Mehr als 90 000 Seen in der kanadischen Provinz Manitoba tragen keinen Namen. Des Kappel sorgt sich hauptberuflich darum, dass das sich ändert. Eine Lebensaufgabe, denn seine Behörde hat seit 1897 erst ein paar tausend Seen einen Namen verliehen.

Winnipeg - Des Kappel sucht Namen für die mehr als 90 000 unbenannten Seen in Manitoba.Wir haben uns mit dem einzigen offiziellen Ortsnamenforscher der kanadischen Provinz unterhalten.

 
Herr Kappel, heute schon einen See benannt?
Nein, aber bei einigen Seen bin ich in der Recherche gut weitergekommen. Letztes Jahr habe ich fünf Seen benannt, dieses Jahr könnten es viel mehr sein. Ich habe alte Aufzeichnungen aufgespürt, die Namen für 150 bisher unbenannte Seen beinhalten.
Sind Sie nicht etwas langsam unterwegs?
Wir wollen nichts überstürzen. Manchmal dauert es ein paar Monate, Namen für Seen zu finden, mal brauchen wir zwei Jahre. Da gehe ich auf Nummer sicher. Wir wollen ja nicht einen See benennen, der schon einen Namen hat. Meine Behörde gibt es seit 1897 und wir haben bisher 6956 Seen „getauft“.

Fünf Tage unter Eisbären in Manitoba

Bei dem Tempo und mehr als 100 000 Seen in der Provinz Manitoba brauchen Sie hochgerechnet 1700 Jahre, bis Ihre Aufgabe erfüllt ist. Frustrierend?
Na ja, wir haben ja auch noch anderes zu tun, es gibt 16 257 weitere offizielle Ortsnamen in meiner Provinz für Dörfer, Berge, Bäche, Flüsse, Buchten und Inseln. Nicht jeder See muss einen Namen haben. Namen suchen wir nur, wenn jemand einen Antrag auf Benennung stellt. Es gibt Zehntausende Seen in unbewohnten Landstrichen, in denen nur Biber, Wölfe oder Bären leben. Da ist es gleichgültig, wie sie heißen. Manitoba ist knapp doppelt so groß wie Deutschland, hat aber nur 1,3 Millionen Einwohner. Glauben Sie mir, es gibt hier sehr viel Landschaft.
Wie gehen Sie vor?
Bestehende Namen haben Vorrecht. Ich recherchiere in alten Aufzeichnungen, Zeitungsartikeln, Geburtsurkunden. Manchmal fahre ich auch zu den Seen, spreche mit den „Locals“, mit Indianern oder Fallenstellern, die seit Generationen durch diese Gegenden streifen. Wenn man dann einen Namen ausfindig gemacht hat, gibt einem das schon eine Art Glücksgefühl. Besonders stolz bin ich auf Pekwachnamaykoskwaskwaypinwanik Lake. Das ist ein indianischer Name, der schon lange inoffiziell in Gebrauch war. Er heißt etwa „Ort, an dem Menschen mit einer Angelschnur Forellen fangen“.

Brauchen Sie für Ihre Arbeit bestimmte Qualifikationen?
Na ja, es ist ein seltener Job. Ich bin der einzige offizielle Ortsnamenforscher unserer Provinz. Ich habe Geografie und Geschichte studiert, aber letztlich ist Neugierde die Schlüsselkompetenz.
Warum verlosen oder verkaufen Sie nicht einfach das Recht, Seen zu benennen, so wie das bei Insekten oder Sternen der Fall ist?
Wir wollen bei der Namensgebung der Kultur, der Geschichte und der Natur Rechnung tragen. Das ist ein würdevoller Akt. Klar bekommen wir Anfragen, ob wir einen See nach einem Liebespaar, einem Unternehmen oder einem verstorbenen Hund benennen können. Aber das tun wir nicht. Gibt es keine althergebrachten Namen, wählen wir die Namen gefallener Soldaten aus Manitoba, dann heißt ein See eben " target="_blank">Edward Wright Lake. Wir haben allen 4206 Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg einen See gewidmet, jetzt beginnen wir mit den 8000 Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg.
Ist Ihr Job romantisch?
Nicht wirklich. Wenn Sie glauben, dass ich mit einer Delegation zu den Seen reise und sie dann mit Champagnerflasche und großen Reden taufe, sind Sie falsch gewickelt. Ich gebe im Grunde nur einen Namen in unsere Datenbank ein und damit verwandelt sich ein blauer Fleck auf der Landkarte in einen blauen Fleck mit einem Namen.

Mit dem Zug quer durch Kanada

Macht Sie der Gedanke an all die noch nicht benannten Seen nicht verrückt?
Die Seen gibt es seit Millionen Jahren und bisher hat sich noch keiner beschwert, dass er keinen Namen hat. Gelegentlich kommt es aber vor, dass Namen eine wichtige Rolle spielen. Zum Beispiel, wenn ein Rettungshubschrauber an den falschen See fliegt, um jemandem zu helfen, oder bei Waldbränden. Sie verbringen sicher jede freie Minute an einem Ihrer Seen. Ob Sie’s glauben oder nicht: Ich bin kein großer Wasserfan. Im Gegensatz zu all den Anglern, Kanufahrern und Badefans um mich herum konnte ich jahrzehntelang noch nicht einmal schwimmen. Ich habe erst vor etwa zehn Jahren einen Schwimmkurs belegt. Nun fühle ich mich bedeutend wohler, wenn ich an den Seen unterwegs bin.