Zurück an die alte Wirkungsstätte: Mit "Red Dog Returns" werden im Climax die guten alten Zeiten für eine Nacht wiederaufleben und die ehemaligen Betreiber Tiefschwarz für einen musikalischen Flashback sorgen. Feierbiester erinnern sich.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - "Das Red Dog war schon zu seinen 'Lebzeiten' eine Art Mythos", wissen Feierbiester von früher zu berichten. Über den Club, der von Ali und Basti Schwarz aka Tiefschwarz betrieben wurde, habe man in der Stadt geredet, zeitweise sei es der einzige Laden in Stuttgart gewesen, in dem House lief. Dieser etwas wärmere, sanftere Vocal-House war es auch, der das Red Dog ausmachte, genauso wie die etwas außergewöhnlicheren Party-Reihen, die Einführung des "Hip-Hop-Mittwochs", die Sommerausflüge als "Red Dog goes Gassi" ins Waldheim Raichberg und die After-Hour bis 12 Uhr mittags.

 

Kein Wunder bringt das Climax mit der Party "Red Dog Returns" seinen Vorgänger an der Calwer Straße zurück an seine alte Wirkungsstätte. Club-Manager Florian Buntfuss freut sich sehr auf den Abend und weiß: "Dem Besitzer Michael Gottschalk war es ein sehnlichster Wunsch, dass dieses Date stattfindet." Man habe richtig Vollgas gegeben, um das Event auf die Beine zu stellen und Tiefschwarz in der alten Hood willkommen heißen zu können. Und es wird einiges aufgefahren an diesem ganz anders verrückten Halloween-Abend.

Unter anderem werden die Speaker von früher an der Tür stehen, um das Red-Dog-Publikum von damals herausfiltern. "Dieses Aufeinandertreffen wird sicherlich ein warmer Moment sein", so der 37-Jährige. Die Red-Dog-Party läute damit auch den letzten Tag des Climax-Jubiläumsmonats ein - und zwar mit einem Paukenschlag. "Passender geht's nicht." Flo sei besonders gespannt auf die Musik, die Leute und die Geschichten, die vor Ort aus dem Nähkästchen geplaudert werden.

Jetzt kommen aber erstmal ein paar Partyanimals zu Wort, die in Erinnerungen schwelgen, ihre Dankbarkeit, damals dabei gewesen zu sein, zum Ausdruck bringen und das (Nacht-)Leben auch heute noch zu feiern wissen.

Matthias Straub (St. Malo):

Ich erinnere mich noch an einige sehr lustige Abende im Red Dog, zum Beispiel als auf einmal die Fantas aufgetaucht sind, übertrieben viel Michael Jackson gespielt wurde und irgendwann alle im Club komplett verschwitzt und oben ohne getanzt haben – Jungs und Mädels (!).

Martin Elbert (Ram / Kessel.TV):

Im Red Dog habe ich damals meinen 20. Geburtstag gefeiert, das war im März 1997. Mein Geburtstags-DJ sozusagen war Felix Da Housecat, der an diesem Abend gebucht war. Davon weiß ich allerdings nicht mehr viel, außer dass es großartig war - und eine Freundin von mir nach dieser Nacht den House-Flash mit "die ganze Nacht nonstop durchtanzen kann eine Erleuchtung sein und geht ja nur auf die Musik" hatte. Außerdem war Felix da Housecat damals noch ein versierter, fokussierter House-DJ - er ist längst eine Vollgas-Entertainment-Maschine.

Man muss das Red Dog im Kontext von damals und im Vergleich zu heute sehen - das Stuttgarter Nightlife Mitte der 90er, House in Deutschland Mitte der 90er. Heutzutage läuft ja grob gesagt in jedem Club/Bar entweder Hip-Hop oder eben elektronische Musik. Also egal, ob du ins Kowalski, Climax, die Schräglage oder meinetwegen in die Tequila Bar gehst, es kommt immer irgendwie „Club-Musik“. Die hat sich in den letzten zwanzig Jahren auf breiter Ebene durchgesetzt und ist eine Errungenschaft der 90er Jahre sozusagen. Wenn du aber damals auf House/Techno (oder Hip-Hop) feiern wolltest, musstest und konntest du gezielt in ein, zwei oder drei Läden gehen. Und das waren dann Clubs. Alles andere waren Discos. In Discos läuft Radiomusik. In Clubs nicht. Wir waren früh Techno-House-interessiert und wollten in die Clubs, wir mussten zum Angebot, das rar war. Musik stand im Fokus. Und man war, auch wenn die Love Parade zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich explodiert ist und Techno natürlich schon sehr weit verbreitet war, immer noch eine Art „Party-Außenseiter“. Die anderen Menschen gingen halt in ihre Mixed-Music-Disco oder Kneipe.

Eigentlich waren wir anfangs mehr Raver und standen auf Techno, aber das hat sich Mitte der 90er nach und nach gewandelt, eben auch durch den Einfluss von M1 und Red Dog. Als das erste M1 (heute ungefähr Ufa-Palast) zum Jahreswechsel 1995/96 geschlossen hatte, gingen wir erst einmal ins "Tier", das aber im Juni 1996 schloss und es dann wirklich nur noch das Red Dog gab, wo House lief. Nochmals: Es lief also in genau einem Laden in Stuttgart House beziehungsweise elektronische Tanz-Musik, wie man heute sagt. Das ist genau der Grund, warum ich zwischenzeitlich nur laut lachen muss, wenn mal wieder ein Laden zumacht und irgendwelche "Hörschte" das Ende der "Subkultur" heraufbeschwören.

Das Red Dog war prinzipiell ähnlich aufgebaut wie das Climax heute, DJ-Pult und Bar waren an derselben Position (das DJ-Pult auf jeden Fall), es war alles etwas rötlicher und wenn man die Treppen herunter kam, waren gleich links zwei große Sofa-Ecken. Der Vibe war durchweg positiv, nie Aggressivität, was natürlich an der musikalischen Selektion der Gastgeber und ihren mitunter namhaften Gästen lag, die Ali und Basti in den kleinen Laden einluden, darunter echte Stars dieser Phase wie Barbara Tucker. Wir gingen da einfach hin, um „unsere“ Musik zu hören und stundenlang (gemeinsam) zu tanzen und sich treiben zu lassen – also wahrscheinlich ähnlich wie heutzutage das Publikum im Climax. Vielleicht mit dem Unterschied, dass die Musik damals neuer und unbekannter war und man sich erst herantasten muss, was eben über die Clubs stattfand, während heutzutage man den Sound quasi von kleinauf in irgendeiner Form auf allen Kanälen serviert bekommt. Damals war halt doch noch mehr Aufbruchstimmung, man wusste nicht so wirklich wohin die Reise geht, und heutzutage ist ja alles sehr weit entwickelt.

Hier noch ein legendäres Video von damals:

Cristoforo 'kriZe' Marrazzo (Veranstalter, Produzent und DJ):

Was mir in Erinnerung geblieben ist, sind die Meerjungfrauen-Partys von Sabse und ihrer Kollegin. Die beiden standen fast nur im groben Häkelkleidchen hinter der Bar - wir waren alle sofort verliebt und wollten gar nicht mehr weg.

Thorsten Weh (pulsmacher / Kessel.TV):

Wir waren zu der Zeit eigentlich voll auf Techno, sind aber "trotzdem" öfter ins Red Dog - ja, das war damals noch ein Unterschied. Auch mittwochs - anders lautender Gerüchte zum Trotz - ist dort der Hip-Hop-Mittwoch entstanden, nicht im Inner Rhythm (das war später). Gehostet von DJ Thomilla und Matze Bach alias Großmaul, da hat sich jeden Mittwoch die "Szene" getroffen. Wir sind immer früh hin, weil der Eintritt bis Mitternacht frei war - und wir haben in Zuffenhausen gewohnt und mussten auf die letzte S-Bahn.

Legendär und unvergessen bleibt natürlich "Red Dog geht Gassi" im Waldheim Raichberg auf der Waldebene Ost. Tagsüber Hip-Hop und BBQ draußen, abends drinnen House mit Tiefschwarz. Und ja, ich war dort bei einem der allerersten Freundeskreis-Auftritte - es hat geregnet und Max stand auf der Bühne und performte "Anna - immer wenn es regnet". Bei einer anderen Party dort lief in der Hütte, so lange alle draußen waren, der Tiefschwarz-Remix von "Free" von Ultra Naté auf Dauerschleife - die mega Hymne damals.

Masters At Work habe ich im Red Dog leider verpasst, aber ich erinnere mich (s. die Gute-Nacht-Geschichte) an "Rache 96". Alle Fantas waren da, Michi Beck hat aufgelegt, die Ärzte und noch einige mehr Promis haben sich blicken lassen. Ich müsste irgendwo auch noch ein Tape aus dem Red Dog von Michi Beck haben - damals war es völlig okay, dem DJ ein Tape zu geben und zu fragen, ob er mitschneidet.

Witzige Anekdote am Rande: An einem Abend habe ich Ali Schwarz im M1 (dem zweiten im jetzigen Europaviertel) gesehen - damals eigentlich undenkbar. Das waren zwei Welten, Red Dog war "Underground", M1 fast schon "Kommerz". Später haben Tiefschwarz dort aber auch aufgelegt. Tiefschwarz haben halt auch viele Partys außerhalb des Red Dogs gemacht - es gab mal ein Geht Gassi in Konstanz auf dem Boot, wo alle mit dem Bus-Shuttle hingefahren sind. Und es gab die "Sex"-Party im Stripclub im Hans-im-Glück-Areal, in den später der Hi Club eingezogen ist. Einlass nur mit Einladung und entsprechendes Ambiente...

Michael Setzer (Kessel.TV):

Ich kann mich erinnern, dass Bela B. von den Ärzten mal da war und sich nicht sehr gefreut hat, als ihn ein Fotograf knipste. Er bat nachdrücklich darum, das Foto nicht zu belichten. (Gab's damals ja noch nicht digital.) Das Red Dog war eben der Laden, wo die Leute hin sind, wenn nichts mehr offen hatte. Das Oblomow hat erst später aufgemacht.

Dennis Gluska (Mitbewohner der Red-Dog-WG):

1993 - das war die Zeit, in der es noch After-Hour-Clubs gab. Oft ungewollt, wie unser geliebtes Red Dog eben auch. Anfangs immer volle Hütte zwischen 5 Uhr morgens und 11 Uhr mittags - was drastische Auswirkungen auf den gemeinen Stuttgarter Calwer-Straßen-Shopper hatte. Nicht selten erntete man deutliches Kopfschütteln, wenn man auf diese "Spezies" traf. Das Red Dog war ein wundervoller, kleiner House-Schuppen der Liebe - mit einer kleinen Rettungsinsel zum Luft schnappen und Abkühlen. Das waren drei weiße Treppen gegenüber des Clubs, wo man, in der Tat, ohne reinzugehen das "Who is Who" der Stadt traf, wenn's unten zu heiß oder zu voll oder beides war.

Ich selbst durfte Teil dieser unglaublichen Geschichte werden, denn ich habe vier Jahre mit Basti und Sabse zusammen in Alis ehemaliger WG gewohnt. Dafür bin ich bis heute dankbar und immer wieder sehr glücklich, wenn ich so wie jetzt an die alten Zeiten denke. Übrigens wohne ich immer noch, mit 43 Jahren, in dieser legendären WG. Und so kam es, dass ich jeden Freitag und Samstag plötzlich "Inventar des Clubs" war. Ich durfte einige "prominente" Gäste erleben. Prominent in Anführungszeichen, weil im Red Dog jeder gleich war.

Von diversen, äußerst obskuren Gästen möchte ich lieber nicht berichten: "What happened in the Red Dog, stays in the Red Dog." Aber ich wette, Ben Becker oder Bela B. werden sicherlich auch ein paar Freudentränen die Wange herunterkullern, wenn man sie auf diesen kleinen, familiären Club anspricht. Tja, nun steht also die Red-Dog-Returns-Party an - die meisten alten Hasen haben schon Kinder, die mittlerweile selbst bald nachts um die Häuser ziehen. Die Zeit, sie tickt, die Erinnerung, sie bleibt für immer. Nur noch eines zum Schluss: Wer hätte gedacht, dass aus dem zauberhaften, riesigen Barkeeper von damals der Hauptsänger in Starlight Express wird!?

Hier geht's zum Event.