Der Bau des Dorotheen-Quartiers war höchst umstritten. Vor allem der geplante Abriss des Hotels Silber erzeugte Protest. Jetzt soll die frühere Gestapo-Zentrale ein Gedenkort werden.

Stuttgart - Zehn Jahre nach der Vorstellung der ersten Idee eröffnet das vom Handelshaus Breuninger konzipierte Dorotheen-Quartier am Karlsplatz am 30. Mai im Stillen. Breuninger will damit seine abseits von Königstraße und dem Europaviertel gelegene Adresse langfristig absichern.

 

„Wir wollen Weltstadt sein, dann müssen wir uns auch so verhalten.“ Mit diesen Worten hatte der damalige Breuninger-Chef und Mitinhaber Willem van Agtmael am 4. Mai 2007 in den StN seine Pläne vorgestellt – und damit einen medialen Coup gelandet. Van Agtmael zeigte die „Da Vinci“ betitelten Entwürfe seines Landsmanns Ben van Berkel, der für das ein Jahr zuvor eröffnete Mercedes-Museum hochgelobt worden war. Die Zeichnungen versprachen eine neue Frische und Modernität, in ihrer Massivität hatten sie aber auch etwas Erdrückendes. Der Niederländer hatte 60 000 Quadratmeter Geschossfläche in zwei Gebäude gepresst. Das Ausnutzen der Grundfläche erinnerte stark an die ersten Baublöcke auf dem Stuttgart-21-Gelände hinter dem Hauptbahnhof. Auch die Idee, für eine Tiefgarage unter dem Karlsplatz die dortigen Kastanienreihen weg- und wieder herzusetzen, hatte etwas Weltstädtisches, genauso die Vorstellung, ein Fünfsternehotel zu bauen.

Van Agtmael (69) pflegte beste Verbindungen zu Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Er holte das Land ins Boot. Oettinger wollte das alte Innenministerium und das Hotel Silber, die frühere Gestapo-Zentrale, abreißen und im Neubau 1200 Beamte unterbringen. So sollte auch das Land bei der Investition von 280 Millionen Euro auf der Gewinnerseite stehen.

Kleine Läden sehen sich auf der Verliererseite

Auf der Verliererseite sahen sich die Inhaber kleinerer Läden an der Holzstraße. Die Häuserzeile dort hatte der Breuninger-Chef seinem Projekt zugeschlagen, obwohl er nur Teile davon besaß.

Wenige Tage nach dem Coup gab es die erste offizielle Kritik an Volumen und Gebäudehöhe durch Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD), genauso am als rücksichtslos empfundenen Umgang mit dem Hotel Silber. „Bei uns gilt das Primat des Städtebaus. Wir wollen nicht die Umsetzung eines Konzentrationskonzepts um jeden Preis“, sagte Philipp Hill (CDU). SPD und Grüne schlossen die Reihen, der Rat nannte 2008 rund 45 000 Quadratmeter als Maximum. Der Architektenwettbewerb schrieb 47 000 Quadratmeter aus, das Land und Breuninger pochten auf 51 000 Quadratmeter. Wettbewerbssieger Stefan Behnisch brachte im Dezember 2009 etwa 49 500 unter und kaschierte sie mit abgeschrägten und begrünten Dachlandschaften.

Im Rat gab es viel Unmut und Stimmen zum Erhalt des Hotels Silber, für das OB Wolfgang Schuster (CDU) eine Gedenkstätte vorschlug. Die neue grün-rote Landesregierung sicherte das Haus, dessen geplanter Abriss zuvor als Kulturschande gebrandmarkt worden war, im Mai 2011 in einer Protokollnotiz zum Koalitionsvertrag und verabschiedete sich wenig später als Mit-Bauherr. Die CDU hatte gegenüber SPD-Chef Nils Schmid eingeräumt, dass das Land bei dem Vorhaben 600 000 Euro drauflege, aber Synergieeffekte erziele.

Das Land mietet die meisten Büros

Durch den Erhalt des Hotels Silber musste umgeplant werden, der Gemeinderat nutzte im März 2012 die Chance und legte 36 000 Quadratmeter fest. Van Agtmael startete das Projekt im April unter dem Namen Dorotheen-Quartier neu, brachte letztlich 38 000 Quadratmeter durch, jedoch in drei Baublöcken. Auf ein Hotel hatte der frühere Hoteldirektor schon zuvor verzichtet. Am 30. Juni 2015 feierte van Agtmael die Grundsteinlegung. Das Land wird 20 000 der 28 000 Quadratmeter Bürofläche belegen. „Das jetzt entstandene Quartier ist eine erfolgreiche Weiterentwicklung des damaligen Siegerentwurfs“, sagt Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) heute. „Die Überarbeitung ab 2012 mit drei Blöcken und der Erhalt des Hotels Silber haben dem Projekt gutgetan.“