Mit selbst gebauten Figuren von Familie Wasmer treten Uschi Metzger und Ursula Wasmer bei einer Benefizveranstaltung in Stuttgart-Zuffenhausen auf.

Weilimdorf - Ich mag den Eugen“, sagt Ursula Wasmer und blinzelt schelmisch. „Der ist für mich wie ein alter Ehemann.“ Irgendwie stimmt das ja auch: Denn Uschi Wasmer spielt in den Stücken der Weilemer Puppenbühne „Die Drahtzieherinnen“ Eugens Ehefrau Emma. Beim Eugen zieht Ursula Wasmer die Fäden: Beide Frauen gehören zum Gründungsteam der „Drahtzieherinnen“, die es in unterschiedlichen Besetzungen mittlerweise schon mehr als 30 Jahre lang gibt.

 

Eugen und Emma gehören zur Familie Klemmerle, deren Alltagsgeschehen die Puppenspielerinnen immer wieder auf die Bühne bringt. Der knitze Opa und die gutmütige Oma leben zusammen mit ihrem Sohn, dem zerstreuten Professor Konrad, der äußerst emanzipierten Schwiegertochter Veronika und der pfiffigen Enkelin Felicitas unter einem Dach. Natürlich sind über all die Jahre sehr viel mehr Figuren entstanden – alle selbst gebaut im Haus der Familie Wasmer in Weilimdorf, wo es im Keller auch eine Werkstatt mit verschiedenen Sägen und Schleifmaschinen gibt – und einen Hobbyraum zum Proben. Um die 50, jeweils etwa 60 Zentimeter große Puppen umfasst das feingliedrige Ensemble. Jedes Mitglied hängt an mindestens neun, manche sogar an bis zu 24 Fäden – an einem sogenannten Bross-Kreuz. So können sie fast alle Bewegungen ausführen, die auch ein Mensch machen kann.

100 Stunden Arbeit für eine Marionette

Warum die Familie Klemmerle? „Früher haben wir Stücke zu Themen wie Frieden, Atomkraft oder Frauenrechten gemacht“, erzählen die beiden Frauen. Das war in der Anfangszeit, als „Die Drahtzieherinnen“ aus der Arbeit des evangelischen Jugendwerkes Stuttgart und der Puppenbühne „Die Urmels“ hervorgegangen waren. „Die Puppen konnten problemlos Dinge sagen, die wir selbst vielleicht nicht so ohne weiteres hätten äußern können“, sagt Uschi Metzger. Mit der Zeit stellte sich allerdings heraus, dass ein feststehendes Stück irgendwann einfach nicht mehr aktuell war und auch die dafür angefertigten Puppen nicht mehr eingesetzt werden konnten. Immerhin, so erläutert Ursula Wasmer, die das Puppenbauen gelernt hat und auch Kurse gibt, muss man um die 100 Stunden Arbeit investieren, bis eine Puppe fertig ist. Mit den Klemmerles ist das anders. Das Publikum darf ihren turbulenten Alltag miterleben, in dem viele zum Zeitpunkt der Aufführung aktuelle Themen verhandelt werden – und natürlich findet sich auch manches wie-der, das die Puppenspielerinnen in ihrem eigenen Alltag erlebt haben. So zum Beispiel die Szene, in welcher Konrad verzweifelt versucht, das schlecht reparierte Hausdach zu reklamieren – und von einer Telefon-Warteschleife in die nächste gerät, weil keiner zuständig ist. Es kann aber auch ein Zeitungsartikel oder etwas anderes sein, der die Frauen zum Schreiben einer Szene anregt. Zum Proben treffen sie sich nicht regelmäßig. Aber der Gedankenaustausch am Telefon findet meist mehrmals pro Woche statt.

„Mit den Klemmerles kann man einfach alles machen“, schwärmen die beiden. Will heißen, dass sie aus ihrem Repertoire von etwa 20 Szenen für jeden Auftritt eine andere Zusammenstellung wählen können. Etwa sieben Szenen zeigen sie an einem Marionettentheater-Abend. Und selbst innerhalb der Szenen sind sie variabel: „Wir haben eine Szene, in der Emma nicht einschlafen kann und immer wieder das Licht anschaltet und Eugen weckt, um ihm Fragen zu einem Problem zu stellen, das sie beschäftigt“, erzählt Uschi Metzger. Und das treibt den armen Eugen natürlich zur Weißglut, ganz gleich, ob es sich nun um Fragen zu Mülltrennung, Stuttgart 21, zum Computerkauf oder zur Flüchtlingspolitik handelt. Nur eines bleibt gleich: Der Grundcharakter einer Figur – wenn er einmal gefunden ist. „Der entwickelt sich – wie bei einem Menschen auch“, erläutern die beiden und lachen. Zwar muss jede Spielerin bei einem Auftritt mehrere Rollen spielen. Aber – wie bei menschlichen Schauspielern – gibt es auch bei den „Drahtziehrinnen“ Charaktere, die einem liegen und solche, zu denen man weniger Zugang hat. Uschi Wasmer zum Beispiel liebt den undurchsichtigen Theodor Kuppel mit seinen buschigen Augenbrauen, den stahlblauen Augen und den lackierten Fingernägeln: „Das Schillernde finde ich gut“, schwärmt sie. „Den konnte ich auf den ersten Blick nicht leiden“, entgegnet Uschi Metzger und lacht. Sie bleibt lieber bei ihrem Eugen. Die beiden sind, wie sich das für ein altes Ehepaar gehört, miteinander durch dick und dünn gegangen. Eugen gibt es schon seit etwa 30 Jahren, und er hat im Laufe der Zeit auch graue Haare bekommen – und eine richtige Garderobe. Das haben nur die wenigsten Marionetten.

Neue Mitspielende gesucht

Auf seinen ersten Auftritt wartet übrigens noch der knallblaue, bunt gefiederte Papagei, der bei den Klemmerles in Pflege ist: „Der darf richtig frech sein und alles ein bisschen aufmischen“, verspricht Ursula Wasmer. Wenn „Die Drahtzieherinnen“ neue Mitspielende finden, könnte das die Premiere beschleunigen – denn Unterstützungen können sie im Moment gut brauchen. Seitenlang Text zu lernen braucht im Übrigen keiner. Denn „Die Drahtziehrinnen“ spielen frei. Nur der Rahmen, die Pointen und die Stichworte sind festgelegt. Interessenten können sich bei Ursula Wasmer unter 0711/ 88 66 57 oder wasmer@t-online.de melden

Info Zu sehen sind „Die Drahtzieherinnen“ am 12. Mai um 19 Uhr bei der Benefizveranstaltung mit Spargelessen im Samariterstift in Zuffenhausen, Anmeldung bei Herr Lang unter 0711/ 87 21 15; außerdem treten sie bei der Landesgartenschau in Bad Herrenalb am 18. Juni um 14 und um 16 Uhr auf.