Der Vaihinger Antonios Labis fertigt die Gebisse für die Musicaldarsteller von „Tanz der Vampire“ an. Dabei ist viel Handarbeit gefragt. Wir haben beobachtet, wie die Blutsauger-Zähne entstehen.

Vaihingen/Möhringen - Pünktlich um 9 Uhr morgens klingelt es an der Tür. Im Dentallabor von Antonios Labis an der Hauptstraße in Stuttgart-Vaihingen ist alles schon vorbereitet: Abdruckschienen in den verschiedensten Größen liegen frisch geputzt nebeneinander; der schnell aushärtende Gips zum Anmischen und ein paar Brezeln zum Frühstück stehen bereit, als Albert-Jan Kingma den Raum betritt.

 

Dass der 25-Jährige nicht auf Anhieb als Kunde für ein Gebiss infrage kommt, überlegt man sich spätestens in dem Moment, als er sich mit einem strahlenden Zahnpastawerbungslächeln und leicht gebrochenem Deutsch bei dem Zahntechnikermeister Labis vorstellt. Allerdings will der Holländer Kingma auch keine normalen Ersatzzähne, sondern vier besonders scharfe Reißzähne – schließlich verwandelt er sich bald regelmäßig am Abend in einen Vampir.

Noch schnell ein Selfie vor der Arbeit

Als Ende des vergangenen Jahres die Anfrage der Kostümbildner der Stage-Entertainment-Musicalproduktion „Tanz der Vampire“ kam, ob Labis künftig die Vampirgebisse der Darsteller, die in Stuttgart auftreten, reparieren und fertigen könne, war der Vaihinger sofort begeistert. So eng mit der internationalen Besetzung des Musicals zusammenzuarbeiten, sei eine Herausforderung, aber auch gleichzeitig eine spannende und abwechslungsreiche, kreative Aufgabe. Und da er selbst neben seiner Arbeit Musik mache, und somit irgendwie Hobby und Beruf verknüpfen konnte, sagte er sofort zu.

Mittlerweile hat Albert-Jan Kingma auf dem Untersuchungsstuhl Platz genommen, noch schnell ein Selfie mit dem Handy gemacht, bevor er sich von Labis das Prozedere erklären lässt: Nach der Trockenübung, bei der getestet wird, welche Abdruckschiene für die Kieferform des Musicaldarstellers die geeignetste ist, wird die Form mit extra schnell aushärtender Masse ausgefüllt und so der Abdruck des Kiefers genommen. Dieses Modell wird dann mit Gips ausgefüllt, der anschließend aushärten muss. Nach der ersten Bearbeitung, bei der Labis kleine überstehende Reste abträgt, wird auf dem Gipsmodell mittels des so genannten Tiefziehgeräts eine exakte Schiene angepasst.

Soweit gleicht das Prozedere dem für normale Kunden, die zum Beispiel eine Schiene zum Schutz während des Sportes tragen möchten. Erst der nächste Schritt lässt erahnen, welche Zähne Kingma bald tragen darf: Mit Hilfe von Wachs werden vier kleine Reißzähne auf die Schiene modelliert und anschließend individuell angepasst, so dass der Darsteller nicht nur sprechen und singen, sondern theoretisch auch kraftvoll zubeißen kann. Auf dieser Basis wird dann ein Silikonabdruck erstellt, der wiederum mit Kunststoff aufgefüllt dann das fertige Vampirgebiss ergibt. Eine solche Gebiss-Spezialanfertigung, wie Kingma und die anderen Darsteller des Musicals sie tragen, kostet in der Regel alles in allem etwa 350 Euro. Vom Abdruck bis zur Fertigstellung dauert es rund zwei Tage. „Schließlich ist fast alles reine Handarbeit“, sagt Labis.

Brezeln nach der Prozedur

„Sie haben einen relativ großen Kiefer“, sagt Labis beim Abdrucknehmen und lacht. Das sei allerdings irgendwie bei Musicaldarstellern immer der Fall, sagt der Zahntechniker und fügt hinzu: „Da die Masse leicht nach Vanille riecht, kann einem nicht so schnell schlecht werden.“ Nach rund 30 Sekunden entfernt Labis die Abdruckschiene aber auch schon wieder und Kingma darf Brezeln frühstücken, während der frisch angerührte Gips in der eben erstellten Form aushärtet.

Nach der Bearbeitung des Gipsabdrucks kommt das Tiefziehgerät zum Einsatz. Wichtig für die Darsteller ist nach den Worten von Labis, dass das Ausgangsmaterial für die Schiene möglichst dünn sei, da man sonst schnell das Gefühl bekomme, mit einem Fremdkörper im Mund arbeiten zu müssen. „Gerade das Singen ist am Anfang äußerst ungewohnt“, erklärt er. Und gelegentlich komme es gerade am Anfang vor, dass man sich mit den Reißzähnen auf die Lippen beiße. Das würde sich aber der Erfahrung nach schnell wieder legen.

Den Proben für das Stück sieht Kingma, der nach gut einer Stunde zurück ins Musical muss, entspannt entgegen. Dass seine Nervosität aber bis zum 15. August sicher noch ein wenig steigen wird, davon ist der 25-jährige Holländer überzeugt. Dann haben er und die Zähne aus dem Vaihinger Labor nämlich Premiere auf der Musicalbühne in Möhringen, bevor es im September mit den Reißzähnen nach Hamburg und anschließend nach Köln geht, wo Kingma als sogenannter Swing, bei dem er in bis zu neun Vampirrollen an einem Abend schlüpfen darf, dann regelmäßig seine neuen Beißerchen zeigen muss.