Auf die Stadt Leinfelden-Echterdingen komme etwas sehr Schlimmes zu. So urteilt ein altgedienter Stadtrat über den S-21-Bauabschnitt, der sich auf dem Gebiet Leinfelden-Echterdingens abspielt.

Leinfelden-Echterdingen - Das von der Bahn in Oberaichen geplante Zwischenlager für Erdaushub löst in dem Ortsteil offenbar großen Unmut aus. „Warum muss eine Erdaufschüttung mitten im Stadtgebiet sein?“, fragte Iris Calov am Dienstagabend in der Echterdinger Zehntscheuer. Die Frau aus Oberaichen nutzte die Bürgerfragestunde der Gemeinderatssitzung, um ihrem Ärger Luft zu machen. Sie äußerte ihre Befürchtung vor mehr Lärm, Behinderungen für den Verkehr durch bis zu 200 tägliche Lastwagenfahrten, stärkere Luftverschmutzung, Schäden an Häusern und Infrastruktur sowie eine Beeinträchtigung der Naherholung. Und verteilte eine Art Positionspapier.

 

Das Ziel: keine größeren Belastungen

Ihre Frage konnte an diesem Abend freilich niemand beantworten. Das Zwischenlager für Erdaushub beschäftigte das Gremium aber auch beim nächsten Punkt der Sitzung: der Stellungnahme der Stadt zum Abschnitt 1.3b im Rahmen der Planfeststellung für das Bahnprojekt Stuttgart 21. Baubürgermeisterin Eva Noller formulierte das klare Ziel der Verwaltung: „Wir wollen dafür sorgen, dass der Abschnitt ohne größere Belastung in Betrieb genommen wird“, betonte sie. „Klein b hat es schlichtweg in sich“, sagte Armin Wirsing. Die Bahn habe nachsitzen müssen, sagte der Stuttgart-21-Anwalt der Stadt und sprach von gravierenden Verbesserungen, die erreicht worden seien. Dazu zählt für ihn auch, dass die Bahn nach einer Gesetzesänderung 2015 mehr für den Lärmschutz tun muss.

Vom Zwischenlager für Erdaushub in Oberaichen sei man überrascht worden. Das bis zu 3,8 Hektar große und für vier Jahre geplante Lager soll den Bauschutt aus der Rohrer Kurve aufnehmen und ist nach Ansicht des Anwalts Armin Wirsing „völlig fehl am Platz“.

Der Schall-Sachverständige Michael Koch bezeichnete die Neuplanung als großen Erfolg. „Diese hat vieles ergeben, was wir gefordert haben.“ Die Bahn mache jedoch nur das, was technisch unbedingt notwendig sei. Und einiges fehlt ihm noch. So sei unter anderem die Bebauung der Schelmenäcker offensichtlich nicht einberechnet, und auch die Entwicklung des Sanierungsgebietes an der Max-Lang-Straße müsste mit einbezogen werden. Besonders kritisch sieht er den geplanten Lärmschutz in Oberaichen. „Der wird der städtebaulichen Situation nicht gerecht“, so sein Urteil. Zudem fordert er eine neue Gesamtlärmbetrachtung, da viel zu niedrige Verkehrszahlen berücksichtigt worden seien.

Der Knackpunkt sei ein anderer

Eigentlicher Knackpunkt ist für ihn jedoch der vierjährige Baubetrieb. „Vieles ist noch nicht festgelegt, einige Dinge sind nicht berücksichtigt.“ Dazu zählen nach seinen Worten die Verlegung der Weichen im Bahnhof Leinfelden sowie die Baustelle mitten in Leinfelden an der Bahnhofstraße. Zudem wären einige Baumaßnahmen nur nachts möglich, sagte er mit Blick auf die Lärmbelastung. Das Zwischenlager für Erdaushub ist seiner Ansicht wahrscheinlich noch schnell reingeschoben worden und nicht gebietsverträglich, weshalb es die Stadt in ihrer Stellungnahme auch ablehnt.

Der Ingenieur Jörg Czogalla erläuterte in einem – mit vielen technischen Details gespickten – Vortrag seine Untersuchungen über die zu erwartenden Erschütterungen. Die Quintessenz der Expertise: „Es gibt Kritikpunkte in Bezug auf die erschütterungstechnische Untersuchung“, so der Sachverständige. Demnach seien die Emissionsdaten der S-Bahn nicht ermittelt worden. Er vermisst außerdem Aussagen zur Erschütterung bei der geplanten Weichenanlage mitten in Leinfelden. Die Erschütterungsprognose der Bahn sei daher anzuzweifeln, weshalb die Stadt eine erschütterungstechnische Untersuchung für die gesamte S-Bahnstrecke sowie ein Erschütterungsmanagement für die Bauphase fordert.

Warnungen vom altgedienten Stadtrat

Die Stadträte lobten durchweg die Stellungnahme der Stadt. „Es hat sich gelohnt, dass wir mit dem ganz großen Besteck rangehen“, sagte der SPD-Fraktionschef Erich Klauser und forderte, dass die Bevölkerung beim Lärmschutz mit einbezogen wird. Der altgediente Stadtrat und Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Hans Huber, sprach von etwas „sehr Schlimmem, was auf die Stadt zukomme“. CDU-Fraktionsvorsitzende Ilona Koch signalisierte die Zustimmung der Christdemokraten. „Man hätte jedoch das eine oder andere noch schärfer formulieren können“, sagte sie. Die Grünen-Fraktionschefin Ingrid Grischtschenko geht davon aus, dass mit der Stellungnahme Druck auf die Bahn ausgeübt wird.

Claudia Moosmann (Freunde der Filderpiraten) regte eine Bestandssicherung bei bestehenden Gebäuden an, und Sabine Onayli (L.E. Bürger) hofft, dass die Menschen in L.-E. um die in Untertürkheim gemachten Erfahrungen herumkommen. Dort hatte die Bahn den vom Lärm betroffenen Menschen angeboten, dass sie die Nächte in Hotels verbringen können.