An diesem Mittwoch startet das Klinke Festival im Merlin.

S-West - Hochsommer in Stuttgart ist ja keine einfache Sache. Die Autobahnen rings um den Kessel ersticken in Baustellen und Stau, die Hitze bringt den Asphalt zum Schmelzen. Wer trotzdem imKessel ausharrt, hat im August wieder die Gelegenheit, das Kulturzentrum Merlin an der Augustenstraße 72 zum zweiten Wohnzimmer zu ernennen. Es ist Klinke Festival! Das bedeutet: Musik, Musik, Musik. Den ganzen August, bei freiem Eintritt.

 

Das ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Erstens, weil im August auf dem Konzertbühnen wenig bis gar nichts los ist. Zweitens, weil manch steile Musikkarriere auf der Merlin-Bühne ihren Anfang nahm – so zum Beispiel die von Schmutzki oder Levin Goes Lightly. Und drittens, weil das Klinke Festival im Gegensatz zu den Freiluftfeten überhaupt nicht wetterabhängig ist. Arne Hübner, der das Programm kuratiert, beschreibt den Mix so: „Lieber etwas gekonnter Dilettantismus und eine entspannte Grundeinstellung als ambitionierte Professionalität.“

Händchen für ungewöhnliche Bands

Was natürlich nicht heißen soll, dass Amateure am Werk sind. Vielmehr beweist die Klinke wieder ihr Händchen für ungewöhnliche Bands und Helden von morgen. Cebra am 3. August beispielsweise, die im Merlin ihre Live-Premiere feiern und ihren psychedelisch wogenden Pop passend auf die Temperaturen abgestimmt haben.

Zum Auftakt des Festivals gibt es am Mittwoch, 3. August, mehr als reine Musik. Der Künstler Chris Rottler und seine Band Lenin Riefenstahl stellen ein Musik- und Lyrikprojekt vor, das Marcel Proust gewidmet ist. Als Hörspiel bereits im Radio vorgestellt, bringt Rottler seine versuchte Annäherung an den Schriftsteller Proust – vor allem sein Scheitern – lyrisch und musikalisch auf die Bühne. „Jeder der sich mit Literatur intensiv beschäftigt, stößt früher oder später auf „Die verlorene Zeit“ von Proust“, so Rottler. „Ich hatte den Ehrgeiz, die ganzen großen Werke zu lesen. Bei Proust“, sagt er und holt Luft, „bin ich schier wahnsinnig geworden. Ich empfand die Literatur als langatmig, borniert und belanglos.“

Ungewöhnlicher Auftakt mit Hörspiel

Es ist originell, ein Bühnenstück aus dem eigenen Scheitern zu machen – und mutig. Doch durch das Thematisieren dieses Scheiterns“, so Rottler, „schlage ich produktiv zurück und überwinde mein Scheitern via Hörspiel, Vinyl und einem Buch zum Thema. Das ist meine Rache“, sagt er. Zum Klinke-Eröffnung werden Passagen des Hörspiels gelesen, unumstrittener Höhepunkt ist der originale Briefwechsel zwischen Albert Gier, dem Chef der Marcel- Proust-Gesellschaft, und Rottler. Ein ungewöhnlicher Auftakt für die Klinke.

Auch das übrige Programm bietet jede Menge Perlen, die laut Hübner „eine gewisse Bandbreite der hiesigen Musikszene darstellen“ sollen. Da wären die Kneipen-Polka-Blueser Hawelka am 11. August, die wunderbar souligen Blues Rocker Pale Heart am 12. August oder die Mannheimer Psych-Rock-Entdeckung The Casey Jr. Ride zum Abschluss am 26. August. 16 Konzerte, ein ganzer Monat, keine Schubladen – und nach jedem Konzert ein Spendenhut für die Musiker.