Angela Merkel hat das Heft wieder in der Hand. Mit ihrer Aussage zur Ehe für alle zeigt sich erneut ihr politisches Geschick – und sie düpiert die Konservativen in der Union, meint Politik-Redakteur Christoph Link.

Stuttgart - Es ist wieder einmal der Beweis dafür erbracht, dass die Kanzlerin als Strategin und Strippenzieherin eine Meisterin ihre Faches ist. Eine gesellschaftliche Bastion, die nicht mehr zu halten war, gibt die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel jetzt rechtzeitig auf. Sie hat beim „Brigitte“-Talk in Berlin dafür plädiert, die Frage nach der Ehe für alle – also auch für gleichgeschlechtliche Paare – als Gewissensfrage im Bundestag zu behandeln und zur freien Abstimmung frei zu geben. Da aber ist eine klare Mehrheit für die Reform zu erwarten.

 

Ein geschickter Schachzug, mit der sie zwar die Konservativen in ihrer Partei düpiert, aber CDU und CSU mittelfristig den Machterhalt sichert. Mit ihrem Nein war die Union zusehends isoliert, denn alle anderen Parteien mit der eine Koalition nach der Bundestagswahl möglich wäre – also FDP, Grüne und SPD – haben die Ehe für alle als Voraussetzung für eine Koalition benannt. Spannend ist nun die Frage, ob eine Abstimmung im Bundestag noch in dieser Legislaturperiode stattfindet.

Ein anderer Aspekt der Merkelschen Politik aber löst Verwunderung aus: Wichtige außen- und innenpolitische Aussagen und Entscheidungen fällt die Kanzlerin Merkel neuerdings in Bierzelten (Distanz zu Trumps USA) oder auf den Podien von Frauenzeitschriften (Ehe für alle). Da stellt sich die Frage: Sind Kabinett, Parlament und Parteitage eigentlich auch noch Orte der Meinungs- und Willensbildung?

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