ARD und ZDF müssen bald ohne Olympische Spiele und Champions League auskommen. Über Umstellungen für die Öffentlich-Rechtlichen, die Zuschauer und für den Sport.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Baden-Baden - Im Westen der Stadt, am Fuße des Fremersbergs, ist Baden-Baden noch ein kleines bisschen gediegener als sowieso schon. In den Villengärten plätschern Springbrunnen dezent vor sich hin und Rasensprenger tun unter schattenspendenden Bäumen ihren Dienst. Das sind hier aber nicht die herkömmlichen Plastik-Kippteile aus dem Baumarkt, sondern verzinkte Kreis-Hochregner aus dem britischen Designerstudio. Inmitten dieser grünen Landlord-Oase sieht das SWR-Funkhaus nach Stilbruch aus. Zweckbau an blühendem Park-Bouquet, sozusagen. Auch das Innenleben im ARD-Sender geht für die Gegend untypisch bescheiden vonstatten.

 

Harald Dietz sitzt in einem von einem Tischventilator nur notdürftig gekühlten Drei-Mann-Büro. Der SWR-Sportchef ist für zwei Tage aus Stuttgart nach Baden-Baden gekommen, um ein wegweisendes Fernsehprojekt in Augenschein zu nehmen. Erstmals übertragen von hier aus ARD und ZDF mit dem Confed-Cup eine wichtige Sportveranstaltung zusammen und teilen sich ein Studio. Das Turnier ist auch für die öffentlich-rechtlichen Sender der Testlauf für die Fußball-WM im nächsten Jahr in Russland. Denn 2018 wollen ARD und ZDF ihre Übertragungszentrale nicht im Gastgeberland aufbauen, sondern in Deutschland belassen. „Der technische Fortschritt macht das möglich“, sagt Harald Dietz, der für die ARD beim Turnier 2018 als Teamleiter fungieren wird. Außerdem ist diese Variante natürlich billiger.

Ums Geld ist es zuletzt bei ARD und ZDF oft gegangen. Um Geld, das die Sender am Ende häufig nicht für Übertragungsrechte ausgeben wollten. „Für uns gibt es Schmerzgrenzen, wo wir nicht mehr mitbieten können“, sagt Harald Dietz. Und deshalb werden die Olympischen Spiele von 2018 bis 2024 nicht mehr in ARD und ZDF zu sehen sein. Der amerikanische Discovery-Konzern hat sich das entsprechende Rechtepaket für jeweils zwei Winter- und zwei Sommerspiele für insgesamt 1,3 Milliarden Euro gesichert, um sie dann vom eigenen Sender Eurosport übertragen zu lassen.

Herbe Verluste für ARD und ZDF

Neben Olympia haben die Öffentlich-Rechtlichen zuletzt weitere herbe Sportverluste hinnehmen müssen. Die Länderspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sind zu RTL abgewandert, das ZDF verliert von der Saison 2018/2019 an seine Zugriffsrechte auf die Champions League, die künftig exklusiv im Bezahlsender Sky und kostenpflichtig im Internetportal DAZN zu sehen sein wird. „Das ZDF hat ein sehr gutes Angebot abgegeben. Wir hatten dafür aber eine klar definierte Obergrenze“, sagt der ZDF-Intendant Thomas Bellut und räumt ein: „Für die Fans ist das eine schlechte Nachricht.“ Ein schwacher Trotz für die Anhänger, die für die Champions League nichts zahlen wollen oder können, dürfte es sein, wenn Bellut in Aussicht stellt: „Anstelle der Übertragungen können wir künftig in andere hochwertige Programmangebote investieren.“ Ein Zitat, auf das der Kabarettist René Steinberg so reagierte: „Jetzt ist ja zum Glück das Geld da für eine Vertragsverlängerung mit Rosamunde Pilcher.“ 70 Millionen Euro soll das ZDF für die Champions League pro Jahr geboten haben. Es heißt, dass Sky und DAZN nun das Dreifache dafür bezahlen.

Einige Sportfans finden die TV-Entwicklung nicht mehr witzig und stellen zum Beispiel in Internetforen die ernst gemeinte Frage, ob es denn kein Grundrecht auf die öffentlich-rechtliche Übertragung von Sportgroßereignissen gebe. Die Antwort darauf liefert der Rundfunkstaatsvertrag. Dort sind die Übertragungsmodalitäten der Sender geregelt. Der Vertrag sieht vor, dass einzelne Sportereignisse in Deutschland frei empfangbar übertragen werden müssen. Dazu gehören Olympische Spiele, einzelne Partien der Fußball-Welt- und -Europameisterschaften sowie die Endspiele in der Champions League und Europa League, sollte eine deutsche Mannschaft beteiligt sein. Eine verpflichtende Ausstrahlung bei den Öffentlich-Rechtlichen ist darin aber nicht verankert. Olympische Spiele bei Eurosport entspricht also den Vorgaben; ebenso die Champions League exklusiv bei Sky, wo ein Finale mit deutscher Beteiligung hinter der Bezahlschranke hervorgeholt und im frei empfangbaren Sky News Sport HD gezeigt werden könnte. Seit dem Jahr 2000 ist die Sportliste im Rundfunkstaatsvertrag, die von den Ministerpräsidenten der Länder ergänzt werden kann, nicht mehr verändert worden. Das Grand-Slam-Tennisturnier in Wimbledon oder die Handball-WM tauchen auf der Liste überhaupt nicht auf.

Der ganze große Aufschrei bleibt aber trotzdem aus. Da können die Champions- League-Partien ins Bezahlfernsehen abtauchen und die Olympischen Spiele von einem für seinen besonders unkritischen Sportjournalismus bekannten Sender übertragen werden. „Home of Olympic Games“ nennt sich Eurosport nach dem TV-Rechte-Coup. An diese neue Verortung muss man sich erst einmal gewöhnen. Das gilt nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für die Sportler selbst. Viele von ihnen bedauern die Entwicklung weg von den Öffentlich-Rechtlichen. In Zeiten der immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung befürchten vor allem Vertreter aus weniger populären Disziplinen, noch weniger Fernsehzeit zu bekommen. Der zweifache Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste gehört da nicht dazu, der sich von Eurosport „frischen Wind und ein vielfältigeres Angebot“ in der Olympia-Berichterstattung verspricht. „Was ARD und ZDF zuletzt geboten haben, hat mich nicht mehr überzeugt“, sagte Fürste der „Bild“-Zeitung. Eine Aussage, die bei den Öffentlich-Rechtlichen doch Verwunderung ausgelöst hat. In der Tat sind die deutschen Hockey-Mannschaften bei den Olympia-Übertragungen zuletzt nun wirklich nicht zu kurz gekommen.

Ein Rätsel ist es für die Sportverantwortlichen bei ARD und ZDF auch, wie die Konkurrenz die horrenden Summen für die TV-Rechte über Werbeeinnahmen refinanziert bekommt. SWR-Sportchef Harald Dietz äußert sich so: „Wenn Firmen halbwegs klug und gewissenhaft mit ihrem Sponsoringetat umgehen, lassen sie schon wegen der Zeitzonen und geringen Reichweiten zumindest von den Olympischen Spielen 2018 und 2020 die Finger, oder es gibt Schnäppchenpreise. Dann besteht aber meiner Meinung nach nicht annähernd die Chance einer Refinanzierung.“

Löst die Kommerzialisierung den großen Knall aus

Die Winterspiele 2018 finden im südkoreanischen Pyeongchang statt, Sommer-Olympia zwei Jahre später in Tokio, was in Deutschland viel Übertragungszeit in der Nacht bedeutet und was dann natürlich auf ein entsprechend geringeres Zuschauerinteresse stößt.

Auch auf die Fußballfans in Deutschland kommt ein ungewohnter Zeitplan zu. So wird es in der am 18. August beginnenden Erstligasaison insgesamt fünf Montagsspiele geben. Noch unübersichtlicher macht die ganze Sache, dass neben Sky mit Eurosport 2 ein weiterer Bezahlsender TV-Bundesligarechte hält. Sollten sich beide nicht über die Verbreitung des Freitagsspiels einigen, bräuchte eine Kunde, der alle Spiele sehen will, gleich zwei Abos.

Die Kommerzialisierung gerade des Fußballs macht es für den Zuschauer immer schwieriger und teurer. Was die Frage aufwirft, wie lange er noch mitspielt. „Es liegt an den Vereinen und Verbänden, ob die Blase irgendwann platzt, oder ob der Fußball weiter ein Massenerlebnis bleibt“, sagt Harald Dietz. Während der Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, meint: „Irgendwann knallt es.“

Diese Einschätzung wird von der bisher größten wissenschaftlichen Studie gestützt, an der über 17 000 Fans teilgenommen haben. Der Sportökonom André Bühler, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, fasst das Ergebnis zusammen: „Die Entfremdung des Profifußballs von seiner Basis wird als eines der Hauptprobleme genannt. Eine breite Mehrheit stimmt zu, dass die Vermarktung von Clubs notwendig ist. Mehr als die Hälfte aller Befragten gibt jedoch auch an, sich abzuwenden, wenn die Kommerzialisierung sich weiterhin so entwickelt. Das ist ein klares Warnsignal an die Entscheidungsträger.“

Und nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang natürlich auch, dass es schon jetzt viele Leute gibt, denen der Sport reichlich egal ist und die deshalb überhaupt kein Problem damit haben, dass weder die Olympischen Spiele noch Champions-League-Spiele künftig in ARD und ZDF zu sehen sein werden.