Die Städte und Gemeinden im Land haben im Jahr 2016 acht Prozent mehr eingenommen. Müssen jetzt wieder Zebrastreifen aus Marmor gebaut werden, um das Geld los zu werden?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Karlsruhe - Im bundesweiten Vergleich geht es den Städten, Gemeinden und Kreisen in Baden-Württemberg weiterhin außergewöhnlich gut. Bereits im sechsten Jahr hintereinander hätten die kommunalen Haushalte 2016 mehr Geld eingenommen als ausgegeben. Dies geht aus dem Jahresbericht der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) Baden-Württemberg hervor, den der scheidende Präsident der Einrichtung, Klaus Notheis, in Karlsruhe vorgestellt hat.

 

Gegenüber 2015 sei das Plus noch einmal um 280 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro angestiegen. Allerdings habe dazu primär die Entwicklung in den Stadt- und Landkreisen beigetragen. Bei den kreisangehörigen Gemeinden ging der Überschuss hingegen zurück, wenngleich er sich nach wie vor auf hohem Niveau bewege. Allerdings sei die Bandbreite gewaltig, sagte Notheis. Rund ein Viertel der Großen Kreisstädte schrieben im laufenden Geschäft rote Zahlen. Auch drei der neun Stadtkreise und fünf von 40 Landkreisen hätten ihre Investitionen einzig durch Kredite, Verkäufe und Zuschüsse finanzieren können. Oft hänge Wohl und Wehe von einzelnen potenten ortsansässigen Gewerbesteuerzahlern ab.

Es gibt viel nachzuholen

Die insgesamt positive Finanzlage beruhe maßgeblich auf den hohen Steuereinnahmen (plus 8 Prozent). Allein bei der Gewerbesteuer als wichtigster Einkommensquelle betrug das Plus im vergangenen Jahr 9,1 Prozent. Insgesamt flossen so 6,1 Milliarden Euro in die Kassen der Städte und Gemeinden im Land. „Das Jahr 2016 war für die Kommunen ein einkommensstarkes Jahr in einem stabilen wirtschaftlichen Umfeld“, sagte Notheis. Dennoch sehe er bei der Bewertung neben Licht auch viel Schatten. Starke Ausgabensteigerungen (plus 7,5 Prozent) hätten die höchsten Steuereinnahmen der letzten Jahre teilweise aufgefressen und keinen Raum für einen Schuldenabbau gelassen, kritisierte Notheis. Augenscheinlich gebe es Nachholeffekte. Hinzu kämen Ausgabensteigerungen, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge zusammenhingen. Allein die Sozialausgaben seien um elf Prozent auf 6,8 Milliarden Euro gestiegen. 3,6 Milliarden Euro flossen in Baumaßnahmen, was einem Plus von 12,7 Prozent entspricht.

Für das Jahr 2017 rechnet Notheis mit einem landesweiten Überschuss auf ähnlichem Niveau. Zwar rechneten die Statistiker mit einem geringerem Wirtschaftswachstum. Allerdings hätten Veränderungen in der Steuerrechtsprechung im Jahr 2016 vielerorts zu Gewerbesteuerrückzahlungen geführt. Dieser Sondereffekt falle nun weg. Erst 2018 werde sich die Entwicklung wieder abschwächen. Das Finanzierungssaldo werde auf 800 Millionen Euro sinken und könne in der Folge auch wieder ins Minus rutschen. Notheis rief die Kommunen vor diesem Hintergrund dazu auf, mit ihren Anstrengungen bei der Konsolidierung nicht nach zu lassen.

Zinspolitik verleitet zum Geldausgeben

Eindringlich warnte er vor zu vielen Investitionen auf Pump. Offenbar verleitet die gegenwärtige Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) viele Bürgermeister und Gemeinderäte dazu, neue Kredite aufzunehmen. Da die Verschuldung in den Kernhaushalten in den vergangenen Jahren leicht zurückging, sei seit dem Jahr 2015 eine Trendwende zu beobachten. Insgesamt beziffert die Gemeindeprüfungsanstalt die kommunale Gesamtverschuldung in Baden-Württemberg auf 40 bis 50 Milliarden Euro. Bei einer Zinsanhebung von nur einem Prozent bedeute dies ein Risiko von mindestens 400 Millionen Euro, sagte Notheis.

Gegenwärtig zahlen die Kommunen im Durchschnitt laut GPA weniger als drei Prozent an Zinsen für ihre Kredite. Bei Neudarlehen sind die Konditionen natürlich deutlich besser. Eigene Guthaben bringen hingegen nichts mehr ein. Hier sanken die Einnahmen, obwohl die Rücklagen von 24 auf 26 Milliarden Euro stiegen.

Die GPA – eine Körperschaft öffentlichen Rechts

Wenn die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) ins Rathaus kommt, rutscht manchem Bürgermeister das Herz in die Hose. In mancher Verwaltung werde man als „Erbsenzähler“ wahrgenommen, Prüfergebnisse würden als „nicht praxistauglich“ bezeichnet, klagt der Präsident Klaus Notheis. Allerdings profitierten Gemeinden von den Prüfungen oft auch in finanzieller Hinsicht. Nur in seltenen, dann aber prominenten Fällen, gibt es richtig Ärger.

Die GPA ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und hat rund 150 Mitarbeiter. Sie finanziert sich durch Gebühren der geprüften kommunalen Einrichtungen und durch eine Umlage, die alle Städte und Gemeinden zahlen.