Bis vor 170 Jahren lag Stuttgart zwei Postkutschenstunden von Ludwigsburg entfernt. Dann kam die Eisenbahn und verkürzte diese Distanz auf eine halbe Stunde. Für die einen markierte das den Anbruch der Moderne, für die anderen das Ende der Beschaulichkeit.

Ludwigsburg - Bis vor 170 Jahren lag Stuttgart zwei Postkutschenstunden von Ludwigsburg entfernt. Dann kam die Eisenbahn und verkürzte diese Distanz auf eine halbe Stunde. Für die einen markierte das den Anbruch der Moderne, für die anderen das Ende der Beschaulichkeit. Der neue Band der Ludwigsburger Geschichtsblätter räumt der Geschichte des Ludwigsburger Bahnhofs sowie der Bottwartal- und der Strohgäubahn viel Platz ein.

 

Die Probleme, die man zum Teil bis heute nicht gelöst hat – siehe Verkehrsanbindung Weststadt oder Nadelöhr Schillerdurchlass – beginnen nach Ansicht des Autors Günther Bergan schon bei der Wahl des Standorts für den Ludwigsburger Zughalt. Und diese wiederum ist die Folge eines jahrelangen Grundsatzstreites auf höchster Ebene, in dem es darum ging, ob das württembergische Eisenbahnnetz sein Zentrum in Cannstatt oder in Stuttgart haben sollte. Mit der „allerhöchsten Baugenehmigung“ vom 14. März 1844 war Cannstatt als Drehkreuz raus – und die problembehaftete Lösung Sackbahnhof Stuttgart geboren. Bergan meint: „Hier liegen die Wurzeln für Stuttgart 21.“

Aufschwung ließ auf sich warten

Für Ludwigsburg bedeutete das: Statt auf einer Trasse den Neckar entlang wurden die Schienen nun westlich an Kornwestheim entlanggeführt und der Bahnhof in den trockengelegten Schafhofseen gebaut: „Diese Standortwahl bescherte der Bahn wie auch der Stadt für die Zukunft zahlreiche mehr oder weniger schwerwiegende Probleme“, schreibt Bergan. Während andere noch gebannt auf diese ihnen völlig fremden, feuerspeienden Riesenmaschinen blickten, sicherte sich der geschäftstüchtige Metzger Friedrich Belz schon im Dezember 1844 eine Konzession zum Betrieb einer Wirtshausbude an den Baustellen zwischen Kornwestheim und Ludwigsburg. Und als die Züge endlich fuhren, eröffnete er beim Bahnhof ein Wirtshaus samt Gartenlokal und Kegelbahn.

Obwohl Ludwigsburg eine der ersten Städte in Württemberg mit eigenem Bahnhof war – noch vor Heilbronn, Reutlingen oder Ulm –, wusste man diese Chance nicht zu nutzen. Anstatt den neuen Halt in den übrigen Verkehr zu integrieren oder ihn gar in die Stadt aufzunehmen, blieb die Station schwer erreichbar. Jahrelang war sie nur über eine fünf Meter hohe Böschung zu erklimmen, vor der die Straße vom Arsenalplatz zum Bahnhof abrupt endete. Bis 1857 war die Station nur über eine provisorische Holztreppe zu erreichen. Es dauerte insgesamt 23 Jahre, bis den Bahnhof eine vollwertige Straße mit der Stadt verband.

Dabei war die Bahn, spätestens seit es 1848 auch die Anschlüsse nach Heilbronn und Bietigheim gab, ein voller Erfolg – nicht nur für Wirtschaft und Handwerk. An Sonntagen mussten Sonderzüge eingesetzt werden, um der reiselustigen Massen Herr zu werden. Eine Phase des Aufbruchs in Sachen Ludwigsburger Bahnhof markieren für Bergan die Jahre 1868 bis 1871. Zum einen siedelt sich das aus Vaihingen/Enz stammende Zichorie-Unternehmen Heinrich Franck in Bahnhofsnähe an. Zum anderen werden fast zur gleichen Zeit das längst zu klein gewordene Stationsgebäude vergrößert und die erste stabile Brücke über die Bahngleise gebaut. Alles zusammen bewirkt, dass sich endlich eine erste Industriesiedlung bildet. Erst jetzt stehen die Zeichen auf Expansion.

16 Güterwaggons entgleist

1919 ereignete sich ein erstes Unglück im Bahnhof, als ein aus Kornwestheim kommender Güterzug entgleiste und 16 Waggons aus den Schienen sprangen. Verletzt wurde wie durch ein Wunder niemand. Um den Weg von der biederen Bahnstation über das Dienstleistungszentrum zum 2012 ausgerufenen Projekt „Wohlfühlbahnhof“ zu skizzieren, beschränkt sich Bergan auf eine Liste von Schlagzeilen, die bis zum Jahr 1902 zurückreicht.

In zwei weiteren, ebenfalls recht umfangreichen Texten werden in der jüngsten Ausgabe der Ludwigsburger Geschichtsblätter auch die Geschichten von Strohgäu- und Bottwartalbahn erzählt (von den Autoren Ulrich Volkmer, Wolfram Berner und Hans-Joachim Knupfer). Außerdem erzählen Catharina Raible vom Schloss Ludwigsburg als „Witwensitz“ und Thomas Schulz von 1250 Jahren Ottmarsheim.