Die nach ihm benannte Drogeriemarktkette war sein Lebenswerk. Bis zuletzt glaubte Anton Schlecker an den Erfolg seiner Firma. Doch reicht das, um einem Urteil wegen vorsätzlichen Bankrotts zu entgehen?

Stuttgart - Vor fünf Jahren gingen bei der „Anton Schlecker eK“ die Lichter aus: Im Juni 2012 beschlossen die Gläubiger des insolventen Drogeriemarkt-Konzerns die Einstellung des Betriebs. Die Firmenpleite hat ein juristisches Nachspiel - seit März sitzen der frühere „Drogeriekönig“ und seine engste Familie auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts. Am Montag war Tag 13 in dem Strafverfahren - damit ist mehr als die Hälfte des auf 25 Verhandlungstage angesetzten Mammut-Prozesses geschafft. Wie ist der Stand der Dinge?

 

Was wird Anton Schlecker und seiner Familie vorgeworfen?

Bankrott und Beihilfe zum Bankrott. Seit 2009 soll Anton Schlecker mehr als 25 Millionen Euro aus dem Konzern gezogen und an seine Familie verschoben haben. Der Konzern hatte die Rechtsform „eK“, also eingetragener Kaufmann. Dies befreite ihn von scharfen Publikationspflichten. Das war für ihn gut, so lange die Geschäfte brummten. Doch ab 2003 ging es bergab, die Zahlen wurden tiefrot. Für die Verbindlichkeiten seiner Firma musste Schlecker mit seinem Privatvermögen geradestehen. Aber tat er das so, wie er es hätte tun müssen? Nein, sagt die Staatsanwaltschaft. Ja, sagt die Verteidigung - es sei alles mit rechten Dingen zugegangen.

Was waren die bisherigen Höhepunkte des Verfahrens?

Anton Schleckers Auftritt zum Prozessauftakt und seine etwa einstündige Aussage am zweiten Verfahrenstag, als er sich mitunter geradezu in Rage redete. Zuvor hatte es kaum Fotos von ihm gegeben, er hatte die Öffentlichkeit jahrzehntelang gemieden. Fast schon kurios war ein Ausflug der Richter, Anwälte und Angeklagten im Mai an das Amtsgericht Ehingen unweit der früheren Schlecker-Zentrale: Ein Schlüsselzeuge hatte ein Attest geschickt, das ihn wegen hohen Alters für reiseunfähig erklärte. Also verlegte der Richter den Verhandlungsort in das 100 Kilometer entfernte Amtsgericht.

Wie lief der Prozess bisher?

Wirtschaftstrafprozesse laufen traditionell schwerfällig, der Sachverhalt ist hoch komplex. Entsprechend zäh waren bisher auch zahlreiche Aussagen, bei denen Zeugen sich widersprechen und große Erinnerungs- oder Wissenslücken offenbarten. So war eine frühere Mitarbeiterin aus der Schlecker-Controllingabteilung kürzlich mit den Fragen schlichtweg überfordert. Ähnlich baffes Erstaunen über Fragen des Richters gab es von Seiten zweier Ex-Chefs einer Logistikfirma aus dem Schlecker-Reich. Interessant sind solche Auftritte dennoch - schließlich verdeutlichen sie, wie zentralistisch geführt der Schlecker-Konzern war: Anton Schlecker bestimmte alles, viele eigentlich hochrangige Mitarbeiter hatten kaum etwas zu sagen.

Wie macht sich Schlecker vor Gericht?

Bis auf seine persönliche, resolut vorgetragene Erwiderung auf die Anklage am zweiten Prozesstag schwieg der 72-Jährige weitgehend. Einzige vernehmliche Wortmeldungen seinerseits: Die Zeugen mögen doch bitte lauter sprechen, er verstehe sie nicht. Der einst illustre Branchenstar ist sichtlich gealtert, regungslos verfolgt er den Prozess. Zugleich wirkt er trotzig, seine Miene ist versteinert.

Was ist sonst noch Wichtiges geschehen?

Die Anklagebank hat sich gelichtet, nur noch Anton Schlecker sowie hinter ihm seine Kinder Meike und Lars sind da. Das Verfahren gegen zwei mitangeklagte Wirtschaftsprüfer, die fragwürdige Teile in der Schlecker-Bilanz nicht moniert hatten, wurde gegen eine Geldauflage von 45 000 Euro eingestellt. Auch Schleckers Frau Christa konnte gegen eine Geldauflage von 60 000 Euro die Anklagebank verlassen.

Wie sind Anton Schleckers Aussichten?

Schwer zu sagen. Manche Aussagen und Informationen könnten die Richter als Belastung, andere als Entlastung werten. So tauchte ein Protokoll einer Schlecker-Besprechung von 2009 auf, in der Anton Schlecker die Situation als „5 vor zwölf“ beschrieben haben soll. Wusste er also damals schon, dass man der Pleite entgegenging - und er als persönlich haftender Kaufmann also kein Geld aus der Firma hätte ziehen dürfen? Nach Darstellung der Verteidigung absolut nicht - Schlecker habe bis zum Schluss an die Rückkehr in die Erfolgsspur geglaubt. Für diesen Standpunkt bekam Schlecker Rückendeckung von einigen Zeugen. Ein früherer Vorstand des Kreditversicherers Euler Hermes berichtete, man habe die Firma noch Mitte 2011 trotz ihrer großen Probleme für relativ solide gehalten.

Wie geht es weiter?

Das Gericht soll erneut auf Wanderschaft gehen - und zwar Mitte September in ein Schweizer Gericht bei Basel. Dort sollen zwei Zeugen vom Warenlieferanten Markant vernommen werden. Warum die beiden Manager nicht nach Deutschland kommen? Sie befürchten, dass sie vor einem Gericht in Deutschland zu Aussagen veranlasst werden könnten, die in der Schweiz wegen Firmengeheimnisses unter Strafe stehen.

Große Überraschungen wird es vermutlich nicht mehr geben - die wichtigsten Zeugen waren bereits da. Interessant könnte die Analyse eines Sachverständigen Ende Juli sein, der sich als objektive Instanz zum Bankrott äußern wird. Auch der Insolvenzverwalter, der 2012 den Schlecker-Konzern als Trümmerhaufen übernahm, tritt noch auf. Im Oktober dürfte das Urteil folgen. Theoretisch ist eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren möglich.