Beim sogenannten Fußverkehrs-Check erkunden Ausflügler in Backnang mehrere Straßen, Wege und Plätze. Sie machen Verbesserungsvorschläge, die zumindest teilweise möglichst bald umgesetzt werden sollen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Treffpunkt Bushaltestelle „Seminar“ in der Aspacher Straße in Backnang. Rund drei Dutzend Bürger sind auf eine Einladung der Stadt zum sogenannten Fußverkehrs-Check gekommen. Sofort beginnt die Diskussion: Findet ein Ortsunkundiger überhaupt den direkten Weg zur Haltestelle? Nein, sagen machen Teilnehmer. Wer aus dem angrenzenden Wohngebiet kommt, der muss nämlich über das Gelände einer Tankstelle laufen, mitunter zwischen parkenden Autos hindurch.

 

Wer von der anderen Straßenseite her zur Haltestelle läuft, der sollte eigentlich den Fußgängerüberweg nehmen. Dieser ist allerdings ein paar hundert Meter entfernt in Richtung Innenstadt. „Vielleicht sollte der Überweg verlegt werden, zur Haltestelle“, schlägt ein Mann vor.

Phillip Hölderich vom Karlsruher Büro Planersocietät notiert alle Anregungen der Bürger. Das Büro begleitet den Fußverkehrs-Check in der Murrstadt, der vom Land bezahlt wird und die Interessen von Fußgängern in den Blick nehmen soll.

Bürger debattieren über fast jeden Bordstein

Der gut eineinhalb Kilometer lange Spaziergang der Bürger führt über die Lichtensteinstraße und durch den Rötlensweg, vorbei an einer Schule, später über die Schöntaler Straße und zum Aspacher Tor, schließlich durch die Friedrich- und die Gerberstraße, über die Aspacher Straße und in die Grabenstraße. Die Gruppe ist gut zwei Stunden unterwegs, während dessen wird über fast jeden Bordstein debattiert.

Die Fußgänger sind eben Experten in eigener Sache. Sie kennen die Schwachstellen der Fußwege in ihrer Stadt. Sie sollen aufmerksam machen auf Missstände und konstruktive Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Und das tun sie auch alle paar Minuten. Ein Mann sagt, in der Aspacher Straße seien viele Autofahrer zu schnell unterwegs. Er regt an, die Tempo-30-Zone zu erweitern, sowie die Geschwindigkeit der Wagen, die an der Schule vorbeifahren, viel öfter zu kontrollieren.

Ein paar Schritte weiter: schon der nächste Tipp, diesmal kommt er von einer Dame. Die Büsche am Straßenrand seien doch viel zu hoch, ein Autofahrer könne beim Abbiegen unmöglich einen Grundschüler sehen. Sie bittet darum, das Grünzeug regelmäßig zu stutzen.

Unebene und zugeparkte Gehwege

Vielerorts wird bemängelt, dass die Gehwege uneben und mitunter zugeparkt seien, zum Beispiel in der Schöntaler Straße. Drei Rollstuhlfahrer, die auch beim Check dabei sind, können den Gehsteig teilweise gar nicht benutzen, wegen der vielen Schlaglöcher und wegen der Autos, die den Weg zur Hälfte belegen. Das Parken auf dem Gehsteig ist allerdings zulässig. Ein Mann regt an, die Parkplätze komplett auf die Fahrbahn zu verlegen. Dann, sagt er, müssten die Autos zwangsläufig langsamer fahren, weil die Straße deutlich schmaler würde.

Der Baudezernent der Stadt, Stefan Setzer, begleitet den Fußverkehrs-Check. Er erklärt, dieser eine Stadtbezirk, der an diesem Spätnachmittag abgelaufen wird, solle exemplarisch für die komplette Kommune stehen. Viele Vorschläge seien übertragbar auf die Straßen in anderen Backnanger Wohngebieten. Anregungen, die aus der Bürgerschaft kämen, erklärt der Mann aus der Verwaltungsspitze, würden im Gemeinderat ganz bestimmt ernst genommen und zumindest teilweise rasch umgesetzt.

Die Dämmerung setzt ein, die Tour geht allmählich zu Ende. Ein Stopp an der Kreuzung der Friedrich- und der Wilhelmstraße. Hier, so die Kritik der Teilnehmer, komme kaum ein Fußgänger sicher über die Fahrbahn. Hier sollte eine Ampel aufgestellt werden, sagen einige Bürger. An dieser Kreuzung, erklärt Setzer, seien mehrere Änderungen geplant, auch über eine sogenannte Anforderungsampel werde nachgedacht. Das Votum der Bürger, sagt ein Mann, sollte diese Planungen beflügeln.

Zufußgehen ist für viele Menschen erste Wahl

Dritte Runde
Mit den Fußverkehrs-Checks, die seit 2015 stattfinden, will das Land darauf hinweisen, dass das Zufußgehen für viele Menschen das Fortbewegungsmittel erster Wahl ist, etwa für Kinder. In diesem Jahr, bei der dritten Runde, beteiligen sich neun Kommunen – außer Backnang unter anderem Gerlingen. Die Stadt Göppingen beteiligt sich bereits zum zweiten Mal, allerdings auf eigene Kosten.

Ergebnisse
In Gerlingen ist von den Bürgern angeregt worden, Fußwege besser auszuschildern, und Wege für sehbehinderte Menschen zu markieren. In Herrenberg wurde von den Teilnehmern bemängelt, dass an vielen Straßen Autofahrer in jeder Hinsicht Vorrang vor Fußgängern genössen. In Ludwigsburg wurde angeregt, die zentrale Wilhelmstraße für Kraftfahrzeuge zu sperren, was einer Revolution gleich käme.