Die Ausstellung „Diesseits vom Jenseits“ im Garnisonsschützenhaus präsentiert ein versöhnliches Bild vom Tod, vor dem es den Menschen nicht grausen soll. Am Sonntag, 15. Oktober, wird die Schau im Stuttgarter Süden eröffnet.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Tod und Abschied haben auch ihre farbigen Seiten. Davon ist die Kuratorin Maike Sander überzeugt und will ihrem Publikum die Beweise für Trauerrituale vorlegen, die so ganz dem Leben zugewandt, mitunter gar humorvoll sind. Mit der von ihr und mit Hilfe der Architektin Tina Kammer organisierten Ausstellung „Diesseits vom Jenseits“ wird zugleich das Gebäudeensemble Garnisonsschützenhaus für einen längeren Zeitraum öffentlich zugänglich. Der Verein Garnisonsschützenhaus hat mehrere Jahre dafür gekämpft, das Anwesen aus der Zeit der Jahrhundertwende der Allgemeinheit verfügbar zu machen. Immerhin darf er nun bis Ende November den Schuppen für seine Ausstellung nutzen. Die übrigen Gebäude werden sukzessive saniert.

 

Klare Kleiderordnung

Der lang hingestreckte Schuppen ist in neun Boxen unterteilt, die je mit einem Holztor verschlossen werden. Bertram Maurer vom Verein Garnisonsschützenhaus geht davon aus, dass hier die Schießscheiben für die Schießstände gelagert wurden. Denn dort, wo sich heute der Dornhaldenfriedhof erstreckt, zogen sich einst die Bahnen der Schießstände entlang. „Es gab neun Bahnen und neun Boxen – offenbar für jeden Schießstand eine Box für die Schießscheiben, die ja zum Teil sehr groß waren“, sagt Maurer.

Die Kuratorin hat sich die Raumsituation zu Nutze gemacht und ihre Ausstellung in Kapitel eingeteilt, wovon jedes in einer Box einquartiert ist. Den Auftakt der Schau macht ein Abriss über die Geschichte des Ortes selbst. Es folgt eine Box, die sich den Trauerbräuchen jener Ära annimmt, in der das Garnisonsschützenhaus entstand. Maike Sander, die beruflich Trauerprojekte an Schulen leitet, steuert eigene Sammlungsbestände bei. Gezeigt wird etwa ein Katalog für Trauermode, der um 1900 kursierte. „Damals gab es eine abgestufte Kleiderordnung – etwa die Halbtrauer für die junge Dame. Was eine Frau zu tragen hatte, richtete sich nach dem Verwandtschaftsgrad des Verstorbenen oder danach, wie lange jemand schon verstorben war. Verstöße wurden gesellschaftlich geächtet“, erläutert die Expertin.

Gerade um die Wende zum 20. Jahrhundert habe sich eine opulente Trauerkultur entwickelt. Plötzlich wurden die Gräber zur Bestattung mit prunkvollen Bouquets dekoriert. Dass Trauerflor noch heute eine wichtige Rolle spielt, zeigt eine weitere Box, in der Friedhofsgärtner über die Dauer der Ausstellung Blumenschmuck arrangieren. Welche Metamorphosen die Grabmale selbst durchliefen, können die Besucher in dem kleinen Gärtchen vor dem Schuppen verfolgen. Dort haben Friedhofsgärtner und Steinmetze einen kleinen Parcours aus Grabmälern aufgepflanzt.

Um 1900 brach sich auch ein regelrechter Andenkenkult bahn und trieb durchaus skurrile Blüten, berichtet Sander. „Aus dem Haar der Toten wurde allerlei Schmuck gefertigt – Uhrketten, Ringe und Ohrringe wurden aus den Haaren geklöppelt. Und man trug Medaillons mit dem Foto des Verstorbenen.“

Lukullische Freuden zum Abschied

Auch in fernen Ländern kennt man solch morbiden Praktiken, wie eine weitere Box der Ausstellung illustrieren soll. Hier wird einer jener berühmten mexikanischen Altäre mit seinen Totenköpfen aus Zucker errichtet sowie ein Ahnenaltar zum japanischen Obonfest. Außerdem sollen die Besucher einen eigenen Altar mit Andenken bestücken. Überhaupt legt die Ausstellungsmacherin Wert auf das Mitwirken der Besucher. In einer weiteren Box sind sie aufgefordert, eigene Texte an die Wand zu pinnen, ein Aufenthaltsraum lädt ein, sich zu vertiefen und mit anderen ins Gespräch zu kommen.

Maike Sander ist es darum zu tun, den Menschen einen freundlichen Tod näher zu bringen, einen, von dem sie sich nicht in Grausen abwenden, sondern den sie annehmen als einen Teil ihres Daseins, der schmerzt, dem sich die Kulturen aber auch mit Humor, Kreativität oder mit lukullischer Freude zu nähern verstehen.