RB-Sportdirektor Ralf Rangnick denkt vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart auch an eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Trainer Ralph Hasenhüttl – und an einen Titel mit den Leipzigern.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Ralf Rangnick hat RB Leipzig in die Bundesliga und zur Vizemeisterschaft geführt. Nun kommt es erstmals zum Duell mit dem VfB Stuttgart. Der Ex-Coach der Stuttgarter sagt: „Es wird sicher kein leichtes Spiel.“

 

Herr Rangnick, am Dienstag hat RB Leipzig erstmals in der Champions League gewonnen. Am selben Tag mussten Sie aber auch die Nachricht vom Tod Ihres Jugendkoordinators, Thomas Albeck, hinnehmen. Konnten Sie den Sieg Erfolg in der Königsklasse da überhaupt ein bisschen genießen?

Der Tag war alles andere als leicht, aber ich habe mir einfach vorgestellt, dass dieses Spiel, dieser Sieg auch für ihn war. Dass er sich auch sehr darüber gefreut hätte. Aber die Stimmung war – vor allem bei Frieder Schrof, Helmut Groß und mir – schon sehr gedämpft.

Wie groß ist die Lücke, die Thomas Albeck hinterlässt?

Riesig – sowohl menschlich, als auch fachlich. Ich kannte Thomas ja schon seit 40 Jahren. Wir haben die Lehrgänge für die B-Lizenz, die A-Lizenz und für den Fußballlehrer nicht nur gemeinsam absolviert, sondern haben auch jeweils gemeinsam auf einem Zimmer gewohnt und sind gemeinsam nach Köln gefahren. Auch danach haben wir uns beinahe täglich gesehen, ich habe ihn dann zum VfB Stuttgart geholt und vor fünf Jahren zusammen mit Frieder Schrof nach Leipzig. Wie gesagt: Gerade für uns, die wir Thomas lange kannten, war die Nachricht von seinem Tod ein schwerer Schlag.

Der bereits angesprochene Premierensieg in der Champions League gegen den FC Porto – wie wichtig war er für Ihren Verein, für die Mannschaft abgesehen von diesem tragischen Ereignis? Also rein sportlich?

In die beiden vergangenen Spiele in Dortmund und gegen den FC Porto sind wir jeweils sicher nicht als Favorit gegangen – aber wir haben beide verdient gewonnen. Die Art und Weise, wie wir da jeweils aufgetreten sind, hilft uns in der Entwicklung der Mannschaft sicher noch einmal weiter.

Wie Rangnick seine Mannschaft zusammenhalten will

Die Champions League ist sportlich eine neue Herausforderung für RB Leipzig. Eine andere sind die Begehrlichkeiten, die die starke vergangene Saison geweckt hat. Es gab Gerüchte, Angebote, Wechselvereinbarungen – wie sind Sie mit alldem zurechtgekommen und umgegangen?

Wir haben ja relativ früh klargestellt, dass wir keinen Spieler abgeben werden. Genau das haben wir dann auch getan.

Naby Keita verlässt den Verein im kommenden Jahr – das ist jetzt schon klar.

Aber auch diesem Wechsel hätten wir nicht zugestimmt, wenn es da nicht eine Klausel im Vertrag gegeben hätte. Wichtig war, dass wir auch da frühzeitig klare Verhältnisse hatten. Darüber hinaus wollen wir jeden Spieler bei uns halten und streben auch die eine oder andere vorzeitige Vertragsverlängerung an.

Wie ging die Mannschaft mit diesen Themen um?

Da gab es aus meiner Sicht keine Probleme. Dass eine solch starke Saison mit vielen jungen und hoch talentierten Spielern Begehrlichkeiten weckt, ist völlig normal. Das ist eine logische Folge unserer Entwicklung.

Und dennoch Sie sind sicher, dass die jetzige Mannschaft – mit Ausnahme von Naby Keita – noch einige Jahre zusammen bleibt?

Das ist das Ziel. Aber es hängt ja auch immer von unserer sportlichen Entwicklung ab. Wir haben vor Jahren Spieler in der vierten und dritten Liga zu uns geholt. Denen haben wir damals gesagt: Wenn eure Entwicklung parallel zu der des Vereins verläuft, ist alles gut. Dann gibt es auch keinen Grund, wegzugehen. Sollte sich ein Spieler mal schneller entwickeln als der Verein, dann kann es aber durchaus geschehen, dass uns auch mal einer verlässt. Umgekehrt gilt das aber natürlich auch.

In dieser Saison…

…läuft wieder Vieles im Gleichschritt. Es gibt nur Gewinner, beide Seiten profitieren – und sollte dies so bleiben in den nächsten Monaten, sehe ich keinen Grund, weshalb jemand den Wunsch haben sollte, uns zu verlassen.

Rangnick traut Timo Werner noch viel zu

Glauben Sie, dass diese parallele Entwicklung auch im Fall von Timo Werner noch einige Jahre Bestand haben wird?

Ja. Ich bin ziemlich sicher, dass Timo seine Zukunft in den nächsten Jahren in Leipzig sieht.

Zuletzt hatte er Probleme aufgrund einer Blockade der Halswirbelsäule. Wie ist der aktuelle Stand?

Er hat gegen den FC Porto rund 20 Minuten gespielt, hat sich gut gefühlt und es gut gemacht. Es ist daher gut möglich, dass er gegen den VfB von Beginn an auflaufen wird.

Im Zuge seiner jüngsten Probleme war viel von Belastungen, auch Überlastungen die Rede.

Timo hatte bis vor drei Wochen praktisch gar keine Pause. Dann hat sich sein Körper diese Auszeit selbst genommen.

Klingt fast, als sei er ein wenig verheizt worden.

Ich denke, es gibt kaum einen Club, der die Dinge so ganzheitlich angeht, wie wir das tun. Wir achten auf unterschiedlichste Facetten. Deshalb war wichtig, dass wir das alles mit sehr viel Sorgfalt behandelt haben. Wir haben immer die langfristige Karriere der Spieler im Blick, daher waren wir uns alle einig, dass es wichtiger ist, dass Timo topfit zurückkommt. Die kleine Auszeit und die damit verbundene Regeneration hat ihm gutgetan.

Timo Werner kam als Absteiger vom VfB, nun gilt er als Deutschlands Topstürmer. Hat ihn diese Entwicklung verändert?

Ich glaube nicht, dass er sich grundsätzlich als Mensch verändert hat. Ich kenne Timo ja schon, seit er 16 Jahre alt war – und er war immer ein feinfühliger Mensch, der sensible Antennen hat. So ist er immer noch. Er wurde hier mit offenen Armen empfangen – und ich glaube, dass das eine Voraussetzung für seine Entwicklung war.

Inwiefern?

Dass er über besondere Anlagen verfügt, war schon klar, als Timo noch 16 Jahre alt war. Aber die Jahre danach haben gezeigt, dass eine Entwicklung eben nicht unabhängig von äußeren Umständen verläuft. Timo ist kein Spieler, der immer funktioniert, ganz egal, was um ihn herum passiert. Bei ihm kommt es schon auch darauf an, wie man mit ihm umgeht, wie er behandelt wird, wie man auf ihn eingeht.

Das Spiel gegen seinen Ex-Club VfB

Ist er besonders heiß auf die Partie gegen den VfB?

Ich denke nicht, dass Timo Revanche-Gefühle oder Ähnliches in sich trägt. So ist er nicht gestrickt. Der VfB liegt ihm immer noch am Herzen. Dass er ein gutes Spiel machen möchte liegt vor allem daran, dass wir gerne die drei Punkte haben wollen, um uns oben in der Tabelle festzusetzen.

RB spielte zuletzt gegen Borussia Dortmund und den FC Porto. In der kommenden Woche stehen die Duelle gegen den FC Bayern im Pokal und in der Liga an. Darf sich der VfB Hoffnungen machen, dass Ihr Team dazwischen ein wenig durchatmet?

Sicher nicht. Denn der Auswärtssieg in Dortmund gewinnt erst so richtig an Wert, wenn wir nun auch unser Heimspiel gegen den VfB gewinnen.

Wie schätzen Sie den VfB ein?

Der VfB hat eine Mannschaft, die ausgewogen zusammengestellt ist und versucht, guten Fußball zu spielen. Für uns wird es sicher kein leichtes Spiel.

Und danach folgt der große Angriff auf den großen FC Bayern?

Wir beschäftigen uns nur mit dem jeweils nächsten Gegner – und der heißt VfB Stuttgart. Ab Sonntag geht es dann um den FC Bayern.

Das sind doch aber sicher besondere Spiele.

Wir haben vor viereinhalb Jahren noch in der Regionalliga gespielt, da ist jedes Spiel in der Bundesliga besonders, da gibt es noch keine Routine.

Hasenhüttl: Ein Trainer für die Bayern?

Apropos Routine: Der FC Bayern hat Jupp Heynckes zurückgeholt. Waren Sie überrascht?

Wenn ich ehrlich bin: nein. Ich habe direkt nach der Freistellung von Ancelotti gedacht, dass es mich nicht wundern würde, wenn die Bayern Ottmar Hitzfeld oder eben Jupp Heynckes holen würden. Und so ist es ja nun auch gekommen.

Die Münchner sind auf der Suche nach einer Lösung für die Zukunft. Haben Sie Sorge, dass Sie auch bei Ihrem Trainer Ralph Hasenhüttl vorstellig werden?

Ralph hat bei uns noch einen Vertrag bis Sommer 2019 – und wir werden uns in der Winterpause sicher auch damit beschäftigen, den Kontrakt eventuell vorzeitig zu verlängern. Ralph fühlt sich hier sehr wohl, wir sind mit ihm und unserem Trainerstab herausragend besetzt. Es gilt auch in diesem Fall das, was ich auch über die Spieler gesagt habe: Es gibt derzeit für niemanden einen Grund, über etwas anderes nachzudenken.

Also verlängern auch Sie Ihren Vertrag bald vorzeitig über 2019 hinaus?

Die Vertragslaufzeit ist derzeit lange genug. Aber mir macht der Job hier sehr viel Spaß – und deshalb kann ich mir auch sehr gut vorstellen, noch über 2019 hinaus hier tätig zu sein.

Das Projekt RB Leipzig ist für Sie also noch lange nicht abgeschlossen?

Für mich war das nie ein Projekt, sondern vom ersten Tag an eine Vision, eine ganze Stadt und Region emotional mit auf die Reise zu nehmen.

Gehören auch Titelgewinne zu Ihrer Vision?

Wir werden jetzt nicht plötzlich forsch Ziele formulieren, es geht nur über einen Entwicklungsprozess. Und mit diesem sind wir sehr zufrieden. Im Sommer zum Beispiel haben wir mit unseren Neuzugängen viele Volltreffer gelandet. Wenn wir es nun schaffen, die Mannschaft beisammen zu halten, weiter zu entwickeln und zu verstärken, kann es irgendwann auch einmal passieren, dass wir einen Titel holen. Die Erfahrung der vergangenen zehn Jahre hat mir gezeigt, dass das auch mit jungen, erfolgshungrigen Spielern möglich ist. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen.