Noch ist es nicht sicher, aber das Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass die Revision der Fahrverbotsurteile aus Stuttgart und Düsseldorf gemeinsam verhandelt werden könnten. Die Verhandlung wäre dann am 22. Februar.

Stuttgart - Die Landesregierung hat am Montag eine gemeinsame Linie im Streit über die in Stuttgart ab dem 1. Januar 2018 drohenden Fahrverbote gefunden und gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart die Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig (BVerwG) beantragt. Der Kläger Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte dem vorab zugestimmt. „Der Eingang wurde mir bereits vom Gericht bestätigt. So kann schnell eine umstrittene Rechts- und Kompetenzfrage geklärt werden“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montag. Die Entscheidung betreffe viele Menschen in verschiedenen Städten.

 

Die Klärung könnte tatsächlich schneller erfolgen, als vor allem die Christdemokraten beabsichtigten. Sie hatten am Freitag bei einer mehr als dreistündigen Krisensitzung im Staatsministerium vehement auf die Berufung, also die Zwischeninstanz, gedrängt. Allein diese hätte rund ein Jahr Aufschub gebracht. Sie war bei den Grünen aber nicht durchzusetzen. Fraktionschef Andreas Schwarz hatte am Wochenende gegenüber Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betont, dass die Fraktion maximal eine Sprungrevision akzeptiere. Bei den Grünen gab es auch Stimmen für die Annahme des Urteils.

Zusammenlegung ist möglich

Beim Bundesverwaltungsgericht ist bereits die Revision des Fahrverbotsurteils für Düsseldorf von September 2016 anhängig, die Entscheidung darüber soll am 22. Februar 2018 fallen. „Grundsätzlich ist eine gemeinsame Verhandlung beider Revisionen möglich“, sagte Gerichtssprecherin Birgit Schünemann auf Anfrage. Ob dies der Fall sein werde, könne man jetzt noch nicht beurteilen.

In Düsseldorf und Stuttgart geht es um die gleiche Rechtsfrage: Müssen Städte zur Luftreinhaltung wie in den Urteilen gefordert eigene Schilder konzipieren, also Fahrverbote in Eigenregie verhängen? „Wir halten das auch selbst für juristisch fragwürdig“, so Kretschmann. In der Straßenverkehrsordnung (StVO) sind für Luftreinhalte-Zonen nur das Umweltzonen-Schild und die farbigen Plaketten vorgesehen, keine anderen Schilder. In Stuttgart gilt die Grüne Plakette. Dennoch sind Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Grenzwerte weit überschritten. Einen blauen Aufkleber, der Diesel unter Euronorm 6 und Benziner unter Euro 3 ausschlösse, verweigert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Kläger begrüßt Sprungrevision

Die Entscheidung der Landesregierung wurde am Montag von der DUH begrüßt. Mit der Sprungrevision werde die Letztentscheidung beschleunigt. „Immerhin sind flächendeckende Fahrverbote für 2018 vom Tisch“, kommentierte Carsten Beuß, Hauptgeschäftsführer des Verbandes des Kraftfahrzeuggewerbes im Land, die Entscheidung. Für alle Euro-6-Diesel dürfte die Gefahr, dass sie von Fahrverboten betroffen sein könnten, nun endgültig erledigt sein, so der Verbandsvertreter.

„Die Stadt Stuttgart wird nicht warten, bis das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung getroffen hat. Wir werden alles tun, um die Stickoxid-Werte zu senken“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne). Im neuen Doppelhaushalt seien Maßnahmen für 24 Millionen Euro vorgeschlagen, das Land werde über ein weiteres Paket beraten. Hermann hatte 400 Millionen Euro für 2018 und 2019 vorgeschlagen, von denen allerdings bei der Haushaltseinbringung vergangene Woche noch keine Rede war.

BUND rechnet mit Grünen ab

Als Armutszeugnis der Landesregierung bezeichnete der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Land den Weg zur Sprungrevision. „Eine freie Fahrt für dreckige Diesel ist der Landesregierung mehr wert als ein effektiver Gesundheitsschutz“, sagte BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch. Sie sprach von einer „Bankrotterklärung für die grün geführte Landesregierung“.

Der Auto-Club Europa (ACE) forderte von der neuen Bundesregierung, den Kommunen mit der Blauen Plakette „ein effizientes Werkzeug im Kampf gegen Luftschadstoffe zu bieten“. Die Entscheidung „lässt die Besorgnis vieler Unternehmen vor Fahrverboten wieder aufflammen“, sagte Marion Oker, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart.

Demonstration der Bürgerinitiative

Die Bürgerinitiative Neckartor hatte am Montag mit rund 100 Demonstranten vor dem Staatsministerium die Annahme des Urteils gefordert. Die Demonstranten zogen zur Messstelle an der Hohenheimer Straße. Der in der Nähe der Neckartor-Messstelle wohnende Feinstaubkläger Manfred Niess sagte, die Regierung müsse den seit 2005 andauernden rechtswidrigen Zustand mit überschrittenen Grenzwerten beenden, die Autohersteller müssten Fahrzeuge auf ihre Kosten mit funktionierenden Systemen nachrüsten. Bisher, so Niess, gebe es bei Daimler nur einen sauberen Dieselmotor für die S- und E-Klasse, in andere Modelle würden Motoren eingebaut, die die Euro-6-Prüfstandswerte bis zum Achtfachen überschritten. Wegen des sogenannten Thermofensters werde die Abgasreinigung im Winter nahezu eingestellt.