Der AfD-Vizefraktionschef Rainer Podeswa verteidig am ersten Prozesstag das von der Fraktion verhängte Redeverbot. Man habe kein Vertrauen mehr in den Arzt. Doch Heinrich Fiechtner wehrt sich.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Heinrich Fiechtner sieht sich als aufrechter Kämpfer der Demokratie. Bis ins Jahr 1848, zur ersten Sitzung eines gesamtdeutschen Parlaments in der Paulskirche, geht der AfD-Landtagsabgeordnete zurück, wenn er versucht zu erklären, warum er nun in Stuttgart vor dem Verfassungsgerichtshof steht. Seine Kollegen aus der Landtagsfraktion der Alternative für Deutschland wollen die argumentative Latte allerdings nicht so hoch hängen. Für sie ist Heinrich Fiechtner lediglich jemand, der gegen die Räson der Fraktion verstoßen hat und deswegen im Landtag nicht mehr für die Partei sprechen darf.

 

Die Geschichte ist schnell erzählt

Wie der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht zu Beginn der Verhandlung bemerkte, sei die Geschichte im Grunde schnell erklärt. Am Anfang des Streits stand eine Rede von Fiechtner. In einer Landtagsdebatte hat sich der Arzt für die Gesundheitskarte für Flüchtlinge ausgesprochen und damit eine von der Fraktion nicht geteilte Meinung vertreten. Die AfD reagierte prompt. Als disziplinarische Maßnahme rief sie Fiechtner aus dem NSU-Untersuchungsausschuss und dem Innenausschuss ab und erteilte ihm ein Redeverbot.

Im Grundgesetz verankertes Recht

Das aber sieht der Stuttgarter Arzt, der in der Alternative für Deutschland einer der exponierten Vertreter ist, als Angriff auf den im Grundgesetz verankerten Parlamentarismus. Und er findet deutliche Worte für das Vorgehen der AfD. Fiechtner spricht von „Gängelung“, man habe ihm „Daumenschrauben“ angelegt und die Abberufung aus den Ausschüssen sein ein „Unterdrückungsinstrument“. Oder wie der gemaßregelte Abgeordnete formuliert: „Es kann nicht sein, dass man durch die Mitgliedschaft in einer Fraktion in Form einer mafiösen Gemeinschaft zu einem zwanghaften und einförmigen Verhalten geradezu verpflichtet ist.“

Die AfD sieht die Sache ganz anders

Die Vertreter der Fraktion beurteilen das natürlich ganz anders. Vor dem Verfassungsgerichtshof erklärte Rainer Podeswa, Landtagsabgeordneter der AfD, dass Fiechtner durch sein Verhalten das Vertrauen der Fraktion verspielt habe. Mehrere Male sei versucht worden, ihn wieder ins Boot zu holen, was der Arzt aber immer wieder abgelehnt habe. Schließlich habe die sich AfD für ein Redeverbot als disziplinarische Maßnahme entschieden, da man Fiechtner nicht gleich ganz aus der Fraktion habe werfen wollen. Das sei natürlich auch eine Frage der „Verhältnismäßigkeit“ gewesen.

Einblick in das Innenleben der AfD

Immer wieder geht es während der Verhandlung nicht nur um die juristischen Fragen, sondern auch um den Umgang innerhalb der AfD-Fraktion. Der kann als wildes Hauen und Stechen bezeichnet werden. Fiechtner beschreibt immer wieder eine Atmosphäre des tiefen Misstrauens untereinander. Deutlich wird, dass nicht nur bei ihm tiefe persönliche Wunden geschlagen wurden, die wohl kaum mehr heilen werden.

Das Gericht lässt sich zwei Wochen Zeit, um zu einer Entscheidung zu kommen. Die wird auf jeden Fall für einiges Aufsehen sorgen. Denn eines ist sicher. Heinrich Fiechtner liefert mit seiner Klage gegen die eigene Fraktion auf die freie Meinungsäußerung eines Parlamentariers eine Art Präzedenzfall für den deutschen Parlamentarismus.

Im Video spricht Heinrich Fiechtner über seinen Prozess gegen die AfD-Fraktion: