Autorennen künftig ohne röhrende Motoren? Niki Lauda will der Formel E eine Zukunft geben.

Budapest - Er ist 68 Jahre alt, aber noch kein bisschen müde. Vor dem Großen Preis von Ungarn am Sonntag (14 Uhr/RTL) ist auch Niki Lauda mit den kleineren und größeren Erdbeben im Motorsport konfrontiert. Der Formel E will der Österreicher eine Chance geben, doch dem Sicherheitssystem Halo über den Autos erteilt er ein klares Nein. „Das ist die größte Fehlentscheidung, die je gemacht wurde“, sagt der Formel-1-Aufseher von Mercedes.

 
Herr Lauda, Mercedes wird die DTM verlassen und stürzt sich wie Porsche, Audi und BMW ins Formel-E-Abenteuer. Ist somit das Ende des Verbrennungsmotors eingeleitet?
Die Entscheidung von Mercedes, die DTM zu verlassen, ist für mich nachvollziehbar. 30 Jahre war man dabei, alles wurde gewonnen, da ist der Schritt verständlich. Dass die Formel E eine Entwicklung nimmt, ist auch klar.
Inwiefern?
Sie ist erst am Beginn ihrer Entwicklung. Die Autos müssen in die Garage fahren und die Fahrer von einem Rennwagen in den anderen springen. Außerdem sind es nur wenige Rennen. In der heutigen Form ist mir die Serie zu wenig fertig und attraktiv. Aber: Es ist unbestritten, dass sich die großen Automobilhersteller wirklich überlegen müssen: Wo geht die Reise hin?
Und wohin geht sie?
Sie geht in Richtung Strom, entweder kombiniert mit Verbrennungsmotor oder ausschließlich mit elektrischer Kraft. Es ist meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit, wer mit attraktiven Stromautos als Erster auf den Markt kommt. Und der wird dann das Rennen machen. Ob sich dadurch die Verbrenner komplett auflösen werden, glaube ich nicht. Es wird eine Umstellung auf Strom geben, die sich über eine längere Zeit hinziehen wird. Die Benzin-Motoren werden logischerweise parallel weiterfahren.
Geht Ihnen als Rennsportpurist, der den starken Sound der Autos und die Turbo-Ära erlebt hat, bei dieser Elektro-Entwicklung nicht der Hut hoch?
Nein, der geht mir nicht hoch, weil ich ein modern denkender Mensch bin. Ich glaube auch nicht, dass die Formel 1 in den nächsten zehn Jahren elektrisch fahren wird. So weit geht es nicht. Die Formel-1-Plattform und die Kombination mit der Formel E – das ist für Mercedes der richtige Weg. Die Formel 1 ist die ultimative Geschichte, und die Formel E die Zukunft.
Und die Fans: gehen die den neuen Weg mit?
Manche werden ihn nicht mitgehen können, weil sie sich sagen: ,Die neue Entwicklung interessiert mich nicht‘. Aber mich interessiert ja auch Facebook nicht und ich twittere nicht. Ich gehöre da einer Minderheit an, weil ich damit nichts zu tun haben will. Das Gleiche wird in der Motorsportentwicklung passieren. Die Jugend wird sagen: ,Das ist super, da gehe ich hin.‘ Wir steuern insgesamt in eine ganz neue Entwicklung hinein. Irgendwann werden die jungen Menschen da mitmachen, weil sie es gar nicht anders kennen.
Als Spezialist der Luftfahrt können Sie uns sicher sagen, wann wir mit Strom in den Urlaub fliegen?
Unmöglich. Stromflugzeuge sind aufgrund der Batteriegewichte und anderer Schwierigkeiten nicht einsetzbar. Das Auto wird 100 Mal früher dran sein als das Flugzeug. Ich spüre auch nicht, dass sich gerade irgendjemand dieser Frage annimmt. Und warum? Weil er keine Lösung hat.
Ein anderes Thema: Ihrer Ansicht nach ist Halo, der ab 2018 geplante neue Kopfschutz über dem Cockpit, auch keine Lösung?
Das ist die größte Fehlentscheidung, die je gemacht wurde. Sicherheit ist wichtig, keine Frage. Aber das Restrisiko, das die Formel-1-Fahrer heute haben, ist zu vernachlässigen. Die Strecken sind breiter und die Räder sind an zwei Seilen angehängt, die können nicht mehr herumfliegen. Aber es ist wie im Skisport: Jeder Rennfahrer muss wissen, dass er ein Restrisiko hat. Er muss also entscheiden, ob er dieses Risiko eingehen will oder nicht. Es gibt risikobereitere Piloten und weniger risikobereite. Aber mit der Halo-Entscheidung ist die Sicherheitsgarantie nicht 100 Prozent gelöst.
Wie meinen Sie das genau?
Es wurde ewig lang an verschiedenen Varianten herumgebastelt. Es ist nicht ausgetestet, dass wir auch wirklich einen Erfolg damit haben werden. Abgesehen davon haben wir jetzt neue Formel-1-Autos gebaut. Sie schauen geil aus, die Rennen sind super und die Zuschauerzahlen gehen in die Höhe. Und dann machen wir da so einen Käfig auf diese Autos drauf. Diese Entscheidung schadet der Formel 1.
Der Weltverband Fia hat die Entscheidung getroffen.
Die Fia hat Halo durchgedrückt, weil sie Angst hat vor irgendwelchen rechtlichen Problemen hat, die sie bekommen könnte. Nur muss sich die Fia auch irgendwann mal sagen: das ist Rennsport. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.
Zu 100 Prozent imitiert Sie übrigens der Österreicher Alex Kristan. Um nicht zu sagen: der Comedy-Star ist besser als das Original.
Der ist unglaublich. Ich kenne ihn natürlich, und habe ihn deshalb selbst zum Österreich-Grand-Prix eingeladen.
Der nimmt Sie auch sehr aufs Korn – Sie können offenbar einstecken.
Damit habe ich überhaupt kein Problem. Alex ist der Beste.
Seit fast 50 Jahren sind Sie im Formel-1-Zirkus. Wie lange geht das noch so weiter?
Toto Wolff und ich haben bis 2020 unterschrieben. Danach schauen wir weiter. Mir macht es immer noch Spaß. Und je größer die Herausforderungen sind, desto schöner. Die Schwierigkeiten im Kampf gegen Ferrari in diesem Jahr, die bauen mich auf, noch besser zu werden. Perfekt!