Auf Einladung von Stuttgarter Zeitung, Roland Berger und der L-Bank suchen Experten aus Politik und Wirtschaft Lösungen für die aktuelle Krise im Wohnungsbau, unter der inzwischen fast alle Regionen in Baden-Württemberg massiv leiden. StZ-Leserinnen und -Leser können vor Ort dabei sein.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Der Wohnungsbau in Baden-Württemberg steckt in einer tiefen Krise. Und das gilt fast für jede Region im Land. Aktuelle Zahlen untermauern den Eindruck eines tiefen Absturzes. In zehn von zwölf Regionen und in 39 von 44 Stadtkreisen sind die Baugenehmigungen für Wohngebäude im ersten Halbjahr teils drastisch zurückgegangen, sagt eine aktuelle Untersuchung des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbandes Deutschland (IVD).

 

Minus 43 Prozent in der Region Hochrhein-Bodensee und minus 37 Prozent in der Region Hochrhein-Neckar sind Werte, die seit der Wiedervereinigungskrise nach der Jahrtausendwende nicht mehr erreicht wurden. Auch in der Region Stuttgart gingen die Baugenehmigungen um 23,3 Prozent zurück. Nur Neckar-Alb und Bodensee-Oberschwaben stemmen sich noch gegen den Trend. Der Regierungsbezirk Tübingen liegt als einziger in Baden-Württemberg mit 2,8 Prozent noch leicht im Plus. Auch wenn es in anderen Bereichen wie dem öffentlichen Hochbau besser aussieht, braut sich hier auch gesellschaftlich und sozial eine Krise an. Schon in den vergangenen Jahren ist der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen nicht ansatzweise gedeckt worden.

Diskussion über Lösungen

Am 12. Oktober wird all dies Thema bei einem Podiumsgespräch der Stuttgarter Zeitung sein – in Kooperation mit der Unternehmensberatung Roland Berger sowie der L-Bank. Leiten wird es StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs. Vier Gesprächspartner aus Politik, Wirtschaft und Baukultur werden über Auswege diskutieren.

Das Land Baden-Württemberg versucht inzwischen gegenzusteuern. So hat die Landesbauministerin Nicole Razavi, die auf dem Podium vertreten sein wird, eine Entbürokratisierung versprochen. Sie hat den digitalen Bauantrag auf den Weg gebracht und will die Einspruchsmöglichkeiten von Nachbarn gegen Bauvorhaben begrenzen. Außerdem hat das Land im Januar Fördergelder von 6000 Euro je gebauter Wohneinheit versprochen. Das Vorhaben ist immer noch in der regierungsinternen Abstimmung – das Geld gäbe es aber auch rückwirkend.

Fördergelder sind verbraucht

Die für den sozialen Wohnungsbau ursprünglich vorgesehenen Fördergelder waren allerdings bereits im Mai aufgebraucht. Sie sollen zwar im kommenden Jahr erneut aufgestockt werden, aber es ist unsicher, ob das der Nachfrage standhält. Doch die Forderungen der Baubranche gehen weiter. So solle das Land für eine gewisse Zeit auf die Grunderwerbsteuer verzichten, fordert der Verband der Bauwirtschaft.

Kein Raum für Visionen

Einer, der die wachsende Vorsicht gerade bei kreativen, mutigen Projekten ganz besonders spürt, ist Andreas Hofer, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung (IBA) ’27. „Ich weiß wirklich nicht, ob die Wohnungsbaubranche in ein paar Monaten noch so da ist, wenn es so weitergeht“, sagte er unserer Zeitung bereits vor einiger Zeit. Er will im Rahmen der Bauausstellung verstärkt dabei helfen, trotz schwieriger Zeiten noch Investoren für die innovativen Konzepte der Bauausstellung zu finden – etwa die Verbindung von Wohnen und Arbeiten. Einige Projekte stehen allerdings auf der Kippe. Der Schweizer, der Architektur an der ETH Zürich studierte, sieht die in Deutschland besonders komplexen und langwierigen planerischen und politischen Prozesse immer wieder als entscheidende Hürde.

Was macht die Bundesregierung?

Zuletzt musste ein weiterer Diskussionsteilnehmer, der Chef von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia, Rolf Buch, unangenehme Nachrichten verkünden: einen Milliardenverlust nach hohen Abschreibungen. Auch wenn es wegen des aktuell hohen Wohnraumbedarfs bei den Mietwohnungen des Konzerns praktisch keinen Leerstand gibt, verloren die Immobilien dennoch im ersten Halbjahr mehr als sechs Milliarden Euro an Buchwert. „Ich wundere mich, dass die Bundesregierung so wenig gegen die Wohnungsnot unternimmt“, sagte Buch in einem Interview.

Drohende Unternehmenspleiten

Kai-Stefan Schober, Branchenexperte und Unternehmensberater bei Roland Berger, hatte zu Jahresbeginn die Lage noch grundsätzlich optimistisch gesehen. „Wenn man die Entwicklung der letzten zwei, drei Jahre betrachtet, kann man die Verlangsamung auch bis zu einem gewissen Maß erst einmal als Schritt zurück in Richtung Normalität interpretieren“, sagte er damals. Doch inzwischen geht es gerade bei Unternehmen, die auf den Wohnungsbau spezialisiert sind, an die Existenz. So meldet laut Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo aktuell jede achte Baufirma finanzielle Probleme.

Leserinnen und Leser können die Diskussion nach vorheriger Anmeldung in der Rotunde der L-Bank verfolgen. Zudem können Moderator Joachim Dorfs vorab eigene Fragen geschickt werden.

So können Sie teilnehmen

Gesprächsreihe „Zukunft der Region“.
Die Stuttgarter Zeitung veranstaltet gemeinsam mit der L-Bank und der Unternehmensberatung Roland Berger seit vielen Jahren Gespräche zur „Zukunft der Region“.

Termin
Die aktuelle Podiumsdiskussion zum Thema „Bauen, Wohnen, Arbeiten – Wege aus der Krise“ findet am Donnerstag, 12. Oktober, in der Rotunde der L-Bank statt. Die Adresse: Börsenplatz 1 in Stuttgart. Das Gespräch beginnt um 19 Uhr.

Anmeldung
Die Leserinnen und Leser, die vor Ort dabei sein wollen, können sich unter www.zeitung-erleben.de/Baukrise anmelden; jeweils maximal zwei Personen. Es gibt verfügbare Plätze für 300 Zuhörerinnen und Zuhörer.

Fragen
Wer der Expertin und den Experten eine Frage stellen möchte, sendet bitte an chef@stuttgarter-zeitung.de eine Mail.