Die Mitarbeiter der insolventen Fluglinie Air Berlin müssen laut Vorstandschef Thomas Winkelmann nicht um ihre Arbeitsplätze zittern. Die Hilfe der Bundesregierung für Air Berlin ist derweil umstritten.

Berlin - Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin ist Vorstandschef Thomas Winkelmann zuversichtlich, viele der rund 8600 Arbeitsplätze retten zu können. „Ich glaube, trotz Insolvenz mein Ziel zu erreichen und einen Großteil der Jobs zu sichern. Das kriegen wir hin“, sagte Winkelmann der Wochenzeitung „Die Zeit“.

 

Die Hilfe der Bundesregierung für Air Berlin ist derweil umstritten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte am Mittwoch den Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro. Sie erwarte nicht, dass am Ende der Steuerzahler dafür aufkommen müsse. Zehntausende Reisende im Stich zu lassen, „weil Benzin nicht bezahlt werden kann und die Tickets verfallen, das wäre, glaube ich, nicht angemessen gewesen“, sagte sie in einer im Internet übertragenen Fragerunde.

Der irische Billigflieger Ryanair dagegen warf der Bundesregierung, Air Berlin und Lufthansa ein „offensichtliches Komplott“ vor. Ryanair reichte beim Bundeskartellamt und bei der EU-Wettbewerbskommission Beschwerden gegen eine mögliche Übernahme Air Berlins durch die Lufthansa ein. „Diese künstlich erzeugte Insolvenz ist offensichtlich aufgesetzt worden, damit Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen kann und dies widerspricht sämtlichen Wettbewerbsregeln von Deutschland und der EU“, erklärte das irische Unternehmen auf seiner Internetseite.

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Winkelmann nannte den Insolvenzantrag hingegen unvermeidbar. „Eine Insolvenz ist immer eine schlechte Nachricht, das ist kein zynisches Spielchen, das wir hier treiben“, erklärte er. Air Berlin hatte am Dienstag Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt, der Flugbetrieb ist durch den Kredit des Bundes für etwa drei Monate gesichert.

Winkelmann verhandelt mit Lufthansa und weiteren Interessenten über einen Verkauf von Teilen der Airline - zusammen mit dem neuen Generalbevollmächtigten Frank Kebekus.

Außer der Lufthansa soll Ryanair-Konkurrent Easyjet Branchengerüchten zufolge an Teilen von Air Berlin interessiert sein. Easyjet gab dazu keine Auskunft, sondern teilte mit, dass „die Angelegenheiten eines Wettbewerbers weder kommentiert, noch über mögliche Auswirkungen spekuliert“ werde.

Einzelne Unternehmensteile so veräußern, dass Steuerzahler das Geld wiedersehen

Merkel sagte, die Gefahr, dass am Ende der Steuerzahler die Rettung von Air Berlin bezahlen müsse, sei relativ gering. „Sonst hätten wir diesen Überbrückungskredit oder Brückenkredit gar nicht geben dürfen.“ Air Berlin stelle noch Werte dar, etwa über deren Landerechte.

Auch Verdi-Chef Frank Bsirske verteidigte den Kredit: „Andernfalls hätte die Fluggesellschaft ihre lukrativen Slots und Landerechte sofort verloren, was die Lage auch aus Sicht der Beschäftigten nur noch verschlimmert hätte“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag). Es gebe es eine reelle Chance, die einzelnen Unternehmensteile so zu veräußern, dass auch die Steuerzahler das Geld wiedersähen, das der Bund gewährt habe.

Aus der Unionsfraktion des Bundestages kam Widerspruch. „Die 150 Millionen Euro werden wir nie wieder sehen“, sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs dem „Handelsblatt“. Einer Civey-Umfrage für den „Spiegel“ zufolge kommen die Hilfen auch in der Bevölkerung nicht gut an. Fast 60 Prozent von mehr als 5000 Befragten hätten die Entscheidung der Bundesregierung negativ bewertet.

Das Insolvenzverfahren für Air Berlin beginnt nach Erwartung des Unternehmens am 1. November. Wie Kebekus der dpa sagte, bekommen die Beschäftigten im August, September und Oktober wie gewohnt ihr Gehalt. „Damit sie nicht bis zum November warten müssen, finanzieren wir das Insolvenzgeld mit einer Bank vor.“ Winkelmann schrieb den Mitarbeitern, alle Beteiligte arbeiteten daran, „um unseren Flugbetrieb mit Partnern in einen sicheren Hafen zu führen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern.“

Schwierig wird die Jobsuche für Verwaltungsmitarbeiter

Nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi hat das Kabinenpersonal gute Aussichten auf neue Arbeitsplätze. „Für die Kollegen in Kabine und Cockpit sind die Chancen sehr hoch“, sagte Vorstandsmitglied Christine Behle. „Schwierig ist die Zukunft für die Verwaltungsmitarbeiter“, ergänzte Behle. „Da machen wir uns große Sorgen, denn jeder mögliche Übernehmer hat ja schon eine Verwaltung.“ Die meisten Verwaltungsleute, rund 1200, seien in der Berliner Zentrale beschäftigt. Berlin und Düsseldorf sind mit insgesamt jeweils rund 2900 Mitarbeitern die größten Air-Berlin-Standorte.

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisierte die mangelnde öffentliche Aufmerksamkeit für die Anteilseigner. „Die Aktionäre müssen die Suppe auslöffeln für zehn Jahre unternehmerische Fehlentscheidungen und Missmanagement“, sagte Sprecher Michael Kunert der dpa. Seit dem Insolvenzantrag hat sich der Aktienkurs von 0,75 Euro auf etwa 0,38 Euro halbiert. Die Aktionäre der ersten Stunde haben fast alles verloren. Der Ausgabepreis für die Aktie im Mai 2006 lag bei 12 Euro.