FDP und Grüne wollen bei ihren Vorgesprächen nicht zu sehr in Verletzungen der Vergangenheit rumwühlen. FDP-Chef Lindner provoziert derweil die Union mit Aussagen über die Nachfolge von Angela Merkel.

Berlin - Kurz nach Beginn der Jamaika-Gespräche provoziert FDP-Chef Christian Lindner die Union mit Äußerungen zur Zukunft von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende habe nach der Bundestagswahl „einen deutlich spürbaren Autoritätsverlust“ erlitten, sagte Lindner dem Magazin „Stern“. „Ich erwarte, dass in der CDU in den nächsten vier Jahren eine Debatte über die Nachfolge von Angela Merkel eröffnet wird.“ Ob die CDU-Chefin die volle Distanz von vier weiteren Jahren im Kanzleramt bleiben werde, sei „schwer zu sagen“.

 

Die Chancen für ein Jamaika-Bündnis von Union, FDP und Grünen sieht Lindner demnach bei 50 Prozent. Bei der Vorstellung seiner neuen Autobiografie am Donnerstag in Berlin sagte er, es sei „völlig offen“, ob man zu einem Koalitionsvertrag fände. Einen Tag nach ersten, separaten Gesprächen der Union mit FDP und den Grünen setzten sich am Donnerstag erstmals Grüne und Freidemokraten offiziell zusammen, um über ein Jamaika-Bündnis zu reden.

FDP: Stimmung aufhellen

FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte vor dem Treffen, jetzt gehe es darum, die Stimmung aufzuhellen. „Denn gerade zwischen Grünen und uns war es ja in der Vergangenheit nicht besonders herzlich.“ Es gehe aber nicht darum, die Vergangenheit aufzuarbeiten. „Ich glaube nicht, dass es jetzt um Verletzungen geht“, sagte auch Grünen-Chef Cem Özdemir.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, man werde auch schon über Inhaltliches sprechen. Gemeinsamkeiten erwarten die Grünen etwa bei Bürgerrechten und Digitalisierung, Probleme unter anderem bei der Energiepolitik und Europa. Bei der FDP hieß es, man müsse vor allem schauen, was mit dem linken Flügel der Grünen gehe.

Auch in der Union ist Merkels Zukunft nun ein Tema. „Die Menschen haben ein Rieseninteresse, dass Angela Merkel das Land weitere vier Jahre erfolgreich führt“, sagte der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) dem „Focus“. Sie wollen aber auch Perspektiven sehen, wie es danach weitergehe. „Unser mäßiges Wahlergebnis bei der Bundestagswahl legt uns ans Herz, personell eine Erneuerung anzugehen“, sagte er.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber rief seine Partei dagegen zur Geschlossenheit auf und verteidigte sich gegen Kritik, er wolle die Ergebnisse der Bundestagswahl schönreden. „Ich stelle mich auch meinem Teil der Verantwortung“, versicherte er. „Aber ich habe auch jetzt eine Aufgabe als Generalsekretär. Dazu gehört, die Partei zusammenzuhalten.“

Die 63-jährige Merkel regiert seit zwölf Jahren. Bei der Bundestagswahl war die von ihr geführte CDU zusammen mit der CSU auf das schwächste Unionsergebnis seit der ersten Bundestagswahl 1949 abgestürzt, war aber trotzdem stärkste Kraft geworden. Da die SPD nach ihrer historischen Wahlniederlage in die Opposition will, spricht die Union nun mit FDP und Grünen über ein Regierungsbündnis. Am Freitag wollen sich alle erstmals in großer Runde treffen.

“Sehr verschiedene Parteien mit sehr verschiedenen Anliegen“

Eine solche Jamaika-Koalition liegt etwa für den Chef der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, noch in weiter Ferne. „Es waren Gespräche in konstruktiver Atmosphäre, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um sehr verschiedene Parteien mit sehr verschiedenen Anliegen handelt. Die Suche nach Gemeinsamkeiten wird ein langer Weg und das Ergebnis ist noch völlig offen“, sagte Kreuzer, der zum Sondierungsteam der Christsozialen gehört, der Deutschen Presse-Agentur.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) äußerte sich verhalten optimistisch. „Mein Eindruck ist, dass alle Beteiligten den Erfolg dieses Experiments wollen“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Es sei aber auch klar geworden, dass es für Union, FDP und Grüne schwierig werde, zusammenzukommen.

Deutlichere Töne schlug Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) an. „Ich befürchte, dass Jamaika aus Sicht der inneren Sicherheit nicht gut wäre“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. So sei etwa die FDP gegen mehr Videoüberwachung und eine Vorratsdatenspeicherung, die im Anti-Terror-Kampf gebraucht werde. Und in der Asyl- und Ausländerpolitik müsse die Union gegenüber den beiden kleineren Parteien darauf beharren, den Familiennachzug von Flüchtlingen zu begrenzen und die nordafrikanischen Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.