Manche Betrachter werden für den Dieselgipfel nur Hohn und Spott übrig haben. Doch vor vorschnellen Reflexen ist zu warnen, es gibt jetzt immerhin einen Plan, kommentiert Roland Pichler.

Berlin - Das soll es schon gewesen sein? Über Wochen hinweg diskutiert die Republik bis zum Rande der Erschöpfung über den Schadstoffausstoß des Diesels und drohende Fahrverbote. Und dann soll ein einfaches Software-Update die Lösung bringen? Manche Betrachter werden für den Dieselgipfel nur Hohn und Spott übrig haben. Doch vor vorschnellen Reflexen ist zu warnen. Bei näherer Betrachtung ist das Ergebnis immerhin ein Anfang. Wenn insgesamt fünf Millionen Dieselautos neu programmiert werden, verringert das den Schadstoffausstoß. Mit diesem Versprechen steht die Autoindustrie im Wort. Nachdem die Industrie beim Lügen und Betrügen erwischt worden ist, ist das Misstrauen zwar groß, doch die Autobosse wissen, dass die Glaubwürdigkeit der Branche auf dem Spiel steht. Die Softwarelösungen können mehr bewirken als Fahrverbote an einzelnen Tagen. Mindestens genauso wichtig ist das gemeinsame Signal von Politik und Industrie, dass sie die Probleme in den Griff bekommen. Diese Botschaft ist angesichts des verfrühten Abgesangs auf den Diesel dringend notwendig.

 

Kein Zweifel: Dass das Image der Autoindustrie derart angekratzt ist, haben sich die Konzerne selbst zuzuschreiben. Der Umgang der Hersteller mit dem Diesel ist ein einziges Fiasko. Dass zwei Jahre nach der Aufdeckung der Abgasmanipulationen bei Volkswagen bei Porsche-Cayenne-Modellen Betrugssoftware entdeckt wird, ist ein neuer Tiefpunkt. Die Verunsicherung hat dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit alles in einen Topf geworfen wird. So entsteht der Eindruck, alle Autobauer hätten illegale Abschalteinrichtungen installiert und nach Belieben getrickst. Das ist falsch. Auf der Anklagebank sitzt bislang allein der Volkswagen-Konzern. Die meisten Dieselautos, die auf deutschen Straßen rollen, sind ordnungsgemäß zugelassen und müssen nicht zurückgerufen werden. Deshalb ist das Angebot der Industrie, Millionen von Fahrzeugen mit Software nachzurüsten, ein konstruktiver Beitrag.

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Software-Updates sind die kostengünstige Variante

Dass die Softwarelösung von manchen belächelt wird, liegt an den völlig überzogenen Erwartungen an den Gipfel. Natürlich geht es den Herstellern beim Software-Update um eine kostengünstige Variante. In der Diskussion kommt aber viel zu kurz, dass der Einbau eines neuen Katalysators die Unternehmen finanziell und technisch vor unabsehbare Herausforderungen stellen würde. Schließlich müssten Millionen von Pkw in kurzer Zeit umgerüstet werden. Dafür liegen keine serienfertigen Lösungen vor. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Umbauten im Motorraum gefordert hat, konnte sich mit ihrer Forderung nicht durchsetzen. Sie hätte sich über das Machbare informieren sollen.

Der Dieselgipfel gibt jetzt zumindest die Richtung vor. Die Diskussionen der vergangenen Wochen haben die 15 Millionen Dieselbesitzer in Deutschland zutiefst verunsichert. Die Bundesregierung hätte das Ergebnis früher haben können. Doch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sich viel zu spät des Themas angenommen. Er versuchte, die ungeliebte Debatte über Fahrverbote auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu vertagen. Die Verunsicherung ist dadurch noch gestiegen.

Die Industrie muss Taten folgen lassen

Ob mit dem Gipfelergebnis Fahrverbote verhindert werden können, ist ungewiss. Die Industrie muss jetzt den Beweis liefern, dass sie die Schadstoffbelastung drosseln kann. Die Voraussetzungen dafür sind da: Die jetzige Generation der Dieselautos mit Euro-6-Norm stößt nur noch wenig Stickoxide aus – in diesem Punkt sind sich die Fachleute einig. Von Herbst an finden die Abgasuntersuchungen bei Typgenehmigungen auch nicht mehr auf dem Prüfstand statt, sondern im realen Straßenbetrieb. Damit steigen die Anforderungen an die Hersteller. Die Nachrüstungen kommen hinzu. Die Probleme beim Diesel sind noch nicht gelöst, aber es tut sich etwas.