Der laute Auftritt ist nicht ihre Sache. Maria Haller-Kindler, seit Januar Kinderbeauftragte der Stadt Stuttgart, geht ihren Vollzeitjob strukturiert, aber geräuschlos an. Die 47-Jährige und will erst mal die Stadtverwaltung und die kinderrelevanten Einrichtungen in der Stadt kennenlernen.

Stuttgart - Der laute Auftritt ist nicht ihre Sache. Maria Haller-Kindler, seit Januar Kinderbeauftragte der Stadt Stuttgart, geht ihren Vollzeitjob strukturiert, aber geräuschlos an. Die 47-jährige Religionspädagogin und Politikwissenschaftlerin, die zuvor im Bischöflichen Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart an Kita-Konzeptionen getüftelt hat, will erst mal die Stadtverwaltung und die kinderrelevanten Einrichtungen und Organisationen in der Stadt kennenlernen. „Ich bin 50 Prozent meiner Arbeitszeit unterwegs, um Gespräche zu führen.“ Dabei hat sie zwei Ziele: „Rauskriegen, wer meine Ansprechpartner sind – und welches meine Themen sind. Das ist die Basis.“

 

Wie das von Alt-OB Wolfgang Schuster (CDU) zur Chefsache erklärte kinderfreundliche Stuttgart unter seinem Nachfolger Fritz Kuhn (Grüne) noch kinderfreundlicher werden kann, will Maria Haller-Kindler mit denen entwickeln, die darin Experten seien – nämlich den Kindern. Im Herbst plane sie eine Zukunftswerkstatt, als Sponsor habe sie die Bürgerstiftung gewinnen können. „Ich werde Schulen und Kindergärten beteiligen, es wird voraussichtlich drei Altersgruppen geben.“ Und: diese sollen repräsentativ sein für eine Stadt, in der fast 60 Prozent der Kinder ausländische Wurzeln haben und der Anteil der Alleinerziehenden hoch ist.

Beispielhafte „Kinderwildnis“

Doch auch ohne diese repräsentative Expertise weiß die Mutter zweier Töchter (20 und vier Jahre alt), was den Kern einer kinderfreundlichen Stadt ausmacht: „Es geht immer um die Themen Spielmöglichkeiten für Kinder und wie sie den öffentlichen Raum nutzen können. Da muss man sich aktiv drum kümmern – und da braucht’s kreative Ideen.“ Beispielhaft sei für sie, wie mitten im dicht bebauten Stuttgarter Westen aus einem städtischen Steilhang, der zuvor an private Schrebergärtner verpachtet war, der „Naturerfahrungsraum Klüpfelstraße“ wurde. Bei den Kindern heiße der nur Kiwi – „das heißt Kinderwildnis“. Allerdings ist diese nicht von Haller-Kindler initiiert worden.

Doch wie will sich die Kinderbeauftragte, die wie ihre Vorgängerin Roswitha Wenzl zwar direkt an der Stabsstelle des OB angedockt ist, aber ebenfalls kein eigenes Budget hat, im Rathaus und in der Kommunalpolitik einbringen? „Wenn die Fraktionen Anträge an den OB stellen, habe ich die Chance, mich zu positionieren“, sagt Haller-Kindler. Sie will dafür sorgen, dass Gemeinderatsvorlagen, die Kinder betreffen, über ihren Schreibtisch gehen. Jede Kita-Vorlage? „Nein, das Thema ist im Jugendamt gut verortet – meine Aufgabe ist, Vordenkerin zu sein.“

Impulse setzen

So verfolge sie aufmerksam die Entwicklung der Ganztagsschule. Auch dort müsse geschaut werden, ob die Interessen der Kinder angemessen berücksichtigt seien und wie diese den Ganztag mitgestalten könnten. Impulse dafür könnten zum Beispiel Fachtage für Träger und Schulen setzen, die sie selbst künftig initiieren werde, kündigte Haller-Kindler an.

Wie ihre Vorgängerin setzt sie sich dafür ein, dass möglichst viele Grund- und Förderschulen am Schulfruchtprogramm der EU teilnehmen. „Ein Drittel hat schon zugesagt, das sind rund 3000 Schüler“, berichtet sie. Auch die Aktion „Gute Fee“ will sie wiederbeleben, damit Kinder in einer Bedrohungssituation öffentliche Anlaufstellen haben – „Anker auf dem Weg“, nennt Haller-Kindler das.

Effektive Unterstützung für benachteiligte Kinder

Angesichts der vielfältigen Aktivitäten ihrer Vorgängerin Roswitha Wenzl, die nun über den Förderverein Kinderfreundliches Stuttgart ihre engagierte Lobbyarbeit für Kinder weiterbetreibt, hatten sich manche gefragt, ob Stuttgart überhaupt noch eine Kinderbeauftragte braucht – etwa die SPD, aber auch die Freien Wähler. Das ist für Haller-Kindler gar keine Frage. Die Wiederbesetzung und prominente Ansiedelung der Stelle sei ein klares Statement von OB Kuhn. „Die Interessen von Kindern werden ja nicht automatisch berücksichtigt“, sagt die Kinderbeauftragte und meint damit nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Stadtverwaltung. Von den Fraktionen habe sie bereits positive Rückmeldungen erhalten, jedenfalls von CDU, Grünen, SPD und FDP.

Und noch etwas liege ihr sehr am Herzen: Stuttgart sei mit Spielplätzen, Ferienangeboten und Patenprogrammen für Kinder, etwa Vorlesepaten, zwar gut bis hervorragend ausgestattet. „Aber dass die guten Angebote auch allen Kindern zugute kommen, das ist nicht immer gewährleistet“, sagt sie. „Welches Kind kommt ohne Hilfe von anderen in eine Bibliothek?“ Gerade für die benachteiligten Kinder wolle sie sich effektive Unterstützung ausdenken. Auch dafür müsse sie „in der riesengroßen Stadtverwaltung die richtigen Hebel finden“.

Noch sei sie dort Solistin. Ein Netzwerk müsse sie sich erst noch stricken. „Und dann rühr ich die Trommel.“