Spezialisten entschärfen zwei 250 Kilogramm schwere Sprengkörper, die jahrzehntelang im Boden des Degerlocher Walds gelegen haben. Etwa 50 Häuser in der Nachbarschaft müssen evakuiert werden.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Glimpflich ausgegangen ist am Mittwochnachmittag die Entschärfung von zwei Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg am Ortsrand von Sillenbuch in Richtung Degerloch. Um 15.30 Uhr konnten die Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Entwarnung geben. „Es ist alles gut gegangen“, sagte Peer Müller, einer der so genannten Feuerwerker, der zum siebenköpfigen Team der Bombenentschärfer zählt. Glücklicherweise habe es sich bei den Bomben nicht um Sprengkörper gehandelt, die mit chemischen Zündern ausgestattet sind, sondern mit mechanischen. „Diese Bomben sind leichter zu entschärfen“, so Müller.

 

Bei den beiden Sprengkörpern handelt es sich um Fliegerbomben amerikanischer Bauart des Typs GP 500 Lips, die 250 Kilogramm schwer sind und mit je 120 Kilogramm Sprengstoff gefüllt waren. Sie waren vermutlich zum Ende des Krieges hin, als Stuttgart mehrfach das Ziel von alliierten Fliegerangriffen gewesen ist, zu früh abgeworfen worden, aber nicht detoniert.

Bagger legen Bomben frei

Entdeckt worden sind die Sprengkörper mit Hilfe eines digitalen Geländemodells. Diese dreidimensionale Karte für das Land Baden-Württemberg entstand aus einer Dokumentation mit Laserscan-Daten vor einigen Jahren. Auf den Aufnahmen sind mindestens ein Meter große Erhebungen ablesbar. Im Fall der beiden entdeckten Bomben hatte der Kampfmittelbeseitigungsdienst das Forstamt verständigt, dass in der Nähe der Kuhwiesenquelle bei Sillenbuch zwei Sprengkörper liegen könnten. Denn auch wenn Fliegerbomben beim Aufprall nicht explodieren, entstehen durch sie charakteristische Bombentrichter. Mitarbeiter des Forstamts bestätigten bei einem Vororttermin die Vermutung und verständigten die Bombenentschärfer. Die Sprengkörper wurden schließlich am Mittwoch um 8 Uhr nicht weit voneinander entfernt in zwei beziehungsweise anderthalb Meter Tiefe entdeckt und durch Bagger freigelegt.

Ehe sie entschärft werden konnten, wurden Evakuierungsmaßnahmen eingeleitet. Das Gebiet im Bereich der Kuhwiesenquelle wurde im Umkreis von 350 Metern abgesperrt und geräumt. Fast 100 Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehr und des Roten Kreuzes waren im Einsatz. So wurde die Mittlere Filderstraße zwischen dem Fernsehturm und Birkach gesperrt, die Buslinie 70 war ebenfalls betroffen. Auch das Königsträßle durfte nicht mehr befahren werden. Etwa 60 Bewohner der Gebäude an den Straßen Am Eichenheim und Lerchenstieg mussten ihre Häuser verlassen. Einige Bewohner nutzten das Angebot, sich während der Entschärfung in der Nachbarschaft in der deutsch-französischen Grundschule aufzuhalten, andere fanden bei Freunden, Bekannten und Verwandten Unterschlupf.

Entschärfung dauert keine 20 Minuten

Da es sich beim Fundort der Bomben um ein Waldstück handelte, durch das zahlreiche Wege führen, waren zudem sechs berittene Polizeibeamte im Einsatz, die Jogger und Spaziergänger vor der Gefahr der Sprengkörper warnten. Unmittelbar vor der Entschärfungsaktion überflog ein Hubschrauber, dessen Besatzung mit einer Wärmebildkamera ausgestattet war, mehrmals das Gebiet, um sicherzustellen, dass sich niemand mehr in dem Areal aufhielt.

Die eigentliche Entschärfungsaktion dauerte keine 20 Minuten. Ob weitere Bomben in dem Wald liegen, ist nicht bekannt. „Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass es dort weitere Sprengkörper gibt“, sagt Michael Hagmann vom Regierungspräsidium, der für den Kampfmittelbeseitigungsdienst zuständig ist.

Stuttgart ist während des Kriegs insgesamt mehr als 50 Mal Ziel von Fliegerangriffen gewesen, 4500 Menschen wurden dabei getötet und fast 40 000 Gebäude zerstört. Wie viel Blindgänger noch im Untergrund schlummern, ist nicht bekannt.