Was tun in einer Notsituation? Die Grundschüler der Rosensteinschule im Stuttgarter Norden lernen, wie sie sich verhalten müssen, wenn jemand ohnmächtig wird und kein Erwachsener da ist.

S-Nord - Die Schüler kommen ins Klassenzimmer und ihre Lehrerin liegt im auf dem Boden und schläft. Für die 24 Schülerinnen und Schüler der Klasse 2b in der Rosensteinschule ist das eine lustige Vorstellung. Die Kinder lachen, als ihnen Birgit Sturm ihnen diese Szene schildert. Doch bald merken sie, dass das gar nicht lustig ist. Denn Sturm spinnt die Szene weiter. „Stellt euch vor, ihr versucht eure Lehrerin zu wecken, aber sie bewegt sich nicht? Was macht ihr den jetzt?“, fragt sie.

 

Sturm ist Leiterin des Projekts „Sani Sanelli“, mit dem die Björn-Steiger-Stiftung bundesweit Schüler für Notsituationen fit machen will. Dabei hat sie den roten Kobold Sani Sanelli dabei, der die Schüler während des Projektunterrichts beobachtet. Die Rosensteinschule ist die einzige Schule in Stuttgart, die bei dem Projekt mitmacht und sogar einen Kooperationsvertrag über fünf Jahre mit der Stiftung hat. „Nach den fünf Jahren geht es hoffentlich noch weiter“, sagt Ingrid Macher, die Leiterin der Grund- und Werkrealschule im Stuttgarter Norden. Ihre Erfahrung: An der Schule mit Schülern aus 40 verschiedenen Nationen, unter denen viele Flüchtlingskinder sind, kennen manche ihre Adresse nicht. Macher: „Werden sie gefragt, in welcher Stadt sie leben, antworten sie ‚in Deutschland‘“. In häuslichen Notsituationen, wenn zum Beispiel das Kind bei der Oma ist, die plötzlich ohnmächtig wird und der Rettungswagen gerufen werden muss, kann das fatal sein. Außerdem ist es wichtig, dass die Kinder in solchen Fällen die Notrufnummer 112 kennen und sie in der Situation auch parat haben.

An der Rosensteinschule trainieren das derzeit die Klassen 1 bis 4. „Insgesamt machen an dem Projekt 13 Grundschulklassen mit“, sagt Macher. In Klasse 7 absolvieren die Schüler den Kurs „Retten macht Schule“, bei dem sie lernen, in welche Lage Verletzte gebracht werden müssen und wie reanimiert wird. Das Projekt ist Bestandteil der Gesundheitswoche an der Schule.

Zwicken und den Finger unter die Nase halten

In der Klasse 2b stellen sich die Kinder derweil immer noch vor, dass ihre Lehrerin leblos am Boden liegt. Also was tun? „In den Arm zwicken“, ruft ein Mädchen – und liegt damit ganz richtig. Doch in der geschilderten Szene reagiert die Lehrerin nicht auf das Zwicken und auch nicht auf Kitzeln. Deshalb sollen die Schüler jetzt feststellen, ob sie noch lebt. Aber wie? „Ihr könnt ihr den Finger unter die Nase oder die Hand auf den Bauch halten. Spürt ihr am Finger Luft und hebt sich der Bauch, dann lebt sie“, sagt Birgit Sturm. Im nächsten Schritt muss der Rettungsdienst gerufen werden. Die 40-Jährige fordert einen Jungen auf, ganz groß die Notrufnummer 112 an die Tafel zu schreiben. Die anderen sagen die Nummer laut im Chor auf. Und dann kommt das Schwierigste: Auf einer Handyattrappe wählen die Schüler die 112 und müssen dem Rettungsdienst genau sagen, was passiert ist. „Wichtig sind die fünf Ws. Was ist wo wem wann und warum passiert?“ Gar nicht so einfach. Ein Junge versucht es: „Unsere Lehrerin liegt am Boden. In der Rosensteinschule, Nordbahnhofstraße 120.“ Dann zuckt er mit den Schultern. Seine Nebensitzerin spring ein. „Sie lag schon da, als wir in die Klasse gekommen sind,“ sagt sie. Sämtliche Kinder üben, so lange konkrete Angaben zu machen, bis das klappt. Danach heißt es auf den Rettungsdienst zu warten. „In der Zeit geht ihr spielen, oder?“ fragt Sturm. „Nein“ ertönt es im Chor, „wir warten.“

Zum Schluss fragt Sturm, was denn passiert, wenn man die 112 nur so zum Spaß anruft. Die Kinder wissen Bescheid: „Das ist verboten.“ „Dann muss man 20 000 Euro Strafe zahlen.“ „Nein, eine Million Euro“, ruft es durcheinander. Wie hoch der Betrag ist: egal. Hauptsache die Kinder wissen am Ende der Projektstunde, wie sie sich im Notfall Verhalten sollen. „Ich hoffe sie werden dass nie brauchen, aber es ist gut, wenn sie für den Fall der Fälle gerüstet sind“, sagt die Schulleiterin Ingrid Macher.