Im Juni wurde einem Friedhofsgärtner in Stuttgart-Plieningen nachgewiesen, dass er die Grabpflanzen von Mitbewerbern vergiftet. Ein Konkurrent aus Filderstadt kann nicht fassen, dass der dem Beschuldigten nach wie vor auf dem Friedhof begegnet.

Plieningen/Filderstadt - Herablassend und in unverschämter Weise selbstsicher sei dieser Gärtner, wenn er auf dem Plieninger Friedhof Mitbewerber treffe. „Er behandelt uns, als wäre nichts vorgefallen und als wäre er völlig im Recht“, sagt Johannes Alber. Sein Vater, Helmut Alber, betreibt ein Blumengeschäft in Filderstadt. Es gehört zu den Betrieben, die jahrelang große Mühe hatten, ihre Gräber auf dem Plieninger Friedhof zu pflegen. Was gepflanzt wurde, verdorrte oft. Gärtner wie Helmut Alber erkannten, dass jemand mit einer Giftspritze unterwegs sein musste.

 

Die Polizei installierte daraufhin im Frühsommer dieses Jahres eine Kamera auf dem Friedhof. Im Juni wurde auf den Aufzeichnungen eindeutig ein Mann identifiziert, der ein Mittel auf die Gräber spritzte. Es handelt sich um eben jenen Gärtner, der einige Monate später immer noch auf dem Plieninger Friedhof tätig ist und laut Johannes Alber die mutmaßlich von ihm geschädigten Konkurrenten mit seinem Auftreten provoziert. Der beschuldigte Gärtner wundert sich über die Vorwürfe. Sie seien erlogen, sagt er. „Das ist alles nur der reine Neid“, sagt er. Im Gespräch deutet er an, dass die Rechtsanwälte der Parteien an einer außergerichtlichen Einigung arbeiten. „Damit ist die Sache für mich erledigt.“ Er will anonym bleiben.

Die Stadt vergibt die Zulassung an die Gärtner

Die rechtliche Gemengelage ist derweil kompliziert. Gärtner wie Helmut Alber oder auch der von einer Kamera überführte Kollege erhalten ihre Zulassung vom städtischen Garten-, Friedhofs- und Forstamt. Die Stadt wählt Gärtner aus, die als Mitglieder der Württembergischen Friedhofsgärtnergenossenschaft eine Berechtigung zur dauerhaften Pflege eines Grabs haben.

Um Genosse zu werden, muss ein Gärtner wiederum Mitglied im baden-württembergischen Gartenbauverband sein. Johannes Alber, Sohn des Gärtners Helmut Alber aus Filderstadt, kann nicht nachvollziehen, dass ein Mann, dessen Tat mit einer Kamera festgehalten wurde, weiter seinen Geschäften auf dem Plieninger Friedhof nachgehen darf. „Es ist traurig und erschreckend zugleich“, findet er. Gerade für die Angehörigen, an deren Gräbern der Gärtner Gift ausgebracht hat, müsse dies doch unerträglich sein, meint Alber. Doch vorerst wird er wohl damit leben müssen, dass er dem mutmaßlichen Täter weiter auf dem Plieninger Friedhof begegnen wird. Denn sowohl der Gartenbauverband als auch die Württembergische Friedhofsgärtnergenossenschaft und das Garten-, Friedhofs- und Forstamt sind an ein ehernes rechtsstaatliches Prinzip gebunden: die Unschuldsvermutung. Anders ausgedrückt, müssen alle drei Institutionen den mutmaßlichen Grabschänder bis zu einer gerichtlichen Feststellung seiner Schuld so behandeln, als hätte er die Tat nicht begangen.

Das Verfahren ist derzeit noch in der Schwebe

„Erst wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird die Stadtverwaltung tätig“, heißt es in einer Stellungnahme der Verwaltung. Die Staatsanwaltschaft erklärt dazu, dass das Verfahren noch einige Zeit dauern könnte. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, sagt der Sprecher Jan Holzner.

Die Genossenschaft der Friedhofsgärtner und der Gartenbauverband verweisen genau wie die Stadt auf das schwebende Verfahren. Je nachdem, wie das Urteil ausfalle, könnten die Reaktionen von einer Abmahnung bis hin zu einem Ausschluss aus dem Gartenbauverband sein, meint dessen Geschäftsführer Thomas Vohrer. Er drückt sich betont offen aus. Einem rechtsstaatlichen Verfahren vorgreifen wolle er nicht.

Bei einem entsprechenden Urteil sei ein Ausschluss aus Gartenbauverband und Friedhofsgärtnergenossenschaft möglich, meint Elizabeth Anna Wirth von der Württembergischen Friedhofsgärtnergenossenschaft. Damit könnte der Mann in Baden-Württemberg auf keinem Friedhof mehr die Dauergrabpflege anbieten. Aber auch das bedeute nicht, dass der Gärtner überhaupt nicht mehr auf einem Friedhof arbeiten könne, erklärt sie. „Blumenschmuck für Beerdigungen verkaufen kann er zum Beispiel immer noch“, sagt Wirth.