Die Stadt Aachen hat Kuttenträger zur Weihnachtszeit mit einer Allgemeinverfügung aus Teilen der Innenstadt verbannt. Die Stuttgarter Hells Angels gehen dagegen jetzt mit einer Klage vor – auch, weil die Sanktionen Schule machen könnte.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart/Aachen - Was wollen die Stuttgarter Hells Angels auf dem Aachener Weihnachtsmarkt? Womöglich überhaupt nichts – aber sie wollen sich das Recht nicht nehmen lassen, zur Weihnachtszeit in voller Rockermontur in der Kurstadt zu flanieren. Denn per Allgemeinverfügung hat die Stadt in Nordrhein-Westfalen verordnet, dass Teile der Aachener Innenstadt um Weihnachten für Kuttenträger tabu sind. Dagegen haben die Stuttgarter Hells Angels jetzt Klage eingereicht. Über sie wird an diesem Mittwoch, 24. August, das Aachener Verwaltungsgericht verhandeln.

 

Lutz Schelhorn, der Stuttgarter Hells-Angels-Chef, vermutet hinter dem Vorstoß der Stadt Aachen weit mehr, als den Rockern den Genuss von Glühwein und Stockbrot vermiesen zu wollen. „Das von Staatsanwaltschaft und Polizei gegenüber der Stadt Aachen diktierte Kuttenverbot ist Bestandteil einer umfassenden, gegen Rocker gerichtete Kriminalisierungsstrategie der Innenministerien. Man will damit von den wahren Problemen bei der Kriminalitätsbekämpfung ablenken“, sagt er. Sprich: Wenn solche Verbote Schule machen, werde den Rockern das Leben schwerer gemacht.

Schießerei im Rockermilieu

Genau das scheint die Absicht der Stadtverwaltung in Aachen zu sein. Die Allgemeinverfügung, die den Weihnachtsmarkt und andere Innenstadtgebiete vom 18. Dezember 2015 bis Mitte Februar 2016 zur rockerfreien Zone erklärte, wurde infolge einer Schießerei im Rockermilieu verordnet, die für einen 18-Jährigen tödlich endete. Davon sind vor allem die großen Clubs – die Bandidos, Outlaws, Gremium MC, Hells Angels – betroffen. Etliche Details konnten vor Gericht nicht geklärt werden, da die Beteiligten geschwiegen hatten. Laut Staatsanwaltschaft soll es um Drogenschulden unter Aachener Hells Angels gegangen sein. Der 27-jährige Schütze habe in Notwehr gehandelt, so die Richter. Er wurde freigesprochen.

Schelhorn erwartet, dass Aachen und womöglich auch andere Kommunen für die kommende Weihnachtszeit eine ähnliche Allgemeinverfügung erlassen könnten. „Solche Pauschalurteile sind aufgrund von Einzelfällen nicht gerechtfertigt“, sagt der Präsident der Stuttgarter Hells Angels.

Sieg der Rocker vor Gericht

Bei der letzten gerichtlichen Auseinandersetzung im Streit über das Tragen von Rockerkutten triumphierten die Rocker, während die Innenministerien der Länder in letzter Instanz eine Niederlage hinnehmen mussten. Im Juli 2015 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, dass die allgemeinen Kuttenverbote, die damals in Baden-Württemberg und fast allen anderen Bundesländern bis zu einem Jahr in Kraft waren, nicht zulässig sind.

Die Begründung: Der geflügelte Totenkopf der Hells Angels und die Symbole anderer Rockerclubs können nur dann verboten werden, wenn sie in Zusammenhang mit einer verbotenen Ortsgruppe auftreten. Das trifft aber offenbar weder für die Hells Angels in Aachen noch für die Hells Angels in Stuttgart zu.

Gefährdung des öffentlichen Friedens?

Doch auch wenn der BGH der Auffassung ist, dass in einer Rockerkutte nicht automatisch ein Krimineller stecken muss, heißt das nicht, dass ein Verwaltungsgericht bei einer kommunalen Allgemeinverfügung zum gleichen Ergebnis kommen muss. Denn die Allgemeinverfügung der Stadt Aachen bezieht sich – anders der BGH-Prozess – nicht auf die Paragrafen, die sich um das Vereinsrecht drehen. Diesmal geht es um die Verwaltungsgerichtsordnung in Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit – juristisch also eine ganz andere Baustelle.

„Es ist völliger Unsinn, dass wir die Sicherheit gefährden sollen“, sagt Schelhorn. „Die Stuttgarter Hells Angels bekennen sich zum Rechtsstaat und der im Grundgesetz angelegten Freiheit. Aus ebendiesen Gründen werden wir uns gegen staatliche Diskriminierung und Kriminalisierung immer zur Wehr setzen.“ Zumindest für seine Stuttgarter Ortsgruppe dürfte er da auch aus Behördensicht recht haben. Seit über zwei Jahrzehnten ist kein Stuttgarter Hells Angel strafrechtlich in Erscheinung getreten.