Bei der Europameisterschaft stehen die Fußballerinnen wieder im Fokus. Das Beispiel VfL Sindelfingen zeigt indes, dass der Sport im Alltag mit einigen Problemen zu kämpfen hat.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Sindelfingen - Auf der Haupttribüne liegt eine tote Taube, die sich fatal verflogen hat – das Floschenstadion in Sindelfingen hat schon einen maroden Charme. Das Bauwerk wurde 1954 erstellt. Damals hatten Pioniere der US-Armee kräftig mit angepackt beim Bau des Stadions, das noch heute aussieht wie in den 50er Jahren.

 

Ab September kicken dort wieder die Fußballfrauen des VfL Sindelfingen. Die spielten mal in der Bundesliga und waren stolz auf ihre Nationalspielerin Kim Kulig. Heute ist zweite Liga angesagt – und der Rasen ziemlich uneben. Das soll sich ändern, denn das Floschenstadion wird demnächst umgebaut. „Im Herbst wird saniert“, sagt VfL-Geschäftsführer Roland Medinger und befindet sich ganz im Glück.

„Keine Spielerin bekommt bei uns Geld“

An diesem Sonntag beginnt die Fußball-EM der Frauen in den Niederlanden. Im Fernsehen wird die deutsche Nationalmannschaft zu sehen sein, und es wird dann wieder der Eindruck erweckt, dass es mit dem Frauenfußball aufwärts geht. Ein Trugschluss – die Situation beim Sindelfinger Zweitligisten offenbart die Realität: Es sind reine Amateure, die da am Werk sind. „Keine Spielerin bekommt bei uns Geld, auch Fahrtkosten können wir nicht erstatten“, sagt Josef Klaffschenkel, der Abteilungsleiter der Sindelfinger Ladies, die erst kürzlich aus dem Gesamtverein ausgegliedert wurden.

Der Abteilung stand das Wasser bis zum Hals. Der Trikotsponsor und andere Gönner hatten sich zurückgezogen, die Sparte stand vor dem Ende. Die Ausgliederung seit 1. Juli soll nun die Rettung bringen. Tatsächlich am Leben erhielten zunächst die Spielerinnen und ihre Eltern die Abteilung, indem sie sich mühsam auf die Suche nach Spendern machten. Das Klinkenputzen war von Erfolg gekrönt, denn Privatleute und kleine Firmen machten den Geldbeutel auf. „Wir müssen jetzt schauen, dass wir diese Hilfen umwandeln in Sponsorenverträge“, sagt Klaffschenkel, der mit seiner Arbeit noch am Anfang steht und den jetzt eigenständigen Verein im Verein erst einmal aufbauen muss.

Die schwierige Suche nach Mitstreitern

Josef Klaffschenkel sucht Mitarbeiter für die Pressearbeit, für die Internetpräsenz, dazu einen Teammanager, jemanden für die Sponsoren-Akquise und einen Co-Trainer für die U 17. „Wir sind zumindest im Hinblick auf diesen Posten mit einem Elternteil im Gespräch“, sagt der Chef der Ladies und freut sich schon über diesen winzigen Teilerfolg. Die Topnationalspielerinnen des VfL Wolfsburg oder des 1. FFC Frankfurt kommen mit ihrem Gehalt über die Runden, reich werden sie nicht. Bereits im zweiten Drittel der ersten Liga gleitet das Niveau hinab auf Amateurstatus.

Es wäre aber schon wünschenswert, wenn die Sindelfinger Fußballfrauen mal wieder in die Beletage aufsteigen. Da gibt es 280 000 Euro Erstliga-Zuschuss vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). In der zweiten Liga winken dagegen nur überschaubare 16 000 Euro. „Ich würde unseren Spielerinnen gerne etwas bieten können“, sagt Klaffschenkel – allein deshalb träumt er vom Aufstieg.

Die Rückkehr in die erste Liga bleibt wohl ein Traum

Beim Traum wird es aber auch schon bleiben. Topspielerinnen wie Kristin Kögel, Athanasia Moraitou, Spielführerin Anja Selensky und andere haben den Verein verlassen. Beim ersten Ligaspiel am 3. September beim 1. FFC Frankfurt II läuft deshalb auch eine echte Kükentruppe auf. „Aufgrund unserer finanziellen Situation können wir keine großen Sprünge machen, darum rücken junge Spielerinnen nach, die noch ihre Zeit brauchen“, sagt der VfL-Trainer Alexander Schick. Das Team steht vor dem Umbruch. In der zweigleisigen zweiten Liga sollte der sechste Platz geschafft werden, denn der berechtigt zur Teilnahme an der 2018 eingeführten eingleisigen Liga. Alles andere bedeutet den Abstieg – und damit die traurige Versenkung im absoluten Niemandsland.

Schaffen Schick und seine Mädels das kleine Wunder und bleiben zweitklassig, hofft Klaffschenkel auf verbesserte finanzielle Bedingungen. „Hoffentlich beschließt der DFB dann, dass in der eingleisigen zweiten Liga der Betrag dramatisch nach oben geht“, sagt der Abteilungschef. Er würde seinen Spielerinnen, die nach der Uni mit dem privaten Kleinwagen zum Training tuckern, gerne einen Obolus zustecken – für den Besuch an der Tanke.