In unserer Serie „Wie liebt Stuttgart“ begeben wir uns auf Liebesspurensuche. Dieses Mal waren wir beim Face-to-Face-Dating in Stuttgarter Kneipen unterwegs.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Kennengelernt haben sich Frank und Heiko (*alle Namen geändert) in der Kneipe. Bei einem Dating-Event in Stuttgart. Ihre Variante hat das Online-Tool des Veranstalters Face-to-Face-Dating aber gar nicht vorgesehen: Zwei Männer, die sich sofort sympathisch finden und sich wiedersehen wollen. Das Kneipendating-Event, bei dem sich an einem Abend Menschen aus Stuttgart und Umgebung in verschiedenen Bars kennenlernen, sieht eigentlich vor, dass sich ein Mann mit einer Frau zusammen tut. Wenn sie sich beide kennenlernen wollen, schaltet die Agentur die Kontaktdaten frei, die Frau muss den Anfang machen. „Ich musste dann halt die Frau sein“, sagt Heiko.

 

Manche finden auch einfach neue, gute Freunde

Nun sind Frank und Heiko keineswegs schwul. Deshalb sind sie beide – als Kumpels – seit jenem schicksalhaften Abend ihres Kennenlernens quasi Stammkunden beim Face-to-Face-Dating.

Stammkunden sind keineswegs unüblich bei diesem etwa alle zwei Monate stattfindenden Datingevent. Die meisten Männer begrüßen sich an der ersten Station, im Rubens am Hans im Glück-Brunnen, persönlich. Sie waren alle schon zigmal da. „Nur die Frauen sind immer neu“, sagt der eigene Teampartner, der an dem Abend zum sechsten Mal sein Glück versucht. Denn auch wenn keiner der acht Personen, die an dem kleinen Bartisch sitzen, es so direkt und offen sagt – alle wollen einen Partner finden. „Aber es ist halt auch besser, als alleine daheim zu sitzen“, sagt der Teampartner noch. Er habe nicht so viele Menschen, mit denen er weggehen könne. Er ist auch eher still, tut sich schwer, in der Gruppe ins Gespräch einzusteigen.

Alle Teilnehmer sind in Zweier- oder Dreierteams eingeteilt. Die Teams besuchen an dem Abend zwei bis drei Kneipen. Immer nach eineinhalb Stunden wird die Location gewechselt. Der Showdown ist ab 23 Uhr im Classic Rock Café – dort kommen alle Teilnehmer zusammen. Er wisse auch nicht so recht, was er von der ganzen Sache halten soll, sagt der Teampartner, der anonym bleiben möchte. „Auf jeden Fall war es ein schlauer Mensch, der das erfunden hat.“ Weil so viele Leute sich dort finden? Vielleicht nur ihre neuen besten Freunde kennenlernen wie Heiko und Frank? Keineswegs, sagt der Teampartner. „Es ist eine Gelddruckmaschine“, glaubt er.

Knapp 16 Euro kostet die Teilnahme an dem Abend. Die Veranstalter übernehmen die Buchungen über ihre Online-Plattform und reservieren die Tische in den Bars und Kneipen. Mehr nicht, sagt der Teampartner. Gegründet hat die Datingagentur – das Event gibt es inzwischen in 55 deutschen Städten – Rico Hetzschold. Er suchte eine „Alternative zum Speed-Dating“. Sieben Minuten seien viel zu kurz. Andererseits mögen viele Menschen keine „Eins-zu-eins-Situation“, wie er es nennt. Perfekt sei es doch da, an einem Abend mehrere Menschen gleichzeitig, in „ungezwungener Atmosphäre“ zu treffen. Kontaktdaten können die Teilnehmer sofort persönlich austauschen oder später über die Plattform.

Obwohl er ja quasi Stammkunde ist, findet er nicht alles überzeugend an dem Konzept, verrät der Teampartner auf dem Weg zur zweiten Location, Sophies Brauhaus. Dort ist die Stimmung recht ausgelassen. Die Neuankömmlinge werden herzlich begrüßt. Der Partner setzt sich wieder ganz an den Rand. Eine andere Teilnehmerin steht wortlos auf und verschwindet mit ihrer Handtasche. Nicht schlimm, sagt ihre Gegenübersitzerin: „Weißt du, in ihren Augen darf jeder so sein, wie er will. Sie will da nur nicht immer dabei sein.“

„Limitierte Toleranz“ schränkt den Erfolg bei der Partnerwahl ein

Im Sophies Brauhaus sind Frank und Heiko, die einen in die Geheimnisse von Dating-Veranstaltungen einweihen. Es seien immer die gleichen Typen da, sagt Heiko. Da gebe es den Extrovertierten, sein Kumpel Frank zum Beispiel. Und dann den Schweiger, der immer nur daneben sitze. Er meint den Teampartner. Natürlich sei da noch der Angepasste. Das sei er selbst. Er checke erst mal die Lage, halte sich zurück und spreche ein bisschen mit jedem. Viele andere seien sehr eingeschränkt in ihrer Wahl. Ein Fehler, sagt Frank. Sein anderer Kumpel, der auch dabei ist, aber in einer anderen Kneipe, mache den immer wieder. „Er hat eine sehr limitierte Toleranz bei der Frauenwahl“, sagt Frank. Über den Satz werden Heiko und Frank noch den ganzen Abend lachen. Limitierte Toleranz, das klingt für sie auch besser als „zu anspruchsvoll“.

Aber es gibt noch eine Kategorie. Dieser Mann ist in der dritten Kneipe dabei, der California Lounge. Bernd chattet die ganze Zeit auf seinem Handy, während ein anderer Mann von seiner Nebensitzerin angehimmelt wird. Aber nur weil er Zugang zur VfB-VIP-Lounge hat, wie sie sagt. Erst als er „VIP“ hört, blickt Bernd von seinem Handy auf und sagt: „I han a Spa-Mitgliedschaft.“ Niemand lacht. Also fängt er einfach an zu erzählen. In diesem Spa, da habe er eine Frau kennengelernt. „Koi Standardfrau“, betont er. „Die isch so psychologisch unterwegs, woisch.“ Man nickt. Das spornt ihn an, er erzählt die ganze Geschichte vom Scheitern seiner zweimonatigen Beziehung. Seine Erklärung? Wenn eine so „eine Hobbypsychologin“ sei, dann habe man „koi Chance als normaler Mann“.

Den Vorschlag, den Abend doch zu nutzen, um eine neue Frau kennenzulernen, übergeht der Spa-Mann. „Mir isch zu laut, zu rauchig und zu viele Leit.“ Bernd möchte seine „limitierte Toleranz“ gar nicht überwinden. Er geht heim. Alleine. Nicht mal einen besten Freund hat er gefunden.