug noch Platz, um Räder zu reparieren. Oft sammeln sich dann die Schrotträder vor den Unterkünften, was nicht schön ist und Radparkplätze blockiert – etwa in der Böblinger Straße auf Höhe des Süd-Marktes.

Hier soll die soziale Fahrradwerkstatt Abhilfe schaffen. Die Idee ist, dass immer ein Ehrenamtlicher und ein Geflüchteter im Tandem arbeiten, sodass das Projekt zugleich eine integrative Wirkung entfaltet, sagt Otter. „In den Unterkünften gibt es einige technisch begabte Leute.“ Lufte Aliyo beispielsweise. Der junge Mann lebt zwar inzwischen nicht mehr in einer Unterkunft, sondern hat eine Wohnung im Lehenviertel, hilft aber weiterhin, wenn Otter mal wieder ein Rad mit nach Hause bringt, das er reparieren soll. Die beiden sind inzwischen ein eingespieltes Team und freundschaftlich verbandelt.

Die Menschen rücken zusammen

Alle gespendeten Räder sollen zunächst in die Werkstatt kommen, bevor sie auf die Straße dürfen. „Aber der Werkstatt-Service soll für alle da sein, nicht bloß für Flüchtlinge. Wir wollen geordnete Öffnungszeiten, am besten nachmittags und abends, damit die Menschen nach der Arbeit vorbeikommen können“, sagt Otter. Die Leute müssen ihr Rad hier zwar schon selbst reparieren, erhalten aber fachkundige Hilfe und das nötige Werkzeug. Die Idee hinter der offenen Werkstatt heißt: „Zusammenhalt stärken“, erklärt Reinhard Otter. „Im Gegensatz zu Parolen wie ,immer alles nur für Flüchtlinge‘, helfen Flüchtlinge hier im Zweifel ihren Mitbürgern dabei, ihre Fahrräder zu reparieren.“ Die Werkstatt biete außerdem der Nachbarschaft eine Kontaktstelle, den Flüchtlingen die Möglichkeit, arbeitsmarktähnliche Erfahrungen zu sammeln und jedem, die Möglichkeit, sich zu engagieren.

Lauter offene Ohren

Um das „Personal“ jedenfalls macht sich Otter keine Sorgen. Auch habe man bereits mit Firmen und einzelnen Geschäftsleuten im Süden gesprochen, die ihre Unterstützung signalisierten – sei es mit Geld, Werkzeug oder Knowhow. Otter war angenehm überrascht, auf wie viele offene Ohren er gestoßen ist. Allerdings schwebt den Initiatoren vor, dass sich die Werkstatt auf Dauer selber trägt. Und sie soll noch mehr können als reparieren und integrieren: Beispielsweise könnten Unternehmen „niederschwellig Corporate-Social-Responsibility-Projekte anbieten“, schreiben Otter und Witecka. Projekte also, bei denen Unternehmen freiwillig soziale Belange und Umweltinteresse in ihre Geschäftstätigkeit integrieren.

„Alle finden das Projekt gut“, sagt Otter. Aber Platz dafür hat niemand. Wo er auch anfragte, hagelte es – nicht selten freundliche, wohlwollende und glückwünschende Absagen. Auch Gespräche mit der Stadt hätten bislang zu keinem Erfolg geführt. Alles sitze im Startloch und warten auf einen willigen Vermieter, von dem nicht einmal Mildtätigkeit erwartet würde, sagt Initiator Otter: „Natürlich zahlen wir ganz normal Miete.“