Mehr Wohnraum in überlasteten Regionen wie Stuttgart zu schaffen, steht nach Aussagen der künftigen Partner einer Jamaika-Koalition offenbar ganz oben auf der Liste. Zu Erleichterungen könnte es vor allem bei der Grunderwerbsteuer kommen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der bayerische Finanzminister Markus Söder hat am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ keinen Zweifel daran gelassen, dass das Jamaika-Bündnis mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen muss. Es müsse Anreize geben, dass mehr gebaut wird, sagte das CSU-Schwergewicht – dies sei für die normal arbeitenden Menschen eine ganz zentrale Frage.

 

FDP-Vorstandsmitglied Alexander Graf Lambsdorff assistierte: Dies sei gerade für Familien, die aufsteigen wollten, ein „Riesenthema“. Deshalb habe seine Partei vorgeschlagen, für die erste selbst genutzte Immobilie die Grunderwerbsteuer praktisch zu erlassen, was eine Erleichterung von mehreren zehntausend Euro sein könne. In ihrem Wahlprogramm fordern die Freien Demokraten konkret einen Freibetrag von bis zu 500 000 Euro für private Bauherrn. „Denn die Steuertreiberei der Bundesländer macht es Familien aus der Mittelschicht fast unmöglich, Wohneigentum zu erwerben“, heißt es.

Somit müsste sich bei den Koalitionsverhandlungen an dieser Stelle einiges bewegen. Dem Wunsch, in Wohnungsbau zu investieren, mochte auch Grünen-Chefin Simone Peter bei „Illner“ nicht widersprechen. Im Wahlprogramm bleiben die Grünen da eher vage: Es gehe zuerst darum, dass Menschen mit kleinerem und mittlerem Geldbeutel bezahlbare Mietwohnungen finden. „Außerdem unterstützen wir Familien dabei, einen Anteil an Wohnungsgenossenschaften zu erwerben“, heißt es.

Nicht nur Bauland ist vielerorts teuer, sondern auch die Mieten. Warum die Mieten in Stuttgart und der Region so hoch sind, erklärt StuggiTV im Video:

Union will Baukindergeld und Freibeträge

Somit deutet sich an der Stelle ein Konsens an, zumal die Union schon in ihrem Regierungsprogramm angeregt hat, jungen Familien beim Erwerb von Wohneigentum mehr zu helfen als bisher. Dies solle für Bestandsbauten und Neubauten gleichermaßen gelten. „Damit der Traum vom eigenen Heim stärker in Reichweite rückt, werden wir ein Baukindergeld in Höhe von 1200 Euro je Kind und pro Jahr neu einführen“, heißt es. Dieses solle über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt werden. Dieser Anspruch solle für alle Kaufverträge beziehungsweise Baugenehmigungen gelten, die seit dem 1. Juli 2017 neu abgeschlossen oder erteilt wurden. Und: „Wir wollen bei der Grunderwerbsteuer Freibeträge für Erwachsene und Kinder einführen.“ Dies solle für den erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums gelten. Die Zuständigkeit der Bundesländer bleibe aber gewahrt.

IW: Steuer ist Hemmnis für Vermögensaufbau

Dazu passt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), das die Grunderwerbsteuer als ein „Hemmnis für den Vermögensaufbau weniger wohlhabender Haushalte“ kritisiert. Das IW rechnet vor, dass diese Steuer den Ländern im vorigen Jahr rund 13 Milliarden Euro eingebracht hätte, 270 Prozent mehr als noch 2009. Allein Nordrhein-Westfalen habe etwa drei Milliarden Euro eingenommen. An Rhein und Ruhr wird wie auch in Brandenburg und Thüringen der Spitzenwert von 6,5 Prozent veranschlagt – wohingegen Bayern und Sachsen lediglich 3,5 Prozent einkassieren. Hinzu kämen, so das IW, für Bauherren ja noch die Mehrwertsteuern auf Bauarbeiten, was unterm Strich eine Steuerlast von mehr als 20 Prozent ergeben könne. Diese schrecke viele Käufer gerade mit kleineren Einkommen ab, auch Neubauten würden verhindert.

Die IW-Wissenschaftler schlagen daher eine Reform vor. So könnte die Grunderwerbsteuer wie in den Niederlanden für private Neubauten ganz entfallen oder pauschal auf ein Prozent sinken. Auch ein Stufenmodel wie in Großbritannien sei denkbar: Mit zunehmendem Preis der Immobilie könne auch die Steuer schrittweise von zwei auf zwölf Prozent steigen – bei einem Freibetrag von 125 000 Euro.

SPD im Südwesten signalisiert Umdenken

Auch die SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag befeuert die Debatte mit Blick auf stark gestiegene Grundstücks- und Baupreise im Südwesten: Ihr Wohnungsexperte Daniel Born fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative für eine bessere soziale Differenzierung der Grunderwerbssteuer zu starten. „Damit würde die Möglichkeit geschaffen werden, die Steuer beim Ersterwerb von selbst genutztem Wohnraum zu halbieren.“ Bereits im Juli hätte er dazu einen Beschlussantrag an die Regierung gestellt. Das Finanzministerium habe diesen eindeutig abgelehnt. „Die Landesregierung unterstützt weder die soziale Differenzierung noch die Reduzierung der Grunderwerbssteuer für Familien“, resümiert Born.

Damit offenbart die SPD einen Sinneswandel: Vor genau sechs Jahren beschloss die damalige grün-rote Regierung die Erhöhung der Grunderwerbsteuer um 1,5 Punkte auf 5,0 Prozent. Davon versprach sich die Landesregierung jährliche Mehreinnahmen von bis zu 375 Millionen Euro im Jahr. Das Geld sollte den Kommunen für die frühkindliche Betreuung zukommen. Wegen des Immobilienbooms hat Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) im vorigen Jahr allerdings schon 1,6 Milliarden Euro eingenommen. CDU und FDP stimmten damals dagegen – nun können sie in der Bundesregierung die Kehrtwende einleiten.