Herzog Carl Eugen soll Mitte des 18. Jahrhunderts Jagdfeste im Ramsbachtal bei Stuttgart-Degerloch ausgerichtet haben. Es gibt Leute, die halten diese Überlieferung für eine Legende. Albert Raff hat recherchiert – und eine Antwort.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Wenn Herzog Carl Eugen Geburtstag feierte, dann floss nahe Degerloch Blut. Dann wurden rund 5000 Tiere ins Ramsbachtal gekarrt, um bei einem spektakulären Jagdfest ihr Leben zu lassen. 15 000 Menschen sollen der Hatz auf Hasen, Hirsche, Dachse und Gemsen zugeschaut haben. Eine Veranstaltungsgröße, die Degerloch wohl weder zuvor noch danach je erlebt haben dürfte.

 

Albert Raff glaubte nicht an eine Legende

Es gibt Degerlocher, die halten die Jagdfeste des Herzogs im Ramsbachtal für eine Legende. Albert Raff hingegen war sich sicher, dass es sie Mitte des 18. Jahrhunderts wirklich gegeben hatte. Um es zu beweisen, hat das Mitglied der Geschichtswerkstatt während des vergangenen halben Jahres recherchiert. Raff durchstöberte Archive und las in den wälzerhaften Werken des Hofschreibers Joseph Uriot. Herausgekommen ist ein Büchlein mit dem Titel „Die Jagdfeste des Herzogs Carl Eugen im Degerlocher Ramsbachtal 1763 und 1764“. Am Donnerstag stellt er es im Helene-Pfleiderer-Haus vor.

Fakt ist, es gab jene Jagdfeste auf der sogenannten Dreieckswiese im Ramsbachtal. Allerdings nicht 1762, sondern nur in den beiden Folgejahren. Das Jagdfest 1762 war nahe Neuwirtshaus. Das hat Raff mit akribischer Archivarbeit zutage gefördert. Doch das ist nicht seine einzige Erkenntnis. Er hat in dem Büchlein auch viele Details aufgeschrieben. Details, die einen staunen lassen.

Es wurde ein künstlicher See im Ramsbachtal gebaut

Der Herzog hatte am 11. Februar Geburtstag. Die Sause ging jeweils wochenlang. Und Carl Eugen scheute keine Kosten und Mühen, um seinen Freudentag zu zelebrieren. Die Vorbereitungen für das Jagdfest am 19. Februar 1763 – anlässlich des 35. Geburtstags des Herrschers von Württemberg – begannen im Oktober des Vorjahres. Der Herzog ließ einen Damm bauen, um einen See aufzustauen. Hinzu kamen zahlreiche Pavillons und Arkaden, um die 15 000 Zuschauer unterzubringen.

Für Degerloch, das damals rund 700 Einwohner zählte, bedeutete das bevorstehende Jagdfest vor allem eines: Knochenarbeit. Diese wurden verpflichtet, mit anzupacken. Laut Unterlagen von damals mussten 21 Degerlocher Bauern und eine Bauernwitwe vom 10. Oktober 1762 bis zum 24. März 1763 Dienst tun. Sogar die Namen sind aufgeführt. Aber nicht nur die Degerlocher mussten für des Herzogs Lustfest schuften. So mussten unter anderem aus Herrenberg 320 Arbeiter für sechs Tage anrücken.

Eine Katastrophe für Degerloch

Die Arbeiten für den künstlichen See und die Aufbauten waren das eine. Das andere war, dass die Tiere, die von überall her ins Ramsbachtal geschafft worden sind, versorgt werden mussten. Eine Aufgabe der Degerlocher. „Das Jagdfest war für Degerloch im Grunde genommen eine echte Katastrophe“, sagt Albert Raff.

Am Tag der Tage wurden die Tiere in der Anlage gen See getrieben und getötet. „Es war ein richtiges Gemetzel“, sagt Raff. Schon nach kurzer Zeit war alles vorbei, und die Festgesellschaft zog weiter nach Stuttgart, um dort weiterzufeiern. 1764 wurde die Anlage im Ramsbachtal noch einmal für denselben Zweck reaktiviert.

So ausufernd der Aufwand für das Jagdfest im Ramsbachtal war, war die Veranstaltung doch nur eine von vielen rund um den Geburtstag des Herzogs. Es war ein Programmpunkt von einem guten Dutzend über den Monat Februar verteilt. Buchvorstellung
Am Donnerstag, 11. Mai, stellt Albert Raff um 19 Uhr sein Buch im Helene-Pfleiderer-Haus, Große Falterstraße 6, vor. Das Buch ist erhältlich bei der Buchhandlung Albert Müller an der Epplestraße.